Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen brachte es bei ihrem Besuch der Bundeswehr-Einheiten in der Türkei auf den Punkt: Man darf trotz der Krim-Krise den Krieg in Syrien nicht aus den Augen verlieren. Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller fand jüngst im Deutschlandfunk klare Worte:
"Es ist ein Skandal, dass die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit hier ausgeblendet sind. Man spricht heute von 130.000 Toten, wir haben drei bis fünf Millionen Flüchtlinge in den umliegenden Ländern. Ich war selber in einem großen Flüchtlingscamp in Jordanien mit 120.000 Menschen. Die Not, das Elend schreit einem entgegen."
Die Zahlen und Belege von Human Rights Watch sind schockierend: Anhand von Satelliten-Bildern, Videos und Augenzeugenberichten rekonstruiert die Menschenrechtsorganisation die Geschehnisse der vergangenen Wochen in der nordsyrischen Stadt.
Dabei habe das Regime in Wohnvierteln vor allem Fassbomben eingesetzt. Diese Sprengsätze bestehen aus Fässern, die neben Sprengstoff mit Metallteilen gefüllt sind und meist von Hubschraubern aus abgeworfen werden. "Human Rights Watch" beruft sich auf örtliche Quellen, denen zufolge seit November rund 2.300 Menschen umkamen.
Militärische Ziele wurden eher per Zufall getroffen
HRW-Sprecherin Sarah Leah Whitson erklärt dazu, zudem seien tausende Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden. Sie betont: Wenn die Bomben überhaupt ein militärisches Ziel getroffen hätten, dann sei das purer Zufall gewesen. Auch Augenzeugen bestätigten, dass bei vielen Luftschlägen keine militärischen Ziele in der Nähe gelegen hätten.
Die Auswertung von Satellitenbildern ergab laut HRW, dass in den oppositions-kontrollierten Stadtvierteln von Aleppo mehr als 300 genau zu bestimmende Orte beschädigt wurden. Die Art der Zerstörung lasse mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Fassbomben schließen.
Der Syrien-Krieg hatte im Frühjahr 2011 mit zunächst friedlichen Protesten gegen Machthaber Baschar al-Assad begonnen. Die Unruhen wurden niedergeschlagen, die Opposition begann sich zu militarisieren. Im Exil formierte sich die heutige "Syrische Nationallkoalition", in Syrien selbst entstand die "Freie Syrische Armee", die sich überwiegend aus Deserteuren zusammensetzte.
Zersplitterte Opposition
Allerdings ist die Opposition im Land heute extrem zersplittert. Seit Monaten haben islamistische Kämpfer, die aus dem Ausland stammen, immer mehr Einfluss gewonnen - allen voran die ISIS-Brigaden, die für einen "Islamischen Staat im Irak und Syrien" kämpfen. Zwischenzeitlich bekämpften sich verschiedene Fraktionen der Regime-Gegner gegenseitig.
Am Montag erklärte der internationale Sondergesandte Lakhdar Brahimi, er sehe zur Zeit keine Aussicht auf weitere Friedensgespräche. Zuvor waren Mitte Februar zwei Runden neuer Verhandlungen in der Schweiz weitgehend ergebnislos geblieben.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete zwar eine Resolution zum Krieg. Darin wird der freie Zugang für humanitäre Helfer im Land gefordert. Allerdings hat sich die Lage seither kaum beruhigt.