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Syrianos: Diskussion über Euroaustritt Griechenlands richtet "Zerstörung" an

Der Druck auf die griechische Regierung müsse aufrechterhalten werden, "damit die Reformen stattfinden", sagt Anasthasios Syrianos. Doch man solle auch die bisherigen Erfolge Griechenlands honorieren. Durch die Debatte um einen Euroaustritt würden Investoren verprellt, so der Chef der EZA-Brauerei.

Anasthasios Syrianos im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: "Die Europäische Zentralbank ist bereit, alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir: das wird reichen." Dass diese beiden Sätze von EZB-Chef Mario Draghi gestern ein Feuerwerk an den Börsen ausgelöst haben, das zeigt vor allem eines: wie nahe nämlich inzwischen auch Spanien und Italien am Abgrund stehen, von Griechenland ganz abgesehen. Dort will die Regierung von Andonis Samaras den internationalen Geldgebern und ihren Kontrolleuren heute weitere Sparmaßnahmen präsentieren – auch, weil die Zweifel am Reformwillen des Landes immer größer werden. Noch einmal gut elf Milliarden Euro will die Regierung in Athen in den nächsten zwei Jahren sparen, vor allem bei Rentnern und Sozialschwachen. Das linke Oppositionsbündnis Syriza tobt schon. –

    Jetzt am Telefon Anasthasios Syrianos, Chef der Hellenischen Brauerei in Atalanti, Mitglied der deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer. Einen schönen guten Morgen Ihnen.

    Anasthasios Syrianos: Guten Morgen aus Athen!

    Barenberg: Herr Syrianos, wir haben gerade noch mal Bayerns Finanzminister Markus Söder gehört. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hatte ja schon am Wochenende gesagt, dass ein Austritt Griechenlands aus dem Euro den Schrecken längst verloren hat. Wie kommen solche deutlichen harten Worte bei Ihnen an?

    Syrianos: Die Diskussion als solche ist schädlich für Griechenland und richtet hier Zerstörung an. Man muss sich das so vorstellen: Wenn wir Investitionen in irgendeiner Form hier in Griechenland haben wollen, dann werden alle Investoren mit solchen Aussagen verscheucht. Wer investiert, wenn die Aussicht Abwertung und Depression heißt?

    Barenberg: Ist es nicht auf der anderen Seite aber auch angemessen, angezeigt, die Probleme in Griechenland beim Namen zu nennen?

    Syrianos: Selbstverständlich muss man die Probleme hier beim Namen nennen und den Druck auf die Regierung aufrecht erhalten, damit die Reformen stattfinden. Dies ist aber ein ganz anderer Sachverhalt, als wenn man öffentlich und von nicht der richtigen Stelle – was hat der bayrische Finanzminister Söder mit Griechenland zu tun? – solche Aussagen trifft. Ich sehe das eigentlich auch als schädlich für Deutschland, denn wir haben ja reichlich Diskussionen geführt bezüglich des Ausmaßes und vor allem der regionalen Ausbreitung der Krise. Viele sagten, das Problem grenzt sich in Griechenland ein. Aber Griechenland sitzt zwar auf der Spitze des Eisberges, die Krise betrifft die ganze Peripherie der europäischen Gemeinschaft und des Euroraumes. Neben Irland und Portugal hat sich jetzt die Krise in der Refinanzierung von Staatsschulden mit einer zeitlichen Verzögerung auf Spanien und Italien ausgebreitet.

    Barenberg: Wenn wir mal bei Griechenland bleiben und der Situation bei Ihnen. Kann es denn zwei Meinungen zu der These geben, dass die Regierung eindeutig im Verzug ist mit den zugesagten Reformen?

    Syrianos: Dem würde ich unbedingt zustimmen. Man darf auf die Probleme wie gesagt hinweisen. Die Verzögerung war bedingt durch die lange politische Auseinandersetzung. Es ist jetzt zu einer Entscheidung gekommen, es gibt eine Koalitionsregierung, die die Maßnahmen, die notwendig sind, aussagt zu treffen. Wir werden jetzt mal diesen Tag abwarten, oder vielleicht bis Montag, damit die Maßnahmen im einzelnen erläutert werden. Man darf aber gleichzeitig nicht die bisherigen Erfolge, die durch harte Anstrengungen in diesem Land stattgefunden haben, vergessen. So ist die Schulden- beziehungsweise Defizitquote von 15,6 Prozent des Bruttosozialproduktes mittlerweile halbiert worden oder mehr als halbiert worden. Wir haben noch einen Weg, bis wir das Ganze stabilisieren. Es gibt Kräfte, die natürlich gerne den Drachmen hier in Griechenland eingeführt sehen, oder eine andere Währung. Das sind Spekulanten, das sind Leute, die eine Destabilisierung sich wünschen. Ich gehöre nicht dazu, für mich als Deutschgriechen ist der europäische Traum nach wie vor ein wichtiger Ansatz und wichtiger Anreiz für mein Leben. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass Griechenland aus dem Euro ausscheidet beziehungsweise aus der EG. Wo würde das dazu führen?

