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Syrien
Internationale Kritik an russischen Luftangriffen

Kaum fliegt Russland erste Luftangriffe in Syrien, hagelt es von allen Seiten Kritik. Die USA bemängeln eine zu kurze Vorwarnung, die syrische Opposition berichtet von mindestens 36 toten Zivilisten. Besonders schwer wiegt der Vorwurf, die russische Armee bombardiere gar keine IS-Stellungen, sondern vielmehr moderate Rebellengruppen. Moskau weist dies zurück.

    Die beiden Flugzeuge scheinen vor blauem Himmel mit weißen Wolken gleich zusammenzustoßen.
    Zwei russische Kampfflugzeuge am Himmel. (AFP / OLGA MALTSEVA)
    Das russische Verteidigungsministerium hatte die Luftangriffe am Nachmittag bekanntgegeben und erklärt, sie hätten sich gegen militärische Ausrüstung, Waffen-, Munitions-, und Treibstofflager sowie Kommunikations-Einrichtungen der IS-Terrormiliz gerichtet. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, sein Land bekämpfe die Dschihadisten in den Gebieten, die sie bereits erobert hätten, anstatt "darauf zu warten, dass sie zu uns kommen".
    Bald darauf folgten allerdings Angaben von syrischen Oppositionellen, wonach sich die Attacken vielmehr gegen gemäßigte Rebellengruppen in den Provinzen Homs und Hama gerichtet hätten. Dabei seien viele Zivilisten getötet worden. Die Verteidigungsminister der USA und Frankreichs, Ash Carter und Jean-Yves Le Drian erklärten, die Luftangriffe seien offenbar in Gegenden erfolgt, wo es gar keine IS-Kämpfer gebe.
    Moskau wehrt sich gegen Vorwürfe
    Die Regierung in Moskau wies diese Vorwürfe zurück. Das Verteidigungsministerium präzisierte die russischen Angaben: Es seien insgesamt 20 Luftschläge gewesen, die sich allesamt gegen den IS gerichtet hätten. Ziele in der Nähe von Zivilisten seien nicht attackiert worden. Ein Kreml-Sprecher behauptete zudem, die meisten Rebellen der Freien Syrischen Armee hätten sich inzwischen dem IS angeschlossen.
    Die USA kritisierten auch eine mangelnde Vorwarnung durch Russland. Laut Angaben aus Washington beschwerte sich US-Außenminister John Kerry darüber in einem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow am Rande der UNO-Vollversammlung in New York. Kerry habe kritisiert, dass die Gefahr von Flugzeug-Zusammenstößen bestanden habe. Die französische Regierung erklärte, man sei überhaupt nicht informiert worden.
    Auch die NATO kritisierte das russische Vorgehen. Ein Sprecher sagte in Brüssel, die Unterstützung Russlands für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad sei nicht konstruktiv. Assad sei ein Teil des Problems.
    Einstimmige Billigung durch das Parlament
    Das russische Parlament in Moskau hatte die Luftschläge heute einstimmig gebilligt. Unterstützung kam auch von der einflussreichen orthodoxen Kirche Russlands, die von einer "heiligen Schlacht" sprach.
    Russlands Außenminister Sergej Lawrow drängte in New York auf eine Koordinierung der internationalen Einsätze in Syrien. Sein Land will dazu eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats beantragen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zu einer politischen Lösung in Syrien auf. Auch die USA flogen heute wieder Luftangriffe. Sie richteten sich nach Regierungsangaben gegen IS-Stellungen in der Stadt Aleppo.
    Russland ist einer der letzten Verbündeten des Assad-Regimes. Moskau und Washington stimmen ihr militärisches Vorgehen in Syrien inzwischen ab. Eine Zusammenarbeit gibt es aber nicht. Beide Seiten sind uneins über die Zukunft Assads: Die USA verlangen, dass er mittelfristig geht.
    Französische Ermittlungen gegen Assad
    In Frankreich leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die syrische Regierung und Machtaber Baschar al-Assad wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Grundlage sind Aussagen und Fotos eines früheren Fotografen der syrischen Militärpolizei, der im Juli 2013 aus Syrien geflüchtet war. Er hatte 55.000 Fotos mitgebracht, die zahllose Leichen mit Folterspuren zeigen sollen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte in New York, es sei die Verantwortung des Westens, gegen die Straflosigkeit in Syrien vorzugehen.
    (mg/tzi)