Ein Laden für Militärkleidung ganz in der Nähe des Kreml in Moskau. Seit einigen Tagen gibt es hier neue T-Shirts zu kaufen. Auf der Brust ist ein russischer Kampfjet vor einer Landkarte Syriens aufgedruckt, auf dem Rücken die Luftaufnahme eines Bombenangriffs. Darüber die Aufschrift: "Unterstütze Assad".
Die T-Shirts seien sehr beliebt, beteuert die Verkäuferin. Mehr darf sie nicht sagen – Geschäftsgeheimnis.
Ob die Begeisterung für Russlands Militäreinsatz in Syrien in der russischen Bevölkerung tatsächlich so weit geht, wie der Laden vorspiegeln möchte, ist fraglich. Gerade sind mehr Verkäufer als Kunden da. Einer Umfrage des unabhängigen Levada-Instituts zufolge ist die Zustimmung zu den Luftangriffen Anfang Oktober gegenüber dem Vormonat zwar sprunghaft auf rund ein Drittel der Bevölkerung gestiegen. Rund die Hälfte der Befragten gab aber an, der Einsatz sei ihnen gleichgültig oder sie würden sich nicht auskennen. Eine nicht repräsentative Kurzumfrage in einem Moskauer Park bestätigt das. Julia, Buchhalterin:
"Es gibt da doch noch eine Regierung in Syrien, einen Präsidenten, wie der heißt, weiß ich nicht. Der hat um Hilfe gebeten. Wenn unsere Führung beschlossen hat, dem nachzukommen, wird das schon richtig sein. Für uns einfache Leute ist Syrien sehr weit weg, Gott sei Dank."
Ljudmila Georgiewna, Rentnerin: "Der Präsident Syriens hat doch um Hilfe gebeten, darauf hat Putin reagiert. Ich weiß nicht, was er dort sonst noch will. Mir hat er nicht Bericht erstattet."
Und Jewgenij, Kaffeeverkäufer: "Ich bin generell gegen Krieg, ich kenne keine Argumente dafür, irgendjemanden zu bombardieren. Ich weiß aber auch gar nicht, wen sie dort angreifen."
Immer wieder neue Erklärungsmuster der Regierung
Die russische Führung hat ihre Begründungen für die Luftschläge seit deren Beginn vor drei Wochen mehrfach korrigiert. Nachdem der Chef der Präsidialverwaltung, Sergej Iwanow, zunächst angegeben hatte, der Kampf sei ausschließlich gegen die Terrororganisation Islamischer Staat gerichtet, erläuterte Präsident Putin, der Einsatz richte sich allgemein gegen Terrorgruppen – also nicht nur gegen den IS. Es folgte das Bekenntnis, man wolle das Assad-Regime stützen, und es gehe darum, die Staatlichkeit Syriens zu erhalten. Der Duma-Abgeordnete Adalbi Schchagoschew, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, präsentierte jüngst noch eine Variante:
"Warum sind wir in Syrien? Um der syrischen Zivilgesellschaft zu ermöglichen, zu politischen Reformen und zu einem politischen Dialog zu kommen. Das ist die Aufgabe."
Zugleich diskutieren russische Experten, welches die tatsächlichen Beweggründe des Kreml für den Einsatz sein könnten. Und da werden viele genannt. Der Kreml wolle mit dem Eingreifen in Syrien den Ölpreis in die Höhe treiben und damit der russischen Wirtschaft helfen, lautet eine Variante.
Eine andere: Russland wolle eine Gaspipeline durch syrisches Gebiet bauen. Diverse Fachleute machen militärische Interessen Russlands aus – wie ein Vertreter des Generalstabs vergangene Woche bekannt gab, plant Russland angeblich einen neuen Militärstützpunkt in Syrien. Wieder andere Beobachter meinen, Russland wolle in Syrien neue Waffen erproben und Militärmacht demonstrieren. Und es gibt auch noch die Vermutung, der Kreml wolle mittels Syrien ein Ende der gegen Russland gerichteten Sanktionen herbeiführen. Oder aber die USA zu einem Gespräch auf Augenhöhe zwingen. Der Fernsehsender TV-Doschd' schließlich mutmaßt:
"Wir haben noch eine Version für die Luftangriffe: Einfach, weil wir es können. Amerika kann sich in Syrien einmischen, also können wir das auch. Denn Russland ist eine Großmacht."
Einigkeit herrscht vor allem darin, dass wohl kein Argument allein für den Einsatz ausschlaggebend war. Die Fixierung auf die USA allerdings spiegelt sich auch in der Spontanumfrage im Park. Statt auf die Frage zu antworten, welche Ziele Russland in Syrien bombardiere, kommt eine Gegenfrage:
"Und wen bombardieren die Amerikaner dort?"