Sylt-Skandal
Rassistische Parolen: Darf der Arbeitgeber kündigen?

Die Bilder gingen viral: Junge Menschen grölen in einem Nobel-Club auf Sylt rassistische Parolen? Einigen von ihnen soll inzwischen von ihren Arbeitgebern gekündigt worden sein. Doch geht das überhaupt? Arbeitsrechtler sagen: So einfach ist das nicht.

    Blick auf das Lokal "Pony" in Kampen auf Sylt mit davorliegender Terrasse.
    Der Pony-Club auf Sylt: Auf der Terrasse entstand das Video mit rassistischen Gesängen von Partygästen. (dpa / Georg Wendt)
    Zur Melodie des Party-Hits "L'Amour toujours" von Gigi D'Agostino grölen junge Frauen und Männer "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen“. Einer der Feiernden streckt dabei seinen rechten Arm in die Höhe und deutet mit der anderen Hand einen Hitler-Bart über seiner Oberlippe an. Szenen aus einem Video, das sich in den sozialen Netzwerken verbreitete. Aufgenommen wurde es auf der Terrasse des teuren Pony-Clubs auf der Nordseeinsel Sylt. 
    Die Politik verurteilte das Video scharf. Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), nannte die Vorkommnisse "widerlich und unerträglich". Sie zeigten "deutlich, dass Rechtsextremismus und Rassismus sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen ziehen und eben kein sogenanntes Randphänomen sind. Sie reichen bis tief ins bürgerliche Milieu". Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf.
    Inzwischen wurden alle Personen aus dem Video identifiziert. Mindestens zwei der von ihnen soll laut Recherchen des NDR gekündigt worden sein. Andere Arbeitgeber sollen prüfen, ob und welche Konsequenzen sie ziehen wollen. Was ist arbeitsrechtlich erlaubt?

    Inhalt

    Darf Arbeitnehmern wegen rassistischer Aussagen gekündigt werden?

    Strafrechtlich könnte das, was auf dem Video aus dem Pony-Club zu sehen ist, relevant sein. Zumindest ermittelt der Staatsschutz wegen Volksverhetzung. Ob das Verhalten der jungen Frauen und Männer in dem Video arbeitsrechtlich relevant ist und ausgesprochene Kündigungen wirksam sind, „bleibe abzuwarten“, sagt Nele Urban, Fachanwältin für Arbeitsrecht.
    Denn Arbeitsverhältnisse genießen in Deutschland besonderen rechtlichen Schutz. Die Regelungen hierzu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Grundsätzlich gelte: Was jemand im Privaten macht, ist nicht relevant für das Arbeitsverhältnis, betont Urban. „Das deutsche Recht sagt: Mein privater Bereich ist geschützt. Da darf ich erst mal machen, was ich möchte.“ Eine Kündigung aufgrund des Verhaltens in dem Video könne deswegen schwierig sein.
    Zu der gleichen Einschätzung kommt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA): Ein Arbeitnehmer schulde lediglich seine "ordnungsgemäße Arbeitsleistung", aber kein Wohlverhalten in der Freizeit, so Fuhlrott in der "Süddeutschen Zeitung". Das Unternehmen würde von so einem Verhalten in der Freizeit lediglich "beeinträchtigt", wenn der Arbeitnehmer dabei Dienstkleidung getragen hätte, so Fuhlrott. Oder wenn er das Video auf seinem eigenen Instagram-Profil hochgeladen hätte und dort erkennbar sei, für wen er arbeitet. Wenn das nicht der Fall sei, dann bliebe auch solches Verhalten "meine Privatangelegenheit".

    Gibt es juristische Ausnahmen bei der Trennung von Beruf und Freizeit?

    Die Arbeitsrechtlerin Urban erkennt dennoch eine "Zwickmühle": Denn die Vorfälle im Pony-Club blieben durch das Videos nicht mehr privat. "Wenn man das Video von Sylt anguckt, dann sieht man ja: Einer filmt und die anderen gucken und grölen bewusst in die Kamera. Bei Menschen, die mit Social Media umgehen, denen muss in der Situation klar sein: 'Das, was ich da mache, bleibt nicht privat. Ich kann erwarten, dass der, der das filmt, das bei Instagram postet", argumentiert Urban.
    Die Arbeitsrechtlerin verweist diesbezüglich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von 2023. In diesem ist von einer "berechtigten Vertraulichkeitserwartung" die Rede: "Wenn man erwarten kann, dass das veröffentlicht wird, dann ist das nicht mehr so geschützt wie der klassische private Bereich."
    Ausgangspunkt war ein öffentlich gewordener privater Chat zwischen Arbeitnehmern, in dem rassistische, sexistische und menschenverachtende Äußerungen getätigt wurden. Damals entschied das BAG: Wer sich in privaten WhatsApp-Gruppen beleidigend, rassistisch oder sexistisch über Arbeitskollegen oder Vorgesetzte äußert, dem kann fristlos gekündigt werden. Das heißt: Der Schutz der vertraulichen Kommunikation gilt nicht in jedem Fall.
    Allgemein strenger ist auch die Rechtslage im öffentlichen Dienst, besonders bei Beamtinnen und Beamten. Diese haben die grundsätzliche Pflicht, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzustehen, das heißt, auch außerhalb ihre Dienstzeiten. Ein Auftreten von Beamtinnen und Beamten in einem Video wie dem aus dem Pony-Club würde eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen.

    Wie könnte das arbeitsrechtliche Verfahren im Fall das Sylt-Videos weitergehen?

    Kündigungen gelten als wirksam, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen keinen Einspruch dagegen erhebt, so der Arbeitsrechtler Fuhlrott in der SZ. Er geht jedoch davon aus, dass die jungen Menschen aus dem Video gegen ihre Kündigungen nicht vorgehen werden. Denn dadurch würde sich das Medieninteresse an dem Fall weiter verstärken.
    Sollte es doch zu einer Gerichtsverhandlung kommen, könnte es eine große Rolle spielen, ob die jungen Menschen Einsicht zeigten. "Ob jemand eine Tat bereut, ist sehr wichtig für das Strafmaß", sagt Fuhlrott.