Eine kleine Wohnung in Berlin - Prenzlauer Berg. Ferhad Ahma und andere Exil-Syrer schauen sich auf einem Laptop Sendungen von Al-Dschasira und Al-Arabiya an. Es sind die immer gleichen Bilder, die aus Syrien in den Nachrichten laufen: Schüsse, Explosionen, Blut. Und dabei ist es oft ein Wunder, dass diese Bilder überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen.
"Das Regime legt unglaublich Wert darauf, Informationen in Syrien zu behalten und es nicht zuzulassen, dass sie das Ausland erreichen."
Sagt Ferhad Ahma. Er ist Lokalpolitiker bei den Berliner Grünen und Mitglied des syrischen Nationalrates – eine Oppositionsbewegung gegen die Regierung Assad. Um die Bilder vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, betreibt das Regime Assad einen großen Aufwand: Anfangs wurden oppositionelle Internetseiten einfach gesperrt, doch die Strategie hat sich geändert: beobachten, nachverfolgen, mitlesen – heißt es mittlerweile. Eine elektronische "Armee" hat der Geheimdienst dafür eigens geschaffen. Präsident Assad selbst hat sie in einer Rede lobend erwähnt. Ahma nennt sie eine Art Online-Staatssicherheit, die auf oppositionelle Aktionen im Netz sofort reagiert:
"Wenn die Aktivisten gezwungen werden, live zu berichten, weil gerade zum Beispiel ein Stadtteil unter Beschuss genommen wird, dann kommt es dazu, dass man über Skype live Bilder transportiert und der Welt zeigt. Und das Regime greift zu sofortigen Maßnahmen und beschießt zum Beispiel diese Stellen, weil, es wird ja erkannt durch die Bilder, welcher Straße gerade aufgenommen wird."
Es sind zwei Kriege, die in Syrien toben. Einerseits der reale, der blutige Konflikt mit scharfer Munition, Toten und Verletzten. Und andererseits ein elektronischer Kampf um Informationen und Bilder. Die eine Seite will die Zustände in Syrien veröffentlichen, die andere Seite will genau das verhindern.
"Zu dem, was auf der Straße läuft, gibt es auch einen Cyberkrieg zwischen den Aktivisten und dem Regime selbst."
Szenenwechsel: aus der Wohnung in Prenzlauer Berg in die Lobby eines Berliner Hotels.
"So, ich verbinde mich jetzt mit meinem Server, und darauf läuft ein Chat-Client."
Stephan Urbach hat seinen Laptop über sein Mobiltelefon mit dem Internet verbunden und ruft eine einfach anmutende, schwarz-weiße Textseite auf. Der Chat-Client. Ein virtueller Raum, in dem er in Echtzeit mit anderen Teilnehmern kommunizieren kann. So weit nichts Besonderes. Davon gibt es zahlreiche im Netz. Nur die Gesprächsinhalte hier unterscheiden sich von den meisten anderen.
"'Ich habe hier Bilder, die müssen raus.' Und dann kümmern wir uns darum, dass diese Bilder rauskommen."
Wir, damit meint Stephan Urbach Telecomix. Ein loser Zusammenschluss von Computerfreaks und Hackern, der die Oppositionsbewegungen in Syrien und in zahlreichen anderen Ländern technisch unterstützt. Telecomix und ähnliche Netzwerke sind sozusagen die dritte Partei im Cyberkrieg zwischen Regime und aufständischem Volk.
"Wir haben Möglichkeiten geschaffen, dass man mit uns ziemlich sicher kommunizieren kann, und das machen momentan ganz viele Leute aus Syrien, weil sie haben ja Internet. Es ist halt nur überwacht, teilweise zensiert. Und wir haben Mittel und Wege drumrumgebaut."
Sichere Kanäle, die der Staatskontrolle verborgen bleiben. Über diese Kanäle geben Urbach und seine Leute Syrern Tipps, wie sie sich der staatlichen Beobachtung entziehen können. Die Helfer mobilisieren und vernetzen Aktivisten. Hängen staatliche Verfolger ab, verwischen Spuren und sorgen für genau das, was Assads elektronische Armee verhindern will.
"Momentan verbreiten wir einen Live-Stream aus Homs. Wir sorgen dafür, dass die Bilder nicht verschwinden aus dem Netz. Wir sorgen dafür, dass die Verbindung funktioniert, dass es gestreamt werden kann. Wir sammeln Informationen, das ist ja unsere Aufgabe: Sachen zusammenstellen, Informationen aufbereiten, zugänglich machen, wir sind eigentlich die Telecomix-Newsagency."
