"Ich sag immer, sie sind herzlich willkommen bei uns einen Kaffee zu trinken. Sie sagen immer ja, ja…aber nachher niemand meldet sich."
Die syrische Studentin Nadja Al-Najar versucht die Probleme mit ihren strahlend braunen Augen einfach wegzulachen.
"In den Nachrichten sagen die Politiker immer, die Flüchtlinge müssen sich in Deutschland integrieren. Wie können wir das machen, wenn die Leute uns nicht angucken, wenn sie Kontakte mit uns nicht wollen?" Fragt Nadja Al-Najar, es klingt fast etwas verzweifelt.
Nadja ist eine lebenslustige 33jährige Frau und studiert im anhaltischen Köthen, das derzeit die Schlagzeilen beherrscht. Nach dem Tod eines 22Jährigen waren in Köthen – ähnlich wie in Chemnitz – Rechtsextreme auf den Straßen unterwegs, haben volksverhetzende Reden gehalten.
Zu den Vorkommnissen in der Stadt möchte Nadja Al-Najar jetzt erst mal nichts sagen. Vielleicht später, wenn sich alles beruhigt hat, sagt sie. Im Sommer 2015 ist sie aus Daraa im Süden Syriens zusammen mit ihrem Mann und dem damals noch zweijährigen Sohn nach Deutschland geflohen.
"Nach Libanon mit dem Auto, von Libanon mit dem Flugzeug in die Türkei und von der Türkei nach Griechenland. Mit dem Boot. Und von Griechenland sind wird gelaufen."
1.000 Stunden Deutschunterricht und Masterstudium
Jetzt lebt Nadja Al-Najar in Schönebeck bei Magdeburg. Sie studiert in Köthen an der Hochschule Anhalt. An der Universität Damaskus hat sie bereits Landwirtschaft studiert, dort einen Abschluss gemacht. Die Ingenieurskammer hat sie hier aber abgelehnt.
"Meine Zeugnisse wurden hier anerkannt. Aber meinen Ingenieur, habe ich versucht in der Ingenieurkammer anzumelden. Aber leider haben sie den dort abgelehnt."
Weshalb sie jetzt noch einen Master-Abschluss machen will, um ein europaweit gültiges Hochschulzeugnis in der Tasche zu haben. Für Nadja Al-Najar war es ein weiter Weg, um in Deutschland persönlich anzukommen. Auch deshalb, weil sie eine komplett neue Sprache lernen musste. Nach mehr als 1.000 Unterrichtsstunden kann sie mittlerweile ohne größere Mühe Vorlesungen auf Deutsch folgen. War ein echter Kraftakt, schiebt sie noch schnell hinterher.
Wenn sie über ihr Leben in Deutschland spricht, ändert sich aber ihre Stimmung. Freunde zu finden sei sehr schwer, betont Nadja. Nicht mal ihre Nachbarn wollen mit ihr in Kontakt kommen, erzählt sie. Im Treppenhaus grüßen sie kaum, an der Supermarktkasse bediene man sie fast unwillig, erzählt sie.
Syrerin: Die Menschen hier wissen nicht, was Krieg bedeutet
"Ach, Ostdeutschland ist immer ein Thema. Die Menschen müssen hier ein bisschen offener sein."
Nadja fühlt sich in Deutschland sicher, ist aber auch einsam. Ihr fehlen die Freunde aus der Heimat.
"Ich lebe jetzt in Deutschland, aber die Hälfte meines Herzen ist schwarz, keine Gefühle mehr. Viele Menschen, die ich immer liebte, sind gestorben."
Mit der immer schärferen Debatte über die deutsche Asylpolitik kann die 33-Jährige nichts anfangen. Die Menschen hier wüssten einfach nicht, erzählt sie, was Krieg bedeutet. Es fällt ihr sichtlich schwer, über das Erlebte zu sprechen. Zu nah sind die Kriegserlebnisse, die Fluchterfahrungen und das nicht immer freundliche Willkommen in Sachsen-Anhalt, wie sie leise ergänzt. Auch wenn keiner danach fragt, eins sei ihr wichtig:
"Wir bedanken uns bei Deutschland, für die Hilfe."
Wunsch nach mehr Offenheit gegenüber Geflüchteten
Nadja Al-Najar ist eine selbstbewusste moderne Frau. Sie wünscht sich ein friedliches Leben. Alles keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht für ihre Freunde, die sie alle in Syrien zurücklassen musste. Doch am Ende hat sie doch noch einen kleinen Wunsch: Mehr Offenheit gegenüber Geflüchteten.
"Deutschland hat doch im Ersten und Zweiten Weltkrieg diese Situation erlebt, mit Krieg und Flüchtlingen. Sie müssen einfach ein bisschen offener sein."