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Syrien-Einsatz
Wehrbeauftragter wirbt für Koordination mit Russland

Das Kabinett hat den Einsatz deutscher Soldaten gegen die Terrormiliz IS in Syrien gebilligt. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, mahnte, das Vorgehen müsse international gut koordiniert werden, auch mit Russland. Er sprach sich zudem im DLF gegen eine Intervention am Boden aus. Erfolgversprechender sei etwa die Unterstützung von Peschmerga-Kämpfern.

Hans-Peter Bartels im Gespräch mit Gerd Breker |
    Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD).
    Hans-Peter Bartels: "IS ist kein Verhandlungspartner; IS muss zerschlagen werden." (dpa/Soeren Stache)
    Gerd Breker: Nun ist es beschlossene Sache. Der Bundeswehreinsatz an der Seite Frankreichs gegen den sogenannten Islamischen Staat, den wird es geben, und es wird der umfangreichste Auslandseinsatz der deutschen Soldaten werden. Vordergründig geht es um Geleitschutz, Versorgung und Aufklärung. Aber kein Zweifel: Es wird ein Kampfeinsatz sein. Die Bundesregierung hat das Mandat auf den Weg gebracht, die Zustimmung des Bundestages gilt als sicher. Der Einsatz ist begrenzt auf ein Jahr, obwohl die allgemeine Feststellung lautet, es braucht einen langen Atem. Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, mit dem SPD-Politiker Hanns-Peter Bartels. Guten Tag, Herr Bartels.
    Hans-Peter Bartels: Guten Tag, Herr Breker.
    Breker: Ist die Bundeswehr für diesen Einsatz gewappnet?
    Bartels: Das ist sie. Das, was jetzt auf die Bundeswehr zukommt, wird sie leisten können. Aber ich will mal darauf hinweisen, dass innerhalb eines Jahres eine Menge neuer Aufträge auf die Bundeswehr zugekommen sind. Das geht los mit der NATO Response Force, für die Deutschland fast 5.000 Soldaten stellt, geht weiter mit der Flüchtlingshilfe, für die im Moment 8.000 Soldaten im Einsatz sind, und die Out of Area-Mandate, die vom Bundestag zu erteilenden Mandate für internationale Missionen, verdoppeln sich auch nahezu, wenn Mali dazukommt, Syrien dazukommt, das Mittelmeer jetzt dazugekommen ist. Das ist schon ordentlich an der Belastungsgrenze.
    Breker: Die Grenze ist erreicht?
    Bartels: Man sollte sich jetzt keine Mühe geben, im Inland neue Aufgaben für die Bundeswehr zu erfinden.
    "Da fehlt glatt noch Nordkorea"
    Breker: Gibt es, Herr Bartels, ein politisches Konzept, mit dem dieser militärische Einsatz an der Seite Frankreichs gegen den IS geführt wird? Ist klar, was man erreichen will?
    Bartels: Ich glaube, es gibt eine Doppelstrategie, militärisch den IS da zurückzudrängen, wo er Raum gewinnt, denn das ist ja seit dem letzten Jahr etwas Neues, was wir erleben, nicht nur Terroranschläge von dschihadistischen Organisationen, sondern hier eine Organisation, die auch Territorium erobert und hält und da Menschen unterdrückt, Millionen Menschen in ihrer Gewalt im Moment hat. Militärisch das eine und der andere Teil der Doppelstrategie muss sein - und da ist man sicher noch längst nicht am Ziel -, diplomatisch die Konfliktparteien an einen Tisch zu einer Lösung zu bringen, die bisher ja eher antagonistisch an diesem Bürgerkrieg in Syrien beteiligt waren, von Saudi-Arabien über den Iran, die Türkei, Russland, die USA und viele europäische Staaten. Da fehlt glatt noch Nordkorea und dann hätten wir das gesamte Konfliktszenario der Weltpolitik. Es wird nicht einfach.
