"Wir hätten es uns einfach machen können: Schon vor drei Jahren konnte unser Auto alleine auf dem Highway fahren. Im Herbst 2012 haben wir unseren Mitarbeitern die Autos mit unserer Software mit nach Hause gegeben. 'Ihr müsst aufpassen, aber ihr könnt damit zur Arbeit fahren.' Also sind die Leute auf den Highway, haben den Autopiloten eingeschaltet sich zurückgelehnt und erst an der Ausfahrt haben sie das Steuer wieder übernommen – so weit waren wird schon und wir hätten damit wahrscheinlich viel Geld verdienen können."
Astro Teller spricht vor 3.000 Menschen bei der South by Southwest (SXSW) Interactive in Austin. Er ist der Chef von Google X, der vielleicht größten Zukunftswerkstatt der Welt. Vorne Glatze, hinten Pferdeschwanz, im leicht psychedelischen Hemd ist der Zukunftsdompteur eine Mischung aus Hippie und Geek, der reden kann wie ein Priester. Thema der Predigt – ohne Fehler, kein Erfolg:
"Doch dann haben wir festgestellt, dass die Testfahrer, obwohl sie geschworen hatten, supergut aufzupassen und auch im Auto gefilmt wurden, bei der Fahrt total bescheuerte Sachen gemacht haben. Die Annahme, dass Menschen ein verlässliches Backup sein können – das war unser großer Fehler. Wenn Menschen einmal einem System vertrauen, dann vertrauen sie ihm immer. Unser Erfolg war unser Fehler. Und da war uns klar: Damit wir Menschen nicht rumpfuschen während der Fahrt, muss unser Auto ohne Lenkrad, ohne Bremse und ohne Gaspedal von A nach B fahren. Auf Knopfdruck."
Google X: die vielleicht größte Zukunftswerkstatt der Welt
In Astros Welt haben Autos kein Lenkrad und der Strom dafür wird von Windgeneratoren erzeugt, die an Spidermanartigen Drachen hängen. Auf der SX Interactive ist die Zukunft jetzt. So sind sich alle sicher: Die Apple Watch wird trotz ihrer schwachen Batterie die Umsätze bei den sogenannten Wearables insgesamt ankurbeln. Etwa Armbänder, davon träumt, Travis Bogard von der Firma Jawbone, die uns in der richtigen Schlafphase wecken.
Oder Wearables, die uns beim Abnehmen helfen, wofür es weltweit einen großen Markt gibt. Einiges wird man in der Zukunft sicher belächeln, aber vieles wird unser Leben radikal verändern. Und es sind diese Zukunftsvisionäre aus allen Winkeln der Welt, die die South By Interactive so einzigartig machen.
Gut, sie ist nicht einzigartig: Bina 48 ist die Kreation von Starwissenschaftlerin Martine Rothblatt. Früher war Rothblatt mal ein Mann, sie ist seit 20 Jahren mit einer Afroamerikanerin verheiratet und als bestbezahlte Managerin der USA arbeitet sie an Robotern und künstlicher Intelligenz: Von ihrer Ehefrau hat sie einen Klon erzeugt. Eben Bina 48:
"-Hello.
- Hello Bina 48."
- Hello Bina 48."
Ein Klon mit Identitätskrise
Martine Rothblatts Ehefrau Bina unterhält sich mit ihrem eigenen Klon Bina 48. Doch die Unterhaltung mit ihrem Original stürzt den Klon offenbar in eine deprimierende Identitätskrise. Naja, sie wird darüber wegkommen. Und wer seine Persönlichkeit erst mal geklont hat, braucht gar keinen Körper mehr und ist unsterblich.
Das klingt ziemlich fantastisch und zeigt, dass die Wissenschaftsvordenker den alten South By Idolen längst den Rang abgelaufen haben. South By Southwest wurde nämlich 1987 als reines Musikfestival gegründet, damit man auf den Hunderten Livebühnen der Stadt große Bands sehen und neue Stars entdecken kann.
Klar, immer noch tönt es aus jedem Club, aus jeder Bar der Stadt, wenn tausende Musiker, Bands und Freaks die Live Music Capitol Of The World in Beschlag nehmen. Eines der charmantesten, eindringlichtsten und besten Konzerte fand in diesem Jahr aber nicht in einem Club, sondern in der Central Presbyterian Church statt.
"You know playing in churches is so different and people are listening differently, so it makes it really powerful."
Lisa Kainde Diaz spielt Klavier, Naomi ist für die Percussion zuständig und beide singen, dass den Zuhörern das Wasser in den Augen steht. Ein Gottesdienst - am Ende steht die komplette Gemeinde und singt mit. Die fast schon banale Erkenntnis: So inspirierend die Zukunftsvisionen der Internetmogule sind, nichts berührt hier in Austin so sehr, wie die Musik. Und klonen muss man die beiden Kubanerinnen, die in Paris leben, sowieso nicht – Ibeyi sind Zwillinge. Und man kann darauf wetten: Die beiden 19-Jährigen werden ganz ganz groß! Vielleicht sogar unsterblich.