    Barenberg: Es gibt beachtliche Erfolge bei Sparbemühungen, da haben Sie sicherlich Recht. Gilt das aber auch für wichtige gesellschaftliche, politische, Verwaltungsreformen, die auf den Weg gebracht werden müssen?

    Syrianos: Ja da sind die jetzt gerade dabei. Ich sehe da auch die Aussage, die letztens unser Verband der Unternehmer getroffen hat, dass wir nicht nur jetzt sparen, sondern wirklich restrukturieren. Der Staat muss schlanker werden, da gibt es keine Alternative. Im Moment natürlich bei einer Arbeitslosigkeit von 24 Prozent ist der Staat nicht bereit, jetzt noch mal zusätzlich Öl ins Feuer zu werfen und Mitarbeiter zu entlassen. Ob sie die jetzt auf der Lohnliste haben, oder ob sie die als Arbeitslose zahlen, dürfte im Moment keinen Unterschied machen. Und die soziale Komponente sollte mit beachtet werden. Die Reformen allerdings als Gegenleistung zu sehen, die notwendig ist, ist, glaube ich, ein falsches Signal. Das politische Signal erschwert auch hier die Annahme eines solchen Programms, denn es entsteht der Eindruck, nicht den Griechen nützt die Reform, sondern den Ausländern. Wir müssen die Kommunikation, glaube ich, seitens der Politiker verbessern. Damit, wie sie jetzt im Moment stattfindet, können wir nur ganz schwer umgehen. Die Politik muss ein klares Signal, ein positives Signal senden, es geht um den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, damit die Griechen wieder stolz auch ihre Produkte im Ausland bringen können. Ich gebe das Beispiel der deutsch-griechischen Handelsbeziehungen: Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Griechenlands, sowohl im Import als auch im Export. 2009 hatten wir aus Deutschland 8,3 Milliarden Einfuhren gehabt, also Exporte aus Deutschland nach Griechenland, und die Griechen haben zwei Milliarden von Griechenland nach Deutschland exportiert. 2011 war das deutsche Volumen auf fünf Milliarden geschrumpft, eine Schrumpfung um 40 Prozent, und die Griechen haben weiterhin zwei Milliarden exportiert. Der Sinn sollte ja nicht sein, dass die Deutschen demnächst nach Griechenland nur zwei Milliarden exportieren, sondern dass wir als Gegenleistung zu einem Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft unseren Austausch, unsere Exporte erheblich erweitern.

    Barenberg: Sie sagen, dass die Reformen nicht den Griechen helfen. Das habe ich noch nicht ganz verstanden, denn wird nicht umgekehrt ein Schuh daraus, dass erst wenn sie das Steuerwesen auf Vordermann bringen, die schlechte Verwaltung, die es bis in die Ministerien hinein ja offenkundig gibt, dass erst dann die Gesellschaft wirklich eine Zukunft hat und die Wirtschaft auch im Land?

    Syrianos: Selbstverständlich. Nur wenn jetzt die Aussagen wie die von Finanzminister Schäuble oder Vizekanzler Rösler getroffen werden, so entsteht ja der Eindruck, man will im Grunde genommen nichts mehr mit dem griechischen Problem zu tun haben, und die Aussage, die hilft ja auch dem Land nicht und dient auch, glaube ich, nicht der deutschen Außenpolitik.

    Barenberg: Spüren Sie denn positive Veränderungen, sagen wir, wenn es um das Steuerwesen geht, das in einem völlig desolaten Zustand ja offenkundig ist?

    Syrianos: Es ist zögerlich, aber wir spüren schon, dass wir den Kontakt mittlerweile mit der Steuerbehörde nicht direkt haben, sondern es funktioniert alles mittlerweile elektronisch. Ich kann mir vorstellen, dass die Steuersünder nach wie vor präsent sind und keine wesentliche Veränderung da stattgefunden hat. Es gibt Berufsgruppen, die es immer noch wissen zu vermeiden. Wenn Sie irgendwo hingehen, zum Arzt oder so, merken Sie, dass teilweise überhaupt keine Quittung ausgestellt wird. Das heißt, der Mann, der hat das Einkommen dann netto in seiner Tasche. Aber dieses kann man ja nicht von einem Tag auf den anderen verändern, das braucht eine gewisse Zeit und wir sind auf dem richtigen Weg. Der Weg ist nur nicht so schnell und man darf auch hier in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass das Programm, was vereinbart worden ist und was die Zielerreichung anbelangt, erheblich gestört wurde durch eine nicht vorhersehbare Schrumpfung der Wirtschaft. Mittlerweile wird die Wirtschaft dieses Jahr wieder um sieben Prozent schrumpfen. Da kann man sich vorstellen, dass auch der Staat seine Einnahmen nicht erzielen kann. Teilweise sind Menschen an der Grenze ihrer Steuerfähigkeit und denen ist es egal, ob sie hier die Steuer zahlen oder nicht, weil sie schlicht und ergreifend den Steuerbescheid, den sie nach hause geschickt bekommen, nicht leisten können.

    Barenberg: Der Unternehmer Anasthasios Syrianos, Chef der Hellenischen Brauerei in Atalanti, heute Morgen hier im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich bedanke mich!

    Syrianos: Ich auch. Danke!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.