    Breker: Herr Bartels, hat man aus den Fehlern in Afghanistan, im Irak, in Libyen gelernt und vor allen Dingen was hat man gelernt?
    Bartels: Ich glaube, man hat gelernt, dass eine Intervention am Boden wie in Afghanistan und im Irak sehr schwierig ist, sehr mühsam Ergebnisse bringt. Der Irak-Einsatz am Ende war eher eine Katastrophe. Die Intervention der USA im Irak, die 2003 begann, 2008 beendet wurde und ein Chaos hinterlassen hat, war sicher kein Muster für künftige Interventionen des Westens. Afghanistan ist noch nicht der Erfolg, den wir uns gewünscht haben. Libyen ist ein Fiasko. Aber es ist auch nicht keine Lösung zu sagen, dann gucken wir eben in Syrien weg, dann lassen wir es eben zu, dass Hunderttausende Menschen abgeschlachtet werden.
    "Das ist sicher keine Aufgabe, die von jetzt auf gleich zu lösen ist"
    Breker: Nun sagen Militärs, Herr Bartels, wenn man reingeht, muss man auch wissen, wie man wieder rauskommt. Weiß man das?
    Bartels: Das ist, glaube ich, für die Beteiligung der Bundeswehr an dieser internationalen Mission im Moment nicht das große Thema. Es gibt keine Beteiligung mit Bodentruppen wie in Afghanistan. Aber es ist das Thema für die internationale Gemeinschaft insgesamt: Wie erreichen wir das Ziel, dass Syrien und auch der Irak wieder befriedete Gebiete sind, aus denen man nicht flieht, in die man zurückkehren kann, in denen sich nicht unterschiedliche Volksgruppen und Religionsgemeinschaften bekriegen? Das ist sicher keine Aufgabe, die von jetzt auf gleich zu lösen ist, weil sie auch nicht erst gestern angefangen hat, virulent zu sein.
    Breker: Sie haben es angesprochen: Die Erkenntnis, dass Schläge aus der Luft den IS nicht besiegen können, wird vielfach betont. Es braucht halt diese Bodentruppen. Doch die Diskussion, ob mit oder ohne Assads Truppen, zeigt die nicht eigentlich auch, dass man hier gar keinen konkreten Plan hat?
    Bartels: Ich bin jetzt nicht derjenige, der Ihnen sagt, ich hätte hier einen Plan, den ich nur mal eben ausrollen muss und dann alle nicken, dann wird die Sache gut. Aber wir können im Irak vielleicht sehen, dass es gelingen kann, IS zurückzudrängen, durch Hilfe zur Selbsthilfe, die die Bundeswehr mit anderen europäischen Partnern dort leistet. Wir bilden Peschmerga-Kämpfer im Nordirak, kurdische Kämpfer aus, die gegen IS kämpfen, die ihr eigenes Territorium zurückerobern, die um die Freiheit ihrer eigenen Familien und auch die Freiheit von Christen und Jesiden dort kämpfen, und sie sind erfolgreich. Sie haben Dörfer und Städte inzwischen zurückerobert vom IS, eine Niederlage des IS, die zeigt, der IS ist besiegbar. Aber ich glaube, diese Strategie ist erfolgversprechender als eine Intervention des Westens am Boden.
    "Es ist die Frage, ob die Russen sich da mit anschließen würden"
    Breker: Die Russen kämpfen an der Seite von Präsident Assad. Auch sie beschränken sich bislang zumindest auf Luftangriffe. Zeigt aber nicht der Abschuss des russischen Kampfjets durch die Türkei, wie wichtig eine internationale Abstimmung mit Russland wäre?
    Bartels: Absolut! Man braucht für die Koalition gegen IS in absehbarer Zeit ein gemeinsames Hauptquartier - das wäre schon hilfreich - mit Russland. Die westlichen Staaten sind koordiniert über die USA, über das Central Command, aber mindestens braucht man genaue Absprachen, was Ziele sind und was auf keinen Fall Ziele sein dürfen. Aber Sie haben völlig recht: Es ist eine noch nicht abschließend geklärte Situation, wie der Abschuss zeigt.
