Einzeller, die es in der Natur so nicht gibt, sollen helfen, den Treibhauseffekt zu bekämpfen. Das ist eine der Visionen der Synthetischen Biologie. Um sie zu verwirklichen, verfolgen ihre Vorreiter ganz unterschiedliche Ansätze. James Liao zum Beispiel, von der Academia sinica in Taiwan, will erreichen, dass Einzeller weniger CO2 produzieren. Auch die tragen nämlich zur Klimaerwärmung bei: Wenn sie Zucker umsetzen, gelangen von dessen sechs Kohlenstoffatomen zwei in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre. Doch bei einem Stamm des Allerweltsbakteriums Escherichia Coli, dessen Stoffwechsel Liao komplett umgebaut hat, ist die CO2-Bilanz viel besser:
"Diese Bakterien erzeugen aus Zucker Essigsäure, ohne dass CO2 entsteht. Essigsäure lässt sich zum Beispiel zu Ethanol umwandeln, und zu Fettsäuren, aus denen Biodiesel hergestellt werden kann. So ziemlich jede interessante Chemikalie kann aus dem Baustein Essigsäure mit ihren zwei Kohlenstoffatomen abgeleitet werden."
Nachfrage gering: Erdöl günstiger
Mit diesem genetisch modifizierten Stamm von Escherichia coli können also nützliche chemische Verbindungen erzeugt werden, ganz ohne dass dabei CO2 entsteht. Das Problem dabei: Solche Substanzen lassen sich heute viel kostengünstiger aus Erdöl herstellen. Deshalb ist die Nachfrage nach dem synthetischen Bakterium gering, obwohl seine Nutzung für das Klima günstig wäre. Der israelische Forscher Arren Bar-Even hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam bringt er gewöhnlichen Colibakterien bei, was sonst nur die wenigsten Einzeller können: nämlich von Ameisensäure zu leben, die direkt aus CO2 hergestellt wird:
"Ameisensäure kann sehr effizient auf elektrochemischem Wege aus Kohlendioxid hergestellt werden. Und ein Mikroorganismus, der von Ameisensäure lebt, nimmt sie auf und kann daraus andere Verbindungen herstellen. So könnten wir eine Produktionskette aufbauen, die mit CO2 und erneuerbarer Energie beginnt und mit interessanten Produkten endet. Und Ameisensäure ist ein Schlüssel in diesem Prozess."
Künstliches Bakterium mit neuartigem Stoffwechsel
Bei diesem Ansatz geht es also darum, dass Mikroorganismen Kohlendioxid indirekt verwerten. Wo viel davon anfällt, etwa bei Zementfabriken oder Kohlekraftwerken, könnte regenerativer Strom aus Wind- und Solarkraftwerken genutzt werden, um das CO2 im Abgas in Ameisensäure umzuwandeln. Diese könnte wiederum in einen Bioreaktor gepumpt werden, in dem die Einzeller wachsen, die von Ameisensäure leben. Eine solche Anlage gibt es noch nicht. Dagegen ist das genetisch modifizierte Bakterium nach Aussage von Arren Bar-Even fast fertig:
"Dabei ist der Stoffwechsel, den wir den Colibakterien einbauen, völlig synthetisch. Er kommt in keinem anderen Organismus vor. Das ist also eine doppelte Herausforderung: Zum einen bringen wir den Bakterien bei, auf Ameisensäure zu wachsen - schon das ist schwierig. Und wir versuchen das nicht mit einem bekannten, sondern mit einem völlig neuartigen Stoffwechselweg."
Der soll deutlich effektiver sein als bei den wenigen bekannten Einzellern, die Ameisensäure als Nahrung nutzen. Der Forscher betont, dass auch seine synthetischen Bakterien die unterschiedlichsten Chemikalien herstellen können, und zwar ebenfalls ohne dass dabei CO2 frei wird. Aber auch das wird zunächst viel aufwändiger und teurer sein, als diese Produkte einfach aus Erdöl zu erzeugen, räumt Arren Bar-Even ein:
"Wenn wir jedoch so klug wären, einen Anreiz für Technologien zu schaffen, die direkt CO2 und regenerative Energie nutzen, statt auf Erdöl zu setzen, würde das helfen, den Klimawandel zu bremsen. Dieses Ziel zu erreichen, ist also nicht nur eine wissenschaftlich-technische Herausforderung, sondern auch eine für die Politik."
Ein solcher Anreiz könnte zum Beispiel darin bestehen, den Ausstoß von Kohlendioxid teurer zu machen, etwa durch eine CO2-Steuer. Denn Verfahren der Synthetischen Biologie, die für weniger Treibhausgas in der Atmosphäre sorgen könnten, stehen bereits vor der Tür. Sie brauchen nur Starthilfe.