Eine Mischung aus Nachrichtenagentur und Technik-Hotline – so versteht sich das Netzwerk. Für diese Dienste interessiert sich mittlerweile auch der syrische Geheimdienst. Stephan Urbach sagt, er habe per Mail schon eine eindeutige Warnung erhalten. Nachts geht er nun nicht mehr alleine aus dem Haus. Auch in ihrem Online-Chat sollen sich immer mal wieder Agenten einloggen. Einer von zehn ist ein Spion, sagt Urbach.
"Das ist ein Wettrennen, ein Wettrüsten. Wer ist schneller, wer findet neue Wege, neue Methoden."
Von 30 Mitstreitern für Syrien erzählt Stefan Urbach. Für Ägypten engagierten sich damals bis zu 200. Und das freiwillig - die meisten Netzaktivisten wollen gar nicht politisch sein.
"Die Idee von Telecomix ist völlig unpolitisch."
Und doch mischen sie voll in der Weltpolitik mit - wie im Fall Ägypten.
"Mubarak hat entschieden, das Netz in Ägypten abzuschalten. Die Entscheidung eines souveränen Staates. Und wir haben gesagt: Nö!"
Eine widerspenstige Community kann mächtig sein. Wobei – und das betont Urbach ausdrücklich - es Initiativen wie Telecomix nicht darum gehe, ein Regime zu stürzen. In diesem Cyberkrieg schlagen sie sich nicht auf eine Seite, sondern kämpfen nur für ein Ziel: ein freies Internet.
"Uns geht es erstmal um freie Kommunikation, dass Menschen Geschichten erzählen dürfen. Wer das tut, ist erstmal egal."
Das Streben nach Freiheit verbindet die syrischen Oppositionellen mit den Internetaktivisten. Erstere kämpfen für ihre reale Freiheit, die anderen für die elektronische. Syrien wollen Urbach und seine Mitstreiter als abschreckendes Beispiel nutzen und zeigen sich auch hier politischer, als sie vorgeben zu sein.
"Wir arbeiten ja auch mit Propaganda. Propaganda für ein freies Netz. Wenn irgendein Europapolitiker sich darstellt und sagt, er will ein Schengen-Internet oder eine Sperrinfrastruktur oder eine Vorratsdatenspeicherung, können wir immer schön sagen: Hier da! Syrien hat das gemacht, da sind Leute gestorben, willst du das wirklich?"
"Das Regime legt unglaublich Wert darauf, Informationen in Syrien zu behalten und es nicht zuzulassen, dass sie das Ausland erreichen."
Sagt Ferhad Ahma. Er ist Lokalpolitiker bei den Berliner Grünen und Mitglied des syrischen Nationalrates – eine Oppositionsbewegung gegen die Regierung Assad. Um die Bilder vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, betreibt das Regime Assad einen großen Aufwand: Anfangs wurden oppositionelle Internetseiten einfach gesperrt, doch die Strategie hat sich geändert: beobachten, nachverfolgen, mitlesen – heißt es mittlerweile. Eine elektronische "Armee" hat der Geheimdienst dafür eigens geschaffen. Präsident Assad selbst hat sie in einer Rede lobend erwähnt. Ahma nennt sie eine Art Online-Staatssicherheit, die auf oppositionelle Aktionen im Netz sofort reagiert:
"Wenn die Aktivisten gezwungen werden, live zu berichten, weil gerade zum Beispiel ein Stadtteil unter Beschuss genommen wird, dann kommt es dazu, dass man über Skype live Bilder transportiert und der Welt zeigt. Und das Regime greift zu sofortigen Maßnahmen und beschießt zum Beispiel diese Stellen, weil, es wird ja erkannt durch die Bilder, welcher Straße gerade aufgenommen wird."
Es sind zwei Kriege, die in Syrien toben. Einerseits der reale, der blutige Konflikt mit scharfer Munition, Toten und Verletzten. Und andererseits ein elektronischer Kampf um Informationen und Bilder. Die eine Seite will die Zustände in Syrien veröffentlichen, die andere Seite will genau das verhindern.
"Zu dem, was auf der Straße läuft, gibt es auch einen Cyberkrieg zwischen den Aktivisten und dem Regime selbst."
Szenenwechsel: aus der Wohnung in Prenzlauer Berg in die Lobby eines Berliner Hotels.
"So, ich verbinde mich jetzt mit meinem Server, und darauf läuft ein Chat-Client."