    Breker: Was wäre denn, wenn ein deutscher Tornado abgeschossen würde? Gibt es eine Option, eine Möglichkeit, die deutschen Piloten da rauszuholen, bevor sie in die Hände des brutalen IS fallen?
    Bartels: Ich will nicht spekulieren, aber natürlich wären dann etwa amerikanische Spezialkräfte als Teil der Koalition zur Stelle, so wie sie auch ihre eigenen Piloten rausholen würden.
    Breker: Sie haben eben gesagt, es gibt eine Koordinierungsstelle des Westens unter Führung der USA. Sind die USA Chef in dieser Agentur, die da alles koordiniert und führt?
    Bartels: Was diese Koalition der Willigen gegen IS angeht, führen die USA und sie führen von Tampa aus beziehungsweise von Kuwait, wo eine Filiale von CentCom aufgemacht worden ist. Das wäre auch nicht die erste gemeinsame Operation, die so geführt würde. Militärisch ist das machbar. Es ist die Frage, ob die Russen sich da mit anschließen würden oder auch andere sich dort mit anschließen. Auch China ist ein Partner am Tisch in Wien zum Beispiel. Aber klar ist: Man braucht jedenfalls ein Mindestmaß an Koordination.
    Breker: Und es wäre wünschenswert, dass Russland daran teilnimmt.
    Bartels: Absolut!
    "IS ist kein Verhandlungspartner; IS muss zerschlagen werden"
    Breker: Und diese Führungsstelle, die bestimmt auch den Einsatz der deutschen Tornados?
    Bartels: Ja. Das würden wir ja nicht unilateral machen, sondern die Tornados würden im Interesse der Koalition gegen IS fliegen und beitragen dazu, Ziele zu ermitteln, die unzweifelhaft IS sind, sodass man ausschließen kann, Kollateralschäden zu verursachen oder die falschen Kräfte zu bombardieren.
    Breker: Herr Bartels, wenn es denn dann irgendwann auch mal um eine politische Lösung gehen sollte, weiß man denn überhaupt, mit welchen Gruppen in Syrien man reden kann und welche nicht an den Verhandlungstisch gehören?
    Bartels: An den Verhandlungstisch gehören wahrscheinlich alle.
    Breker: Auch der IS?
    Bartels: Der IS nicht. IS ist auch kein syrisches Phänomen. IS ist eigentlich fast inzwischen ein globales Phänomen im Irak, in Libyen, wo sie Gebiete kontrollieren, in Afghanistan, wo sie zum Teil in Fehden mit den Taliban verstrickt sind, bis nach Nigeria, wo Boko Haram sich dem IS unterstellt hat. IS ist kein Verhandlungspartner; IS muss zerschlagen werden.
    Breker: Aber außer IS alle?
    Bartels: Ich will es nicht im Einzelnen beschreien. Es gibt auch zum Beispiel noch Al-Kaida-Truppen in Syrien. Auch die werden kein Partner sein, auch wenn sie jetzt IS bekämpfen oder IS sie bekämpft. IS ist ja eine Abspaltung von Al-Kaida ursprünglich gewesen. Aber man wird vielleicht die Fehler, die im Irak gemacht wurden, nicht wieder machen sollen, dass man eine noch existierende Armeestruktur, wenn es ein Regime Change gegeben hat, wenn es nicht mehr Assad ist, dann gleich auflöst, und mit den Truppen, die es in Syrien gibt und die gegen IS stehen, wird man reden müssen. Aber das ist der Prozess, der jetzt in Wien vorbereitet wird mit dem Ziel, innerhalb von sechs Monaten - und das ist extrem ambitioniert - zu einer Übergangsregierung zu kommen.
    Breker: Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages war das im Deutschlandfunk, Hans-Peter Bartels. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
    Bartels: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.