Auf dem Gelände einer Raffinerie in Leuna wird an der Zukunft gearbeitet. Forscher produzieren das sogenannte e-Benzin. Ein Kraftstoff, der nicht aus Erdöl, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz und Zucker hergestellt wird. Inmitten der Demonstrationsanlage - einem Edelstahl-Wirrwarr aus silbern, glänzenden Behältern und Leitungen – steht die Biotechnologin Monique Merkel.
"Draußen steht ein großer Tank, da ist Zuckerlösung drin, die wird sterilisiert. Und diese Lösung gelangt dann in diesen Behälter, hier in der Mitte: Das ist unser Bioreaktor. Dort, wo im Prinzip, die Reaktion stattfindet. Und dadurch, dass die Bakterien gentechnisch verändert sind, sind sie in der Lage, Produkte zu bilden, die es so in der Natur nicht gibt"
Einfach erklärt: In einen Fermentationsprozess wird aus Zucker - durch genetisch veränderte Bakterien - Isobuten hergestellt. Ein Kohlenwasserstoff: Der Grundstoff für Treibstoffe, der bisher aus Erdöl gewonnen wird. Wissenschaftlern gelingt dies jetzt aus nachwachsenden Rohstoffen, in einer Kooperation zwischen dem französischen Unternehmen Global Bioenergies – 2008 gegründet als Start-up in Évry bei Paris - und dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse im sachsen-anhaltischen Leuna.
"CO2 hat Kohlenstoffmoleküle, die Pflanze baut das Kohlenstoffmolekül zu Zucker zusammen. Und das Bakterium nimmt wieder das Zuckermolekül, nimmt sich da die Kohlenstoff-Atome raus. Und baut daraus Isobuten."
Das grüne Benzin. Bei der Herstellung werde der CO2-Ausstoß deutlich verringert, unterstreicht Fermentations-Ingenieurin Monique Merkel von Global Bioenergies. schränkt aber ein: "Wir brauchen derzeit noch weiter das normale Erdöl." Weil man für etwa ein Liter Isobuten rund vier Kilogramm Zucker benötige. Biomasse, die derzeit nicht bereitsteht, wenn man im großen Stil synthetisches Benzin herstellen wolle. Einer der Gründe, weshalb man das synthetisch hergestellte Isobuten derzeit nur als Zusatzstoff einsetze: "Aber unser Produkt hat durchaus das Potenzial, das übliche Benzin zu ersetzen."
Fast 50 Prozent weniger Emissionen als Elektroautos
Das in Leuna synthetisch und erdölunabhängig hergestellte Benzin ist benzol- und schwefelfrei. Und verbrenne daher sauber, unterstreicht Ales Bulc, ein slowenischer Elektro-Ingenieur. Er hat in Ljubljana studiert, in Berkeley promoviert. Und ist Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des französischen Unternehmens Global Bioenergies.
Nach Ansicht von Bulc könne mit dem in Leuna hergestellten grünen Kraftstoff der CO2-Ausstoß deutlich reduziert werden. Und: Die Ökobilanz sei um ein Vielfaches besser als bei Elektroautos, so Bulc weiter.
"Elektroautos brauchen Elektrizität. Und die kommt von Kohle und Gas, anderen Rohstoffen. Unsere CO2-Emissionen dagegen sind fast 50 Prozent geringer, als von Elektro-Autos."
Verkehrsforscher sind von dem Konzept allerdings nicht überzeugt, da allein der Stromverbrauch für die Herstellung der genveränderten Bakterien sehr hoch sei. Und plädieren dafür, aus dem Verbrennungsmotor komplett auszusteigen.
In Leuna dagegen heißt es, mit dem synthetischen Benzin könne die Energiewende wahr werden. Das Vorhaben der Bundesregierung eine 85-prozentige Reduzierung des CO2 Ausstoßes bis 2050 will Bulc mit einem synthetischen Kraftstoff erreichen, der nicht aus Erdöl, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz und Zucker hergestellt wird.
Ziel ist die völlige CO2-Neutralität
In einem weiteren Schritt strebt Wissenschaftler Ales Bulc jedoch die völlige CO2-Neutralität an. Er und seine Kolleginnen wollen mittels gentechnisch veränderter Bakterien sogar aus Abgasen – also aus Kohlendioxid – Kraftstoffe herstellen.
"Wir nehmen CO2 aus der Atmosphäre und schicken es wieder in die Atmosphäre. Das ist wirklich ein Kreislauf, ohne neues CO2 zu produzieren."
Der Vorteil: Allein mit Biomasse könne man das Erdöl nicht ersetzen, weshalb der Kraftstoff aus Abgasen die Zukunft mit viel Potenzial sei, lobt Bulc. Die Luft um uns soll also zur Kohlenstoffquelle werden.
Das synthetische Benzin reduziere aber nicht nur den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor, auch handelsübliche Motoren können damit weiter genutzt werden und es müssen keine passgenauen Antriebe neu gebaut werden. Von Vorteil vor allem für die Luftfahrt, einer der großen CO2-Emittenten. Denn an den Fliegern, die 2050 ausgeliefert werden, an denen werde jetzt schon gebaut, meint Bulc. Mit dem neuen synthetischen Benzin aber, so der Vorteil, könnten die bisherigen Flugzeug-Motoren genutzt werden.
Erste Produktionsanlagen sind in Planung
Wie viel der Liter synthetisches – also grünes - Benzin allerdings kosten werde, darauf möchten die Wissenschaftler in Leuna keine Antwort geben. Einziger Hinweis: Man plane bereits die ersten Produktionsanlagen, die das synthetische Benzin im großen Stil produzieren, die Tankstellen ab 2019 mit dem neuen Kraftstoff beliefern. Ales Bulc von Global Bioenergies:
"Wir haben ein Joint Venture mit Crystal Union – einer der größten französischen Zuckerhersteller. Wir planen, eine erste Anlage in Frankreich und hoffen die zweite Anlage in Deutschland zu haben."