Stephan Urbach hat seinen Laptop über sein Mobiltelefon mit dem Internet verbunden und ruft eine einfach anmutende, schwarz-weiße Textseite auf. Der Chat-Client. Ein virtueller Raum, in dem er in Echtzeit mit anderen Teilnehmern kommunizieren kann. So weit nichts Besonderes. Davon gibt es zahlreiche im Netz. Nur die Gesprächsinhalte hier unterscheiden sich von den meisten anderen.
"'Ich habe hier Bilder, die müssen raus.' Und dann kümmern wir uns darum, dass diese Bilder rauskommen."
Wir, damit meint Stephan Urbach Telecomix. Ein loser Zusammenschluss von Computerfreaks und Hackern, der die Oppositionsbewegungen in Syrien und in zahlreichen anderen Ländern technisch unterstützt. Telecomix und ähnliche Netzwerke sind sozusagen die dritte Partei im Cyberkrieg zwischen Regime und aufständischem Volk.
"Wir haben Möglichkeiten geschaffen, dass man mit uns ziemlich sicher kommunizieren kann, und das machen momentan ganz viele Leute aus Syrien, weil sie haben ja Internet. Es ist halt nur überwacht, teilweise zensiert. Und wir haben Mittel und Wege drumrumgebaut."
Sichere Kanäle, die der Staatskontrolle verborgen bleiben. Über diese Kanäle geben Urbach und seine Leute Syrern Tipps, wie sie sich der staatlichen Beobachtung entziehen können. Die Helfer mobilisieren und vernetzen Aktivisten. Hängen staatliche Verfolger ab, verwischen Spuren und sorgen für genau das, was Assads elektronische Armee verhindern will.
"Momentan verbreiten wir einen Live-Stream aus Homs. Wir sorgen dafür, dass die Bilder nicht verschwinden aus dem Netz. Wir sorgen dafür, dass die Verbindung funktioniert, dass es gestreamt werden kann. Wir sammeln Informationen, das ist ja unsere Aufgabe: Sachen zusammenstellen, Informationen aufbereiten, zugänglich machen, wir sind eigentlich die Telecomix-Newsagency."
Eine Mischung aus Nachrichtenagentur und Technik-Hotline – so versteht sich das Netzwerk. Für diese Dienste interessiert sich mittlerweile auch der syrische Geheimdienst. Stephan Urbach sagt, er habe per Mail schon eine eindeutige Warnung erhalten. Nachts geht er nun nicht mehr alleine aus dem Haus. Auch in ihrem Online-Chat sollen sich immer mal wieder Agenten einloggen. Einer von zehn ist ein Spion, sagt Urbach.
"Das ist ein Wettrennen, ein Wettrüsten. Wer ist schneller, wer findet neue Wege, neue Methoden."
Von 30 Mitstreitern für Syrien erzählt Stefan Urbach. Für Ägypten engagierten sich damals bis zu 200. Und das freiwillig - die meisten Netzaktivisten wollen gar nicht politisch sein.
"Die Idee von Telecomix ist völlig unpolitisch."
Und doch mischen sie voll in der Weltpolitik mit - wie im Fall Ägypten.
"Mubarak hat entschieden, das Netz in Ägypten abzuschalten. Die Entscheidung eines souveränen Staates. Und wir haben gesagt: Nö!"
Eine widerspenstige Community kann mächtig sein. Wobei – und das betont Urbach ausdrücklich - es Initiativen wie Telecomix nicht darum gehe, ein Regime zu stürzen. In diesem Cyberkrieg schlagen sie sich nicht auf eine Seite, sondern kämpfen nur für ein Ziel: ein freies Internet.
"Uns geht es erstmal um freie Kommunikation, dass Menschen Geschichten erzählen dürfen. Wer das tut, ist erstmal egal."
Das Streben nach Freiheit verbindet die syrischen Oppositionellen mit den Internetaktivisten. Erstere kämpfen für ihre reale Freiheit, die anderen für die elektronische. Syrien wollen Urbach und seine Mitstreiter als abschreckendes Beispiel nutzen und zeigen sich auch hier politischer, als sie vorgeben zu sein.
"Wir arbeiten ja auch mit Propaganda. Propaganda für ein freies Netz. Wenn irgendein Europapolitiker sich darstellt und sagt, er will ein Schengen-Internet oder eine Sperrinfrastruktur oder eine Vorratsdatenspeicherung, können wir immer schön sagen: Hier da! Syrien hat das gemacht, da sind Leute gestorben, willst du das wirklich?"