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Symbolisches Tribunal in Den Haag
Monsantos Produkte haben "Krankheit und Tod verursacht"

Beim "Monsanto-Tribunal" in Den Haag wollen Umweltaktivisten mit dem Saatgutkonzern abrechnen. Monsanto sei seit Beginn des 20. Jahrhunderts dabei, hochgiftige Produkte zu vermarkten, die unter anderem die Fruchtbarkeit von Mensch und Tier einschränkten, sagte Renate Künast (Grüne) im DLF.

Renate Künast im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne).
    Wenn die Regierung nicht helfe, etwas zu unternehmen, wähle man eine bildhafte Sprache, erklärte Renate Künast das Monsanto-Tribunal. (imago / Christian Thiel)
    Wenn die Regierung nicht helfe, etwas zu unternehmen, wähle man eine bildhafte Sprache, erklärte Renate Künast das Tribunal in Den Haag, mit dem fiktiv dem Saatguthersteller Monsanto der Prozess gemacht werden soll.
    Monsanto sei seit Beginn des 20. Jahrhunderts dabei, hochgiftige Produkte zu vermarkten, die auch Krankheit und Tod verursacht und die Fruchtbarkeit von Mensch und Tier eingeschränkt hätten.
    "Monsanto-Tribunal" will in die Beweisaufnahme gehen
    Das dioxinhaltige Entlaubungsmittel "Agent Orange" von Monsanto und Bayer, das im Vietnamkrieg eingesetzt worden sei, verursache heute noch Geburtsschäden. Man gehe nun in die Beweisaufnahme, um dies aufzuzeigen.
    Auch seien neue Sorten von Monsanto, zum Beispiel für besonders trockene Regionen, kein Allheilmittel. Die Natur hätte dies "längst vorgesehen", und würde von selbst dafür sorgen, dass Pflanzen sich den Umweltbedingungen anpassen.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Wenn es um das Unternehmen Monsanto geht, dann ist der Begriff "Schmuddelkind" noch eine Untertreibung. Seit Jahrzehnten steht wohl keine andere Chemie- und Saatgut-Firma so für alles Schlechte in der globalisierten industriellen Landwirtschaft wie das Unternehmen aus Saint Louis in den USA: Weil Monsanto im Vietnam-Krieg zum Beispiel der US-Armee das berüchtigte Entlaubungsmittel Agent Orange mit all seinen tödlichen Folgen geliefert hat, weil Kritiker dem Konzern dann später vorwarfen, Kleinbauern in den Ruin getrieben zu haben, und im Moment steht Monsanto für sein Pflanzenschutzmittel Glyphosat in der Kritik. Mit all dem muss sich inzwischen auch der deutsche Konzern Bayer auseinandersetzen, der sich ja gerade anschickt, Monsanto zu übernehmen. Heute nun wollen Aktivisten und umweltpolitisch engagierte Wissenschaftler in Den Haag ein sogenanntes Tribunal gegen Monsanto veranstalten. Mehr als 100 Organisationen unterstützen die Initiative. Die Anklage lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Ökozid, also ein Verbrechen gegen die Umwelt. Renate Künast von den Grünen hat für das Tribunal geworben; sie wird heute als Rednerin daran teilnehmen. Mitgehört hat die Grünen-Politikerin Renate Künast, die Vorsitzende im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages. Schönen guten Morgen!
    Renate Künast: Guten Morgen!
    "Die Welt kann sich so nicht ernähren"
    Barenberg: Frau Künast, sind Sie eigentlich eine Anhängerin mittelalterlicher Strafmethoden?
