Kommentar zu Syrien
Deutschland soll begleiten, sich nicht einmischen

Erstmals nach dem Assad-Sturz hat Außenministerin Annalena Baerbock Syrien besucht. Deutschland kann beim Wiederaufbau eine wichtige Rolle spielen, denn es hat in der Vergangenheit manches gut gemacht.

Ein Kommentar von Kristin Helberg |
Syriens Außenminister Asaad Al Shaybani, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Frankreichs Außenminister Jean Noel Barrot im Präsidentenpalast
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot (rechts) haben gemeinsam Syrien besucht und Bedingungen für eine europäische Unterstützung genannt. (IMAGO / ABACAPRESS / Abd Rabbo Ammar / ABACA)
Deutschland muss schnell sein. In Syrien werden jetzt jeden Tag Weichen gestellt, vieles macht Hoffnung, manches aber auch Sorgen. Baerbocks Botschaft ist klar: Wir stehen bereit, den Übergang in Syrien zu unterstützen, wenn dieser alle Teile der syrischen Gesellschaft mit einschließt – Männer und Frauen, Araber und Kurden, gläubige wie säkular orientierte Menschen egal welcher Religion und Konfession. Syriens Minderheiten – Christen, Kurden, Drusen und andere – wollen nicht geschützt werden, sondern eine neue Syrische Republik mitgestalten.
Deutschland kann dabei eine wichtige Rolle spielen, denn es hat in der Vergangenheit manches gut gemacht: bis zuletzt das Assad-Regime isoliert, dessen systematische Folterverbrechen vor Gericht gebracht, die syrische Zivilgesellschaft im Exil befähigt, Kontakte zur Diaspora aufgebaut. Auch deshalb findet Baerbock jetzt passende Worte: Der innersyrische Prozess solle nicht von außen gestört werden – eine Mahnung an die Türkei, die eine Einigung von Kurden und Arabern erschwert, und an Israel, das im Süden illegal weiteres Land besetzt und die militärische Infrastruktur Syriens präventiv zerstört. Der von Baerbock geforderte Rückzug Russlands mag aus EU-Sicht wünschenswert sein, ist aber Aushandlungssache der neuen Machthaber in Damaskus.

Wiederaufbau und Kampf gegen Terror

Was kann, was sollte Deutschland tun? Vier Themen sind dringend. Erstens: wirtschaftlicher Wiederaufbau. Dafür sollte die EU ihre Sanktionen gegen bestimmte Wirtschaftssektoren aufheben.
Zweitens: Für den Kampf gegen die Terrororganisation IS braucht es Geschlossenheit. Deutschland sollte die Einigung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte mit den HTS-Machthabern unterstützen und die Rückführung von ausländischen IS-Mitgliedern in ihre Heimatländer vorantreiben.
Drittens müssen Verantwortliche für schwere Verbrechen zur Rechenschaft gezogen und Beweise gesichert werden – syrische und deutsche Experten sollten bei der Aufarbeitung helfen.
Viertens: Von der Nationalen Dialogkonferenz, zu der HTS einlädt, hängt ab, wie inklusiv die neue Regierung sein wird. Deutschland sollte diesen Prozess eng begleiten – mit Diplomaten vor Ort. Die Türkei, Katar und Saudi-Arabien sind wie immer schneller, haben Botschaften wiedereröffnet und zu Antrittsbesuchen geladen. Die Europäer müssen jetzt in Damaskus Präsenz zeigen – um mitzureden und handlungsfähig zu sein, zur Not auch ohne die USA unter Trump.