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Syrien-Friedenskonferenz
Lüders: Ein- und Ausladung Irans "großer politischer Fehler"

Zunächst war der Iran zur geplanten Syrien-Friedenskonferenz ein-, dann wurde er wieder ausgeladen. Die Iraner hätten keinen Anlass, sich gegen Baschar al-Assad auszusprechen, wenn sie selbst brüskiert würden, sagte der Nahost-Experte Michael Lüders im Deutschlandfunk. Das werde den Friedensprozess nicht befördern.

Michael Lüders im Gespräch mit Petra Ensminger | 21.01.2014
    Dirk-Oliver Heckmann: Dieses diplomatische Hin und Her, der Iran erst eingeladen, dann wieder ausgeladen, die Exil-Opposition, die kommt jetzt doch, wird das zum Beginn der Konferenz in Montreux so weitergehen?
    Die Frage stellte meine Kollegin Petra Ensminger dem Nahost-Experten Michael Lüders.
    Michael Lüders: Es hat auf jeden Fall eine große Verwirrung gegeben und es ist völlig offenkundig, dass diese Konferenz in Genf, wenn sie denn nun stattfindet, sicherlich nicht den großen Durchbruch bringen wird. Hinter den Kulissen gab es ein grundsätzliches Tauziehen um die Frage, wie hält man es mit dem Iran. Es ist vor allem die Geopolitik, die dazu geführt hat, dass der Iran erst ein- und dann wieder ausgeladen wurde. Es ist nicht so sehr die Drohung der syrischen Opposition gewesen, nicht zu kommen. Die syrische Opposition ist abhängig von ihren westlichen Förderern und hätte man ihr gesagt, ihr müsst kommen, wären sie gekommen. Der eigentliche Grund ist der Dissens zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Saudi-Arabien will auf gar keinen Fall, dass der Iran in diesen Friedensprozess um Syrien eingeschaltet wird. In Syrien haben wir zunächst einen Stellvertreterkrieg gesehen zwischen den USA und Russland. Das ist in den letzten Monaten überlagert worden von einem Stellvertreterkrieg zwischen Syrien und dem Iran. Und das Ergebnis ist, dass die Amerikaner letzten Endes es sich nicht verderben wollten mit ihren engen saudischen Verbündeten, die wichtig sind für die Amerikaner und auch eine tragende Rolle spielen für die zukünftige Gestaltung Syriens. Und vor diesem Hintergrund wurde der Iran ausgeladen.
    Petra Ensminger: Und vor diesem Hintergrund können Sie verstehen, dass die syrische Opposition sich verweigert hat, als sie gehört hat, Teheran soll kommen?
    Lüders: Die syrische Opposition ist ein Fall für sich. Da muss man unterscheiden. Es gibt einmal eine Opposition, die im Exil sitzt, organisiert in der Syrischen Nationalen Koalition. Das ist eine Organisation, die mehr oder weniger ins Leben gerufen wurde, als der Aufstand in Syrien losging und die westlichen Staaten, die Türkei und Saudi-Arabien, die sogenannten Freunde Syriens, einen Ansprechpartner brauchten auf syrischer Seite. Damals gab es die Hoffnung, Baschar al-Assad sei zu stürzen. In dem Fall wäre diese Allianz eine ideale Übergangsregierung gewesen. Seit die USA aber im Sommer klar gemacht haben, dass sie militärisch nicht intervenieren werden in Syrien, hat diese Opposition überhaupt keine Chance, an die Macht zu gelangen in Syrien. Man muss sich vorstellen, dass diese Oppositionellen überwiegend Syrer sind, die teilweise seit Jahrzehnten im Ausland leben, in Europa, in den USA, und kaum Rückhalt haben in der syrischen Bevölkerung. Auch der Versuch, sich an die Spitze der Freien Syrischen Armee zu setzen, ist gescheitert. Und vor allem ist diese syrische Opposition mit sich selbst befasst. Sie spielt nicht wirklich eine Rolle in Syrien selbst, das sind ganz andere. Das sind jene dschihadistischen Kräfte, die in den letzten Monaten einen enormen Auftrieb erfahren haben in Syrien. Und die sind bei dieser Konferenz in Genf ohnehin nicht vertreten.
