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Syrien
Großbritannien nimmt doch Flüchtlinge auf

Die britische Regierung hatte sich lange dagegen gewehrt, Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Jetzt hat sie dem Druck von Menschenrechtsorganisationen nachgegeben. Grund für die Kehrtwende sei die stete Verschlimmerung des Konflikts, so Vizepremierminister Nick Clegg.

Von Jochen Spengler |
    Es war die überhitzte innenpolitische Debatte um Einwanderung und den angeblichen EU-Sozialstaatstourismus, die Großbritannien lange hat zögern lassen, auch wenn die Regierung Cameron dies nicht offen zugab. Noch vor einer Woche begründete der Premierminister vor dem Parlament die Weigerung, syrische Flüchtlinge aufzunehmen, damit, dass es sich beim UNO-Programm um einen vorrangig symbolischen Akt handele.
    "Ich glaube nicht, dass man eine Flüchtlingskrise dieses Ausmaßes mit einem Quotensystem lösen kann. Einige Staaten nutzen das System, um zu behaupten, jetzt haben wir unsere Verpflichtungen erfüllt. Dass nun die Finnen, die Franzosen oder die Schweden einige Hundert Menschen aufnehmen, bedeutet aber keineswegs, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden."
    Großbritannien dagegen stelle rund 750 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für syrische Bürgerkriegsopfer bereit und sei damit nach den USA der zweitgrößte Geldgeber weltweit; außerdem habe man im letzten Jahr mehr als 1.500 syrische Asylsuchende aufgenommen.
    "Einige der Staaten, die an dem UNO-System teilnehmen, erfassen in ihrer Quote missbräuchlich Asyl- UND Flüchtlingszahlen. Darauf sollten wir uns nicht einlassen und ich will klar herausstellen: Großbritannien ist weltweit führend bei der humanitären Hilfe für Syrien und da sollten wir stolz drauf sein. Und wir erfüllen unsere Pflicht gegenüber Asylbewerbern, die vor Folter und Verfolgung fliehen."
    "Konflikt verschlimmert sich täglich"
    Das sei ja alles schön und gut, entgegnete Labour-Oppositionschef Ed Miliband. Es gehe aber jetzt um Menschen, denen die Flucht bis Europa nicht allein gelinge. Warum sollte Großbritannien nicht der UNO anbieten, syrische Bürgerkriegsopfer aufzunehmen, selbst wenn man damit natürlich nicht das Flüchtlings-Problem insgesamt lösen werde:
    "Die UNO bittet doch nur um Aufnahme einer kleinen Zahl der verwundbarsten Menschen, Kinder, die ihre Eltern verloren haben, Folteropfer. Warum kann der Premierminister nicht noch einmal überlegen und ein Beispiel setzen?"
    Eine Woche hat es gedauert, bis der liberaldemokratische Vizepremier Nick Clegg die Kehrtwende bekannt gab.
    "Dieser Konflikt verschlimmert sich täglich. Deswegen müssen wir mehr tun und deswegen freue ich mich, bekannt zu geben, dass wir nun mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten, um die bedürftigsten syrischen Flüchtlinge zu erkennen, insbesondere Frauen, Mädchen, Kinder, jene die Opfer sexueller Gewalt wurden, um ihnen hier in Großbritannien Zuflucht vor der schrecklichen Krise in Syrien zu bieten."
    Einige Hundert will die Regierung aufnehmen, eine konkrete Zahl nennt sie nicht.
    Auch die Labour-Opposition hütet sich, anzugeben, wie viele Flüchtlinge sie für vertretbar hält. Sie kritisiert aber, dass sich die Regierung Cameron auch künftig nicht am Quotensystem der Vereinten Nationen beteiligen wird. Den Grund dafür erfährt man in Regierungskreisen nur hinter vorgehaltener Hand: Nach der Immigrationsdebatte will Großbritannien auf jeden Fall selbst die Kontrolle darüber behalten, wen man ins Land lasse, für wie lange und in welcher Anzahl.