    Künast: Nee, gar nicht! Ich bin eine Anhängerin moderner, auch bildhafter Sprache, und ich glaube, das haben wir ja in Deutschland oder in Europa oft gesehen beim Russell-Tribunal, das auf Bürgerrechtsverletzungen hingewiesen hatte, oder auch bei der ganzen Anti-AKW-Bewegung gegen Atomkraft. Da hat man auch symbolisch ein republikfreies Wendland gebaut. Man muss ja eins sagen: Wenn Regierungen und das Strafrecht nicht helfen, Schäden an Menschen oder an der Umwelt irgendwie zu sanktionieren, dann wählt man hier halt eine bildhafte Sprache. Es wird ja niemand tatsächlich verurteilt oder irgendwelche Sanktionen ausgesprochen, aber man muss doch bildhaft zeigen, dass hier Schäden ausgelöst werden, statt umgekehrt einfach immer zu glauben, so könne man die Welt ernähren. Das stimmt ja nicht. Weder kann sich die Welt so ernähren, noch geht das ohne Schäden für die Gesundheit von Mensch, Tier und für die Umwelt.
    "Hochgiftige Produkte, die auch Krankheit und Tod verursacht haben"
    Künast: Und da muss es schon ein so aufgeladener Pranger sein, sage ich mal, und da reicht nicht eine schlichte Demonstration?
    Künast: Na ja. Für die eine Demonstration würden wir beide vielleicht heute Früh auch gar nicht miteinander reden, zumal die eine Demonstration ja einen Mangel hat. Sie würde nicht zeigen, dass es hier um weltweite Auswirkungen geht und wie der Gesamtzusammenhang ist. Sehen Sie mal: Monsanto ist ja seit Beginn des 20. Jahrhunderts dabei, hochgiftige Produkte zu vermarkten, die auch Krankheit und Tod verursacht haben. Diese ganzen polychlorierten Biphenyle, wo man nach dem Stockholmer Übereinkommen sagt, die Fruchtbarkeit von Mensch und Tier wird beeinträchtigt, und wir haben ja auch Fruchtbarkeitsprobleme. Es gibt andere Mittel wie dieses dioxinhaltige Agent Orange, das war am Ende sogar eine Kooperation von Monsanto und Bayer, das dann später das Entlaubungsmittel im Vietnam-Krieg war für die US-Armee und heute dort noch Geburtsschäden und Krebs verursacht. Und dann dieses Glyphosat, das sie benutzt haben als Unkrautvertilgungsmittel, das auch große, wirklich große Gesundheitsprobleme auslöst, zum Beispiel in Südamerika. Was hätte eine Demo geholfen? Ich glaube, dass es richtig ist, so ein People’s Assembly hier zu machen und auch Teile, sozusagen das mit dem Richter spielen und man eine Beweisaufnahme macht, um einfach mal auch zu zeigen, wie das Ganze als Ausdruck der Agrarindustrie weltweit Schäden auslöst. Wir können nicht die Augen verschließen.
    "Das schafft finanzielle Abhängigkeiten"
    Barenberg: Monsanto ist das Unternehmen, das unter anderem eine ganze Reihe von Saatsorten entwickelt hat, beispielsweise den wassereffizienten Mais für Afrika, der es schafft, Dürre, Insekten und Krankheiten zu trotzen und die Ernteerträge verdreifacht. Ist das nicht ein Segen für Menschen in Afrika?
    Künast: Das sind meistens Behauptungen, die Monsanto aufstellt und die sich in der Realität gar nicht umsetzen. Sie behaupten, solche trockenheits-, wasser- oder salzwasserresistenten Sorten zu haben. Sie behaupten, den besten Baumwollanbau zu machen. Und wenn man sich das genau ansieht, trifft das alles gar nicht zu. Die nordindischen Baumwollbauern leiden, da gibt es extrem hohe Raten, weil am Ende sich die Baumwolle gar nicht als sinnvoll erwiesen hat. Sie hat neue, andere Krankheiten und das schafft insgesamt finanzielle Abhängigkeiten. Und, welch ein Wunder: Wissen Sie, die Natur hat das ja selber längst vorgesehen. Wir können auch einfach forschen, welche trockenheitsresistenten Sorten oder welche salzwasserresistenten Sorten es jetzt schon gibt. Die gibt es jetzt schon in Indien und in Bangladesch, wo es ja entsprechend Salzwasser-Hochwasser gibt. Dazu brauchen wir nicht die Abhängigkeit vom Patent von einem großen Konzern, der dann, wenn Bayer und Monsanto zusammengehen, der größte ist. Und wir brauchen auch nicht, dass am Ende weltweit drei Konzerne bei den Hauptnahrungsmitteln Soja, Mais, Kartoffeln, Maniok, Weizen so richtig die Hand drauf haben.
