Archiv

Symposium am Haus der Kulturen der Welt
Wie politisch ist das Bauhaus?

Das Jubiläum des Bauhauses wird in diesem Tagen verschiedentlich gefeiert. Dabei war es politisch nicht frei von den „Gefährdungen des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts“, sagt der Architekturtheoretiker Philipp Oswalt im Dlf.

Philipp Oswalt im Gespräch mit Änne Seidel |
    Das Bauhaus in Dessau 1928
    Das Bauhaus in Dessau 1928 (imago/Arkivi)
    Seidel: Wie politisch war es also, das Bauhaus? Im Berliner Haus der Kulturen der Welt wird diese Frage zur Stunde diskutiert. Unter den Teilnehmern des Symposiums ist auch Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie und bis 2014 auch Direktor der Bauhaus-Stiftung in Dessau. Mit ihm konnte ich sprechen und auf die Frage, wie politisch war das Bauhaus, sagte er:
    Philipp Oswalt: Es hatte immer den Anspruch, in die Gesellschaft hinein zu wirken und die Frage ist, geht das überhaupt auf unpolitische Weise? Gropius und vielleicht auch Moholy-Nagy waren der Auffassung, das ginge und Gropius hat das ja praktisch mit Normierung, Typisierung und Vorfertigung propagiert und in Dessau-Törten, der Wohnsiedlung exerziert. Er wurde dafür auch kritisiert von Adolf Behne, einem berühmter Architekturkritiker, der sagte, es gebe kein unpolitisches Agieren in der Gesellschaft. Es wird nur behauptet, unpolitisch zu sein und es ist doch politisch wirksam. Das Bauhaus war in der Weimarer Zeit sehr umstritten und wurde nicht nur von den Rechtsradikalen, der NSDAP attackiert, sondern auch von den konservativen bürgerlichen Kreisen, was heute vielleicht die CDU darstellt. Getragen wurde es immer von der Sozialdemokratie, den Liberalen und den Kommunisten und es war insofern schon eine polarisierende Institution, die sich politischen Fragen nicht ganz entziehen konnte. Vor allem, wenn man den Anspruch hat, gesellschaftlich wirksam zu sein, geht es natürlich nicht ohne Verbündete. Das war bei Hannes Meyer, dem zweiten Baudirektor, sehr klar. Er hat dann auch mit den Gewerkschaften und Genossenschaften gebaut. Gropius hat ja vor allem Villen für Professoren und Industrielle, also für das gehobene Bürgertum gebaut und bei Hannes Meyer sieht man schon an der anderen Bauherrnschafft, dass er etwas anderes versuchte.
    Seidel: Das Bauhaus, Sie haben es gesagt, stand von Anfang an unter Beschuss von Konservativen und später auch von extrem rechten politischen Kräften. Nun leben wir im 21. Jahrhundert und nicht in der Weimarer Republik. Man sollte mit Vergleichen sicherlich vorsichtig sein. Dennoch gibt es ja zumindest gewisse Parallelen. Auch heute gibt es zum Beispiel wieder Angriffe von rechts auf Kulturinstitutionen, die genau wie damals vor der Frage stehen, wie wir damit umgehen sollen. Kann das Bauhaus da in irgendeiner Form Vorbild sein?
    Verschiedene politische Richtungen knüpften an
    Oswald: Ich denke mal, dass das Bauhaus kein deutsches Kulturerbe war. Das Bauhaus hat davon gelebt, dass es die ganzen Ideen der europäischen Avantgarde in sich aufgenommen hat. Der Lehrkörper war sehr gemischt, sehr international und genauso die Studentenschaft und das Ganze war eigentlich durchaus auch getragen von schwärmerischen sozialistischen Ideen. Die waren natürlich noch nicht so in Frage gestellt durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts, denken wir an Stalin oder Mao oder Pol Pot. Das hatte es ja alles noch gar nicht gegeben. Das konnte man irgendwie noch etwas ungebrochener tun und ich glaube, dass das, was das Bauhaus historisch als Institution ausgemacht hat, durchaus ein bemerkenswerter internationaler und auch kollektiver Geist war, an den man sich heute durchaus erinnern sollte. Es war sehr produktiv, führte nicht in den Abgrund, sondern ist inzwischen längst in den Kulturkanon aufgenommen worden.

