Migration ist Duisburg nicht fremd. 40 Prozent der Bewohner Duisburgs haben Migrationshintergründe. In Schulen im Duisburger Stadtteil Marxloh sind ausländische Kinder in der Überzahl. Segregation kann hier vorkommen, eine Isolation, die nicht das Ziel sein kann einer offenen Gesellschaft. Aber Thomas Krützberg sieht mehr Positives. Der Duisburger Kulturdezernent berichtet von den Duisburger Philharmonikern. Ihre aktuelle Spielzeit steht unter dem Motto "Musik verbindet". Die Philharmoniker aus mehr als 30 Nationen spielen in Flüchtlingsheimen oder im Rahmen von Benefizveranstaltungen. Man rauft sich zusammen im Ruhrgebiet – findet auch Lydia Grün, stellvertretende Professorin für Musikvermittlung an der Hochschule für Musik in Detmold:
"Wie wir mit Generationen von Menschen umgehen, die einen Einwanderungshintergrund haben, da ist das Ruhrgebiet Vorbild. Einfach im Erfahrungsschatz, ob er positiv oder negativ ist – und ich finde, dass man aus diesen Erfahrungen deutschlandweit lernen kann und auch muss."
Lydia Grün reist viel durch Deutschland. Sie hat Workshops organisiert im Rahmen des Berliner Netzwerks "Junge Ohren". In Dortmund, Magdeburg oder Augsburg traf sie sich mit vielen Akteuren, die helfen wollen, vor allem mit Musik. Trotz aller regionalen Unterschiede zieht auch Lydia Grün ein positives Fazit. "Es geht" sagt sie zum Thema kulturelle Integration, warnt aber vor manchen Klischees:
"Was ich nicht glaube, ist, dass Musik eine universelle Sprache ist. Sie ist ein Ort oder eine Arena, in der wir uns miteinander verständigen können, die schon nonverbal ist. Aber es gibt auch trennende Musik oder Musiken. Insofern ist sie ein Trigger um uns mit unseren Unterschieden auch auseinander zu setzen. Und zwar nicht nur auf einer rein intellektuellen Ebene, sondern auch mit einem stark emotionalen Aspekt."
Kein gemeinsamer Nenner
Viele musikalische Initiativen entstanden in den letzten Jahren - im Ruhrgebiet wie deutschlandweit: Die Junge Akademie ist ein Zusammenschluss des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie richtet das erste, insgesamt zweitägige Duisburger Symposion "Kulturelle Aspekte der Migration im Ruhrgebiet" mit dem INTEZ aus: ein Verein an der Folkwang Universität der Künste und an der Universität Duisburg-Essen, der sich der Integration hochqualifizierter Zuwanderer widmet. Es heißt die Flüchtlinge. Doch auf einen Nenner zu bringen sind die Menschen aus Syrien, aus Nordafrika oder Afghanistan nicht. Andreas Jacob, designierter Rektor von der Folkwang Universität Essen, berichtet von einem kleinen Teil, von Musikstudenten aus Syrien:
"Wir hatten hier Studierende in unserem Symposion auch zu Wort kommen lassen. Das waren dann natürlich Leute, die auch besonderes Integration-willig sind und die auch wirklich versuchen, ihren Beitrag hier zu leisten. Und sagen dann beispielsweise: Ich bin doch nicht übers Meer geflohen, um nur arabisch zu lernen – die wollen eben ihren Beitrag leisten eben als Künstler. Und das ist vielleicht auch da ein Unterschied. Weil viele andere Ausländer kommen hierher, um hier eine Ausbildung zu erhalten und dann mit dieser Ausbildung auch wieder in ihr Heimatland zurückzugehen und da Karriere zu machen."
