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Synthetische Biologie
Opiate aus der Brauerei

Drogen nicht mehr von Mohnfeldern in fernen Ländern, sondern aus "Hinterhof-Brauereien"? Im Prinzip möglich. Kalifornische Biologen haben ein entsprechendes Verfahren beschrieben - allerdings mit dem Ziel, Schmerzmittel herzustellen. Nun müssen sie sich auch mit juristischen Fragen auseinandersetzen.

Von Volkart Wildermuth | 19.05.2015
    Eine Maß Bier steht auf einer blau-weißen Tischdecke
    Gelingt das, entstünde ein Hefestamm, der aus Zucker nicht Alkohol, sondern Morphium bilden würde. (dpa/picture-alliance/Heinz von Heydenaber)
    Der Schlafmohn wird schon seit Urzeiten geschätzt, von Opiumsüchtigen genauso wie von Ärzten. Denn der Mohn und ähnliche Pflanzen bilden eine große Zahl chemisch eng verwandter Substanzen, die ausgesprochen vielseitig einsetzbar sind.
    "In der Natur gibt es etwa 2.500 dieser Moleküle. Sie sind vielversprechend, nicht nur als Schmerzmittel, wie Morphium oder Codein, sondern auch als Krebsmedikamente, Hustenstiller oder Antibiotika", sagt John Dueber, der an der Universität von Kalifornien in Berkeley auf dem Gebiet der synthetischen Biologie arbeitet.
    Aus Mohnpflanzen lassen sich nur einige dieser Wirkstoffe isolieren. Verschiedene Team versuchen, die wertvollen Substanzen mithilfe von Einzellern herzustellen. Dabei experimentierte man zunächst mit Bakterien, aber in diesen einfachen Zellen funktionieren einige der nötigen Reaktion nur schlecht. Deshalb setzt Dueber auf Hefepilze. Schon die Bierbrauer haben bemerkt, dass sich diese Zellen einfach und schnell vermehren lassen. Heute nutzen sie Biotechnologen beispielsweise zu Produktion von Insulin.
    In 15 Schritten zum Morphium
    In Mohnpflanzen sind 15 Stoffwechselschritte nötig, um Zucker in Morphium umzuwandeln. Einige der dafür nötigen Erbanlagen haben die Biologen bereits mithilfe der Gentechnik in die gewöhnliche Bierhefe übertragen. Aber ausgerechnet der erste Schritt, die Bildung eines Zwischenprodukts namens L-Dopa wollte nicht gelingen. Der Durchbruch kam aus einer unerwarteten Richtung. Ein Doktorand im Labor beschäftigte sich mit einem Enzym, das L-Dopa in einen fluoreszierenden Farbstoff umwandelt.
    "In den Pflanzen färbt es die Blüten ein, damit Insekten angelockt werden. In unseren Hefezellen machte das Enzym jetzt die Konzentration von L-Dopa sichtbar."
    Indem sie nach den bunteste Hefekolonien Ausschau hielten, konnten die Forscher schnell ein Gen für die L-Dopa-Produktion finden. Mehr noch, in einem zweiten Schritt gelang es, über die Farbänderung auch deutlich effektivere Varianten dieses Gens zu entdecken. Damit war die größte Hürde genommen. Mit einigen zusätzlichen Enzymen brachte Duebers Team die Hefen dazu, das L-Dopa weiter in Richtung Morphium zu verändern. Die immer noch fehlenden Syntheseschritte hatten im Frühjahr bereits andere Arbeitsgruppen in Hefen realisiert.
    Afghanische Bauern bei der Ernte von Schlafmohn.
    Der Anbau von Schlafmohn ist für afghanische Bauern lukrativ. (picture alliance / dpa / Ghulamullah Habibi)
    "Die Puzzlestücke sind bekannt, sie müssen jetzt zusammengesetzt werden. Das ist eine Herausforderung. Aber wenn sich jemand konzentriert dransetzt, sollte das in zwei, drei Jahren zu schaffen sein."
    Es geht vor allem darum, die insgesamt 15 fremden Enzyme in der Hefezelle auch zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit zu bringen. Gelingt das, entstünde ein Hefestamm, der aus Zucker nicht Alkohol, sondern Morphium bilden würde.
    Die Polizei wird hellhörig
    Technisch wäre der Aufwand nicht größer, als etwa beim Bierbrauen. Nun gibt es keinen Mangel an Morphium. Aber die Forscher könnten die Hefen weiter verändern und so Varianten der Opiate herzustellen, um etwa Schmerzmittel mit weniger Nebenwirkungen oder ohne Suchtpotenzial zu finden. Aber eine Opiat-Hefe wäre sicher nicht nur für die Medizin von Interesse.
    "Es ist vorstellbar, dass in Zukunft Opiate nicht mehr in Mohnfeldern in fernen Ländern produziert werden, sondern in einer Art Hinterhofbrauerei. Ohne jede Kontrolle durch die Polizei, das Gesundheitssystem oder auch die Drogenkartelle. Die Süchtigen hätten dann noch leichteren Zugang zu diesen tödlichen Substanzen."
    John Dueber und seine Kollegen hatten sich an Kenneth Oye vom MIT in Boston gewandt. Der Politologe schlägt ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor. Einige sich eher technischer Natur, die Forscher sollten Hefestämme verwenden, die nur unter ganz besonderen Bedingungen wachsen. Andere sind ganz praktisch, zum Beispiel eine erhöhte Sicherheit in den Laboren. Und auf der Ebene der Regulierung könnte man über eine Zulassung für die Arbeit mit Opiat-Hefen nachdenken. Die Vorschläge leuchten John Dueber ein.
    "Entscheidend ist, die Diskussion jetzt zu beginnen, bevor es Opiathefen wirklich gibt."
    Da ist er sich mit Kenneth Oye einig. Der begrüßt, dass die Forscher selbst den Dialog mit der Gesellschaft suchen. Aber er betont auch, am Ende muss es verbindliche rechtliche Regelungen für den Umgang mit den Opiat-Hefen geben.
    "Es stimmt, dass sich viele Forscher verantwortungsvoll verhalten, aber das trifft nicht auf alle zu. Deshalb brauchen wir mehr als freiwillige Zusagen."