Binnen weniger Stunden haben sich die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland abrupt verschlechtert: Die USA machten ihre Drohung wahr und legten die direkten Gespräche mit Russland über eine Waffenruhe für Syrien bis auf Weiteres auf Eis. Moskau teilte im Gegenzug mit, das Abkommen zur Vernichtung von atomwaffenfähigem Plutonium auszusetzen - wegen unfreundlicher Handlungen der USA, so wörtlich. Damit haben die Spannungen zwischen Washington und Moskau einen neuen Höhepunkt erreicht.
Man habe alles getan, um der Gewalt in Syrien ein Ende zu machen, erklärte der Sprecher des State Department, John Kirby. Die Entscheidung sei niemandem leicht gefallen - doch Russland habe sich nicht an seine Vereinbarungen gehalten. Wenig später äußerte sich auch der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest. Die Geduld der Vereinigten Staaten mit Russland sei am Ende, erklärte er.
Frankreich will eine Resolution in den Weltsicherheitsrat einbringen
Nichts habe mehr darauf hingedeutet, dass sich Russland an seine Verpflichtungen halten wolle, sagte Earnest. Gemeint waren damit die Vereinbarungen von Anfang September, die darauf abzielten, die Waffenruhe wiederherzustellen und Hilfslieferungen nach Aleppo zuzulassen. Die Waffenruhe war nach wenigen Tagen zusammengebrochen – seither wurden die Angriffe auf die Staat Aleppo mit Unterstützung der russischen Luftwaffe umso gnadenloser geführt.
Nun ist offen, wie das Tauziehen um einen möglichen Waffenstillstand weitergehen wird. Vor diesem Hintergrund bedauerte der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Syrien die amerikanische Entscheidung zutiefst – und versprach, dass sich die UN auch weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für eine politische Lösung einsetzen werden. Frankreich versucht unterdessen, eine Resolution in den Weltsicherheitsrat einzubringen, die Syrien in scharfer Form dazu auffordert, die Luftangriffe einzustellen und Hilfstransporte zuzulassen. Die Rolle Russlands wird in diesem Resolutionsentwurf zwar nicht dezidiert angesprochen, dennoch ist nicht mit einem russischen Placet zu rechnen. Josh Earnest, der Sprecher des Weißen Hauses, stellte unmissverständlich klar, dass es nun mit Blick auf ein gemeinsames Abkommen mit Russland nichts mehr zu besprechen gebe – Earnest nannte das tragisch.
Amerikaner wollen keine jungen Soldaten mehr nach Syrien schicken
Die Aussetzung der Gespräche bedeutet nun auch, dass ein geplantes amerikanisch-russisches Zentrum zur Bekämpfung der islamistischen Zellen in Syrien nicht zustande kommen wird. Darum hatte US-Außenminister John Kerry bei den Verhandlungen in Genf gerungen, um Russland für ein gemeinsames Vorgehen zu gewinnen. Mit diesem Plan war Kerry allerdings auch im Pentagon nicht auf viel Gegenliebe gestoßen - die US-Militärs standen dem damit verbundenen Austausch von Geheimdienstinformationen ausgesprochen skeptisch gegenüber.
Damit offenbaren sich auch in der US-amerikanischen Führung unterschiedliche Positionen in der Frage des weiteren Vorgehens in Syrien. Während Präsident Obama mit Blick auf eine fehlende völkerrechtliche Grundlage nicht bereit ist, militärische Schritte in Betracht zu ziehen, soll sein Außenminister dafür plädiert haben, den Druck auf die syrische Führung zu erhöhen. Die New York Times veröffentlichte dieser Tage einen Mitschnitt eines Hintergrundgesprächs, das John Kerry am Rande der Uno-Vollversammlung geführt hatte – darin gestand Kerry ein, dass der Kongress unter keinen Umständen grünes Licht für einen Militäreinsatz geben werde. Viele Amerikaner lehnten es ab, noch einmal junge Soldaten in einen Krieg in den Nahen Osten zu schicken, sagte Kerry.