Nach der Vertreibung der IS-Kämpfer aus Manbidsch sind am Wochenende tausende Einwohner in ihre nordsyrische Heimatstadt zurückgekehrt; Familien, die seit 2014, seit der IS den strategisch wichtigen Ort eingenommen hatte, irgendwo als Flüchtlinge im eigenen Land gelebt hatten. Das berichten die "Syrischen Demokratischen Kräfte", die Manbidsch befreit haben. Die kurz sogenannten SDF sind eine Allianz von vor allem kurdischen, aber auch arabischen Milizionären, die von den USA aus der Luft unterstützt werden. Ein kurdisches Kamerateam, das den SDF nahe steht, schickte Bilder aus Manbidsch um die Welt; Bilder von Menschen auch, die als Zeugen der Schreckensherrschaft des IS auftreten. Ein Mann berichtet auf einem Platz stehend:
"Hier haben sie Leute hingerichtet und haben die Köpfe der Exekutierten drei Tage lang ausgestellt. An jedem solcher Plätze haben sie ein Kreuz errichtet und Leute umgebracht - unter irgendeinem Vorwand. Oder wegen des Vorwurfs, sie wären Ungläubige. Es war alles Tyrannei, Tyrannei, Tyrannei!"
Verschleppte wieder frei
Die Tyrannei des IS hatte sich - sozusagen im letzten Moment - noch einmal am Freitag in Manbidsch offenbart: Kaum waren die IS-Kämpfer weg, trat ein Sprecher der SDF-Milizionäre vor die Presse. Er erklärte:
"Wir haben die Stadt befreit und suchen jetzt noch nach versprengten IS-Kämpfern. Aber der IS hat tausende Bewohner von Manbidsch nach Jarabulus verschleppt."
Etwa 2.000 sollen es gewesen; menschliche Schutzschilde für einen sicheren Rückzug nach Jarabulus. Die Ortschaft an der türkischen Grenze hält der IS nach wie vor. Gestern dann die erleichterte Nachricht: Die Verschleppten sind wieder frei.
Danach wurde umso mehr gefeiert. Ein kurdischer Fernsehsender zeigte Frauen ohne Gesichtsschleier auf den Straßen; Männer, die sich öffentlich die Bärte abschneiden. Unter der Herrschaft des IS mit seinen krude-islamistischen Sittenvorstellungen wäre das undenkbar gewesen.
51 Zivilisten in Aleppo getötet
In anderen Landesteilen hofften die Menschen derweil weiterhin vergeblich auf ein Ende der Kämpfe. So in der nordsyrischen Provinz Idlib, die von Gegnern des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gehalten wird. Dutzende Luftangriffe sollen auf Idlib geflogen worden sein. Die bewaffneten Assad-Gegner in Idlib sind an der Offensive zur Einnahme der Stadt Aleppo beteiligt.
Aktivisten berichten, dass allein am Wochenende bei Angriffen in und um Aleppo mindestens 51 Zivilisten getötet wurden, darunter vier Kinder. Bilder des Nachrichtensenders Al-Jazeera, der den Assad-Gegnern nahesteht, zeigen Freiwillige, die Leichen aus Haustrümmern bergen; Kinder, Jugendliche, Erwachsene; Panierraupen fressen sich ebenfalls durch Trümmer; schieben mit ihren Schaufeln Schuttberge auf. Aber: Opfer gab es auf beiden Seiten - auf der, die von Assad-Gegnern gehalten wird, aber auch auf der Seite, die unter Kontrolle von Assad-Getreuen steht.
Luftbrücke kaum umsetzbar
Angesichts der anhaltenden Kämpfe wird die Situation für die Menschen in Aleppo immer schlechter. Nahrungsmittel und medizinische Güter gelangen offenbar nur mehr sporadisch in die Stadt. Feuerpausen und humanitäre Korridore, die die Vereinten Nationen immer wieder fordern, kommen nicht zustande; halbherzige Gegenangebote genauso wenig: Russland hatte vergangene Woche angekündigt, täglich eine Feuerpause von drei Stunden einlegen zu wollen; bereits am ersten Tag war die Idee in Rauch aufgegangen. Es wirkt, als wollten weder die Russen noch deren syrischen Partner das Leid in Aleppo lindern. Wie groß daran das Interesse ihrer Gegner ist, bleibt dahin gestellt. Beide Seiten dieses Krieges haben mehrfach erklärt, die Schlacht um Aleppo bis zum Ende schlagen zu wollen. Unter dieser Voraussetzung ist auch die Idee von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, eine humanitäre Luftbrücke einzurichten, kaum umsetzbar.