    Ensminger: Und damit stellt sich die Frage: Was, wenn es tatsächlich zu einem Beschluss kommt bei der Konferenz, die jetzt bevorsteht? Wird auch die syrische Opposition in Syrien selbst das dann akzeptieren, was ausgehandelt wurde? Wir haben ja schon die Meldung bekommen, dass die Rebellen in Syrien vor den geplanten Gesprächen die Exilopposition auch vor zu großen Zugeständnissen gewarnt hat.
    Lüders: Ja, wie gesagt: Diese Exilopposition ist im Grunde genommen vor allem eine, die sich selbst repräsentiert. Sie hat vor Ort in Syrien wirklich wenig Rückhalt. Es sind vor allem zwei Fraktionen innerhalb dieser dschihadistischen Gruppierungen, die eine Rolle spielen. Eine Ausrichtung sagt, wir wollen einen islamischen Staat in Syrien, aber wir begnügen uns mit Syrien und stellen keine Forderung darüber hinaus. Es gibt aber auch radikalere Dschihadisten aus dem Al Kaida-Umfeld, die teilweise eingesickert aus dem Irak sagen, es ist uns völlig egal, was in Genf diskutiert wird oder nicht, wir haben unsere eigene Agenda. Diese Al Kaida-affilierten Terroristen wollen im Grunde genommen ein Groß-Syrien errichten, mit sich an der Macht. Und für Baschar al-Assad ist diese Zerstrittenheit der syrischen Opposition natürlich ein gefundenes Fressen. Er ist der große politische Gewinner des Jahres 2013 und er kann sehr gelassen abwarten, was hier in Genf beschlossen wird. Es wird die Verhältnisse in Syrien nicht grundlegend verändern. Wahrscheinlich wird es Neuwahlen geben, noch in diesem Jahr in Syrien. Wieder wird er an die Macht kommen und er ist eigentlich nur von der Macht zu vertreiben, wenn es Druck gibt von Russland und Iran, den beiden engsten Verbündeten Baschar al-Assads, dass er dann doch nach ein oder zwei Jahren Schamfrist zurücktritt. Indem man nun den Iran ausgeladen hat, ist natürlich auch dieses Szenario eher unwahrscheinlich. Die Iraner haben keinen Anlass, sich gegen Baschar al-Assad auszusprechen, wenn sie selbst brüskiert werden.
    Michael Lüders
    Geboren 1959 in Bremen. Er studierte arabische Literatur in Damaskus und Islamwissenschaften, Politologie und Publizistik in Berlin, wo er auch promovierte. Lüders engagiert sich in verschiedenen Organisationen, unter anderem in der Deutschen Orientstiftung. Er ist Berater für staatliche Institutionen und erstellt Fachgutachten.
    Ensminger: Also war die Ausladung ein Fehler?
    Lüders: Natürlich! Sie war ein großer politischer und diplomatischer Fehler, denn der Iran ist, egal was man von der dortigen politischen Führung hält, ein wichtiger Akteur im syrischen Bürgerkrieg, neben Russland der große Garant, dass die Herrschaft von Baschar al-Assad fortbestehen kann. Andererseits haben die Iraner, siehe auch die Atomverhandlungen, sehr viel Flexibilität gezeigt in den letzten Monaten. Und es ist vor diesem Hintergrund sehr unklug, dass man die Iraner erst ein- und dann wieder ausgeladen hat. Das wird diesen Friedensprozess nicht befördern.
    Heckmann: Der Nahost-Experte Michael Lüders war das hier im Deutschlandfunk. Die Fragen stellte meine Kollegin Petra Ensminger.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.