Sie hissen ihre gelbe Flagge auf dem Dach eines Hauses, das von Einschusslöchern überseht ist. Damit feiern die Kämpfer der SDF, der Syrischen Demokratischen Streitkräfte ihren Sieg. "Baghus ist frei", hatte ihr Sprecher Mustafa Bali am Morgen im Kurznachrichtendienst Twitter verkündet.
Ausgebrannte Autos, zerschossene Häuser
Für viele der mehrheitlich kurdischen Kämpfer ist die Freude groß – zumal der Sieg über die IS-Dschihadisten mit dem kurdischen Neujahrsfest Newroz zusammenfällt, das den Frühling feiert.
Eigentlich sollte der in Baghus zu sehen sein. Viele Bauern bewirteten einst das Land am Euphrat. Jetzt ist das zersiedelte Gebiet braun von Bombenkratern, dazwischen ausgebrannte Autos und zerschossene Häuser. Noch am Morgen, so berichten Reporter, die vor Ort sind, sei Baghus beschossen worden.
Wochenlang hatten die SDF Baghus belagert. Ihre Offensive kam mehrmals ins Stocken, weil immer wieder Menschen aus Baghus flohen. Schätzungen zufolge 60.000. Verletzt, krank, ausgezerrt, unterernährt.
Viele sind nicht ehrlich über ihre Rolle beim IS
Granatensplitter hätten ihn getroffen, sagt ein Mann Anfang der Woche einem lokalen Mitarbeiter des ARD-Hörfunkstudios Kairo. Er sei getroffen worden, als er Frauen und Kinder in der IS-Siedlung von einem Ort zu anderen gefahren habe, sagt er. Sonst habe er nicht gearbeitet.
Als die kurdischen Kämpfer, die ihn kontrollieren und durchsuchen, widersprechen, und sagen, dass er bei der IS-Polizei gewesen sei, wird der Mann wütend.
Sie sollen ihm das Wort nicht im Mund umdrehen. Er habe keinen Job gehabt, nur manchmal als Elektriker gearbeitet, sonst nichts.
Viele, die Baghus verlassen, sind nicht ehrlich, wenn sie über ihre Aufgaben im Islamischen Staat sprechen. Etliche wollen Köche, Fahrer oder eben Elektriker gewesen sein - keine Kämpfer.
Tausende Dschihadisten untergetaucht
Und so mischt sich schon jetzt Skepsis in die Freude über den Sieg in Baghus. Der Kampf gegen die Dschihadisten gehe weiter, sagt dann auch SDF-Sprecher Mustafa Bali. Tausende IS-Kämpfer sollen im weiten Wüstengebiet Syriens und des Iraks untergetaucht sein. Dort haben sie Schläferzellen gebildet, verüben Anschläge und erpressen mit Entführungen Lösegeld.
Flüchtlingslager überlastet
300 Kilometer nördlich, in der von Kurden kontrollierten Provinz Al-Hassakeh liegt das Flüchtlingslager Al-Hol.
Auf Lastwagen haben die kurdischen Kämpfer vor allem Frauen und Kinder die Baghus verlassen haben, dorthin gebracht. Für 10.000 Menschen war das Camp errichtet worden, inzwischen leben dort mehr als 70.000, sagt Samir El-Hawary, der für die Vereinten Nationen von Damaskus aus die Nothilfe in Syrien koordiniert.
"Die Herausforderung ist, allen Platz zu bieten. Wir benötigen rund 4.000 zusätzliche Stellflächen für Zelte. Wir beraten mit der kurdischen Verwaltung des Camps und versuchen, das Flüchtlingslager auszubauen, damit wir die Neuankömmlinge unterbringen und die, die vermutlich noch auf dem Weg sind."
Schon jetzt fehlt es an Toiletten, Duschen und Waschräumen. In den kommenden Tagen werden weitere 15.000 Menschen erwartet - auch aus Baghus.