Umfassende Wirkung
So heterogen die Flüchtlingsgruppen, so verschieden sind die vielen Musikprojekte, die im Symposion zur Sprache kamen: Daniela Schwarz von der Essener Folkwang Universität der Künste referiert über das Projekt "Funky Wisdom". Unterstützt von unmittelbar körperlichem Rap und Hip-Hop lernen Flüchtlinge spielerisch die Deutsche Sprache, rhythmisieren gemeinsam im Sprechgesang die Wochentage, stärken en passant das Zusammengehörigkeitsgefühl. Dortmunder Musikprojekte von Anke Ames bringt Robert von Zahn vom Landesmusikrat NRW zur Sprache. Ames´ Ansatz besteht darin, durchs experimentelle Erkunden von Flöten, Streichinstrumenten oder Trommeln eine nonverbale Kommunikation zu fördern; es ist eine Art ganzheitlich soziokultureller Musiktherapie, geeignet zur Vermittlung europäischer Musikkultur, aber auch zur Verarbeitung traumatischer Kriegs- oder Fluchterfahrungen. Robert von Zahn verschweigt nicht die Probleme, die interkulturelle Arbeit mit sich bringt. Er rät Frauen und auch Homosexuellen davon ab, alleine Projekte durchzuführen; zu wenig Toleranz gebe es in dieser Hinsicht in islamischen geprägten Gesellschaften. Referenten warnen auch vor einem "Zuviel des Guten". Ehrenamtliches Engagement ist schön, aber prekär. Sollten in einem Trommelworkshop plötzlich Kriegstraumata ausbrechen, ist nicht der Hobby-Schlagzeuger gefragt, sondern der professionelle Psychologe. Erfahrungen, Worte und Kongresse gab es viele in den letzten Jahren, sagt Robert von Zahn. Nun gehe es um Kurskorrekturen und konkretere Perspektiven. Beim Thema Nachhaltigkeit ist besonders die Kulturpolitik gefordert:
"In dem Moment, wo wir Fördermittel mit Projekten für Flüchtlinge für zwei, drei oder vier Jahren ausschreiben dürfen – in dem Moment werden dieselben Träger, die wir jetzt haben, auch dann entsprechende Projekte mit nachhaltigen Wirkungen durchführen wollen und durchführen werden. Es ist wirklich ein kleiner Schritt. Und der Landtag beziehungsweise der Bundestag – je nachdem, worum es gerade geht – muss sich einfach entschließen, diesen Weg zu gehen und dreijährige Mittel mindestens frei machen. Besser noch längere Zeiträume."
Was längerfristig angestrebt wird, ist die konsequentere, eigenverantwortliche Einbindung der Migranten, der Flüchtlinge. Andreas Jacob von der Essener Folkwang Universität der Künste:
"Also ich denke, das wurde ja auch immer wieder angesprochen, dass vor allem eine gute Koordination, Plattformen auch schaffen für die Leute aus der Community selber, dass sie sich selber vernetzen können. Einfach die Voraussetzung schaffen, dass so eine gewisse Selbstorganisation einsetzen kann, dass das zielgerichtet, Bedürfnis bezogen eingesetzt werden kann. Das geschieht durch Qualifizierung und Ausbildung. Und das ist genau unsere Aufgabe als Schulen, Hochschulen, das zu tun."
Perspektiven
Aufgaben, so ein Resümee des Duisburger Symposions Kulturelle Aspekte der Migration im Ruhrgebiet, haben alle: Die Flüchtlinge haben die schwersten zu bewältigen, aber auch die Politik und natürlich auch die Bevölkerung ist gefordert – gerade in Zeiten, wo liberales Denken angegriffen wird von Populisten. Abstrakte politische Schlagwörter helfen wenig. Viel Wichtiger – so Robert von Zahn – sei die Arbeit "vor Ort". Wohlgemerkt nicht nur im Ruhrgebiet, sondern deutschlandweit:
"Die Mittel sind noch zu einem sehr großen Teil auf der Ebene, wo gesagt wird: Wir schaffen das. Aber sie sind noch nicht da, wo geschafft wird. Sie müssen auf die kommunale Ebene herunter gebrochen werden. Sie müssen so zur Verfügung stehen, dass die Zivilgesellschaft aber auch die Sozialträger damit arbeiten können. In dem Moment, wo dort die richtige Unterfütterung da ist, kann auch sehr viel mehr geschafft werden als im Moment noch der Fall ist."