    "Dieses Treffen produziert auch Bilder über die Wahrheit"
    Barenberg: Frau Künast, wenn ich Sie unterbrechen darf? Das wäre ja eher eine Frage an die Kartellbehörden und die Behörden in den verschiedenen Ländern als an Monsanto. Dass die ihren Markt soweit schaffen wollen wie es geht, das kann man ja nun nicht dem Unternehmen vorwerfen. - Noch mal, weil Sie Indien angesprochen haben. Da hat immerhin das International Food Policy Research Institute festgestellt, dass jedenfalls die Sorten von Monsanto, die es schaffen, einen Schädling auszuschalten, nicht für die Verschuldung von Kleinbauern zuständig sind, sondern dass Dürre, schlechte Bewässerung und mangelnde Hilfe des Staates vor allem verantwortlich sind für das Elend vieler Bauern. Meine Frage geht nur in die Richtung, ob das nicht alles ein bisschen einseitig ist, was Sie da in Den Haag präsentieren?
    Künast: Ich glaube es nicht. Es gibt natürlich solche und solche Einschätzungen an der Stelle. Eins ist auf alle Fälle klar: Natürlich haben auch Dürre oder schlechte Wetterbedingungen in einem Jahr Auswirkungen für die Ernte. Aber es gibt auch jede Menge Belege dafür, dass mittlerweile in gleichen Regionen die Bauern, die alte Sorten anwenden und Bio-Baumwolle anbauen an der Stelle und eine normale Schädlingsbekämpfung machen, dass die solide Ernten haben, sogar in Zeiten von wenig Wasser, auch im Verhältnis zu denen, die dann gentechnisch veränderte Baumwolle anbauen. Selbst wenn wir einseitig wären - ich behaupte, dass dieses Treffen hier auch Bilder über die Wahrheit produziert. Monsanto ist im Zweifelsfalle auch einseitig. Und wenn Monsantos Strategie ist, führend in der Agrarindustrie zu sein, die davon lebt, dass man weltweit Land Grabbing betreibt, weltweit eine Arbeitsteilung macht, wir essen im Norden das Fleisch und im Süden wird gentechnisch verändertes Soja als Futtermittel angebaut mit Glyphosat, die haben dann aber auch die Gesundheitsprobleme, die damit einher gehen, dann muss auch Monsanto sich damit auseinandersetzen, dass das sein Ruf ist. Wer versucht, weltweit den Finger auf Patenten zu haben, Chemikalien dafür einsetzt und umsetzt, ich meine, das ist ja nicht unser beider Ruf, das ist der Ruf von Monsanto durch sein Geschäftsgebaren. Dafür kann ich nichts. Wir setzen uns mit der Frage auseinander, den Blick auf die Wahrheit zu setzen. Und ich sage Ihnen: Ich finde, dass wir uns nicht ernähren können auf eine Art und Weise, die die Augen verschließt vor dem Punkt, wie es anderen geht. Wie zum Beispiel Krebsraten in Argentinien in diesen Gebieten, wo Soja für uns als Futtermittel angebaut wird, wie die sich entwickeln. Das gehört ja am Ende zur Wahrheit dazu. Der Mensch ist nicht dazu gemacht, als Körper so viele Pestizide zu verarbeiten.
    Barenberg: … sagt Renate Künast, die Grünen-Politikerin, hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Künast.
    Künast: Ich danke auch, Herr Barenberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.