    Seidel: Jetzt haben sie Stalin und andere schon genannt. Es gibt ja Stimmen, die eine gewisse Schnittmenge zwischen den Ideen des Bauhauses und totalitären Ideologien sehen. Was sagen Sie, gibt es diese Schnittmenge und wenn ja wie groß war sie?

    Oswalt: Am Bauhaus gab es unterschiedliche Ideen, was Gesellschaft ist und wie man in eine Gesellschaft hinein wirken soll. Es gab lebensreformerische Ideen, die sogar antiindustriell waren. Es gab die Idee der technischen Optimierung von Gropius. Es gab auch eine Art "Bottom-up"-genossenschaftliches Denken von Hannes Meyer oder Mies van der Rohe. Letzterer fand das alles unsinnig und sagte: "Wir machen gute Architektur, Schluss und die Gesellschaft ist was anderes". Es gab sehr widerstreitende Vorstellungen von dem, was Gestaltung in einer Gesellschaft bedeutet und die Anschlussfähigkeit ist nach diesen Modellen natürlich sehr unterschiedlich. Das Bauhaus war nicht frei von den Gefährdungen des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts und es hat es sowohl Anknüpfungspunkte gegeben in das NS-Regime, ein Bauhaus-Schüler war in der Bauabteilung von Auschwitz. Es hat aber auch eine Anschlussfähigkeit in den Sowjetsozialismus gegeben. Es gab ja viele bei Bauhäussler, die da hingegangen sind. So zum Beispiel Hannes Meyer und seine Schüler, wobei sie eine andere Idee hatten von dem, was das ist, bevor sie da hinkamen. Das war ja genau in der Zeit des Umbruchs, die Durchsetzung des Stalin-Regimes, in das sie da hinein gerieten und viele bezahlten es dann auch mit ihrem Leben. Insofern ist so eine Heroisierung des Bauhauses als das super-demokratische, liberale und soziale Projekt auch nicht haltbar. Man muss von so einer Fetischisierung, die ja fast Reliquiengleich heute betrieben wird, wegkommen und auch einfach einen kritischen Blick wagen und verstehen, was war produktiv, was war aber auch problematisch. Und man wird natürlich nicht heute an dem Punkt weitermachen können, wo man 1933 aufgehört hat.
    Feierlaune trübt den Blick
    Seidel: Stichwort kritischer Blick: In dieser Woche wurde das offizielle Bauhaus-Jubiläumsprogramm eingeläutet. Zum Auftakt läuft jetzt gerade erst mal ein großes Festival in Berlin. Ist dieses Gedenkprogramm kritisch genug, gerade auch mit Blick auf die politischen Ideen des Bauhauses?
    Oswalt: Das Jubiläumsprogramm insgesamt ist ja sehr vielfältig und es gibt sicherlich ganz tolle Projekte, es gibt Projekte, die fragwürdig sind und darüber mag auch gar keiner urteilen. Das Problem ist vielleicht eher die Ausrichtung. Das zeigte sich in der Bundestagsdebatte 2015, wo so schwärmerisch von CSU bis zur Linken, also durch das ganze politische Spektrum, alle meinten, mit gleichen Worten, das Bauhaus loben zu können und das ist natürlich irritierend. Denn wenn es heißt, es soll an der Gesellschaft etwas positiv bewirken, sind dann wirklich die Vorstellungen der Linken identisch mit denen der CSU? Das ist fragwürdig. Und ich finde auch fragwürdig, die Rede von Bundespräsidenten Steinmeier, der eigentlich eher im Duktus einer westdeutschen Kalten-Krieg-Rhetorik das Bauhaus zum Objekt der Demokratie beschwor. Das war wirklich für mich sehr eigenartig, auch ein bisschen naiv. Aber das entsprach genau dieser Feierlaune, in der momentan alle sind, die aber dem Sachverhalt meines Erachtens nicht gerecht wird. Das fand ich enttäuschend.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.