Nach Assads Sturz
Warum Israel in Syrien angreift

Nach dem Sturz Baschar al-Assads fliegt Israel Luftangriffe in Syrien. Israelische Truppen sind zudem in der Pufferzone zwischen den Golanhöhen und Syrien eingerückt. Was sind die Motive für das Vorgehen und wie reagiert die Staatengemeinschaft?

    Ein zerstörtes Fluzeug und andere Trümmer am Boden eines Militärflughafens in Syrien
    Israel hat unter anderem den Militärflughafen Al-Mezzeh bei Damaskus angegriffen (picture alliance / Ugur Yildirim / DIA Images / ABACA)
    Syriens Diktator Baschar al-Assad ist geflohen, die HTS-Miliz hat in dem Land die Macht übernommen. Israel nutzt die Übergangszeit, um militärisch Tatsachen zu schaffen.

    Inhalt

    Was ist über das Vorgehen Israels in Syrien bekannt?
    Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad durch Rebellen massiv militärische Einrichtungen in Syrien, beispielsweise in den Küstenregionen Latakia und Tartus. Auch vermutete Chemiewaffen sollen Ziel der Angriffe gewesen sein.
    Israels Armee hat zudem Truppen in die Pufferzone zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und dem Nachbarland Syrien verlegt. Diese Pufferzone wurde 1974 bei einem Abkommen zwischen Israel und Syrien eingerichtet und wird von UN-Friedenstruppen überwacht.
    Der israelische Ministerpräsident bezeichnete die Stationierung israelischer Truppen in der Golan-Pufferzone als „vorübergehend“. Die Einheiten sollten dort gehalten werden, bis die Sicherheit an der israelischen Grenze und der Golanhöhen gewährleistet sei.
    Israelische Panzer in einer Landschaft in der Region der Golanhöhen
    Die Golanhöhen wurden im Nahostkrieg von 1967 von Israel annektiert – 1974 wurde eine schmale Pufferzone zwischen den Golanhöhen und Syrien eingerichtet, die von UNO-Friedenstruppen überwacht wird (picture alliance / Anadolu / Mostafa Alkharouf)
    Vier Kampfgruppen der israelischen Armee sind den Angaben der Streitkräfte zufolge im Süden Syriens weiter im Einsatz. Ein Brigade-Kampfteam gehe dort etwa gegen Bedrohungen entlang der Grenze vor. Dabei seien auch mehrere nicht mehr genutzte Panzer der syrischen Armee beschlagnahmt worden. Ziel des israelischen Einsatzes sei es, die Sicherheit der Zivilbevölkerung im Norden Israels zu gewährleisten.
    Israel hat derzeit einen besseren Überblick über die Waffen Syriens als die HTS-Milizen, mutmaßen Experten. Die Milizen suchen demnach noch nach Informationen über Waffen und Stützpunkte der syrischen Armee, über die Israel durch seine Geheimdienste bereits verfügt und die ihm erlauben, diese Stützpunkte gezielt anzugreifen.

    Warum greift Israel Ziele in Syrien an?

    Israel will die Gefahren für das eigene Land und die eigene Bevölkerung verringern. Man habe kein Interesse daran, sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar. Es gehe um den Schutz israelischer Bürger. "Deshalb greifen wir strategische Waffensysteme an, wie zum Beispiel verbliebene chemische Waffen oder Langstreckenraketen, damit sie nicht in die Hände von Extremisten fallen." Verteidigungsminister Israel Katz listete seinerseits "schwere strategische Waffen" auf, darunter diverse Raketenarten und Luftabwehrsysteme.
    Ein zweiter Grund könnte sein, die Verhältnisse in der Region umgestalten zu wollen: Der Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien ermöglicht es Israel, das „Gesicht des Nahen Ostens“ zu verändern, wie es Benjamin Netanjahu formuliert hat. Dabei geht es besonders darum, die vom Iran angeführte "Achse des Widerstands" gegen Israel und den Westen weiter zu schwächen.
    Unter Assad war Syrien ein wichtiger Bestandteil dieser Achse, zu der auch die palästinensische Hamas und die Hisbollah zählen. Über die syrische Landbrücke zwischen dem Iran und der Hisbollah wurden Waffen und Kämpfer transportiert.
    Für Israel ist es ein großer strategischer Gewinn, dass diese Verbindungswege vom Iran über Syrien zur Hisbollah nun erst einmal abgeschnitten sind. Denn auch Hisbollah und Iran werden dadurch geschwächt.
    Welche Beziehungen die von der HTS-Miliz geführten neuen Machthaber in Damaskus zu Israel haben werden, ist noch ungewiss. Vorsichtshalber baut Benjamin Netanjahu mit seinen militärischen Schritten daher eine Drohkulisse auf, die sich an die künftige Regierung Syriens richtet.
    „Wenn das neue Regime in Syrien dem Iran erlaubt, sich wieder zu etablieren, oder den Transport iranischer Waffen an die (libanesische) Hisbollah zulässt, werden wir energisch reagieren und einen hohen Preis fordern“, hat Netanjahu bereits gewarnt. Dennoch wird Israel wohl versuchen, Beziehungen zu den Milizen in Syrien aufzubauen – unter der Bedingung, dass diese nicht mit dem Iran kooperieren.

    Welche internationalen Reaktionen gibt es auf das Vorgehen Israels?

    Die israelischen Angriffe auf das Nachbarland rufen international Kritik hervor. Unter anderem erklärte der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte Ben Saul, dass die Angriffe gegen das Völkerrecht verstoßen. Es gebe "absolut keine völkerrechtliche Grundlage, um ein Land, das man nicht mag, präventiv (...) zu entwaffnen", sagte Saul.
    Auch die Verlegung israelischer Truppen in die Pufferzone in den Golanhöhen wird kritisiert. Die Staatengemeinschaft betrachtet die Golanhöhen als besetztes syrisches Gebiet. Die Pufferzone zwischen dem israelisch annektierten und dem syrischen Teil der Golanhöhen soll eigentlich entmilitarisiert sein. Besonders arabische Staaten verurteilen das dortige Vorgehen Israels – darunter Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien. Sie werfen Israel den Bruch des Völkerrechts vor.
    Die Frage ist, ob sich Israel aus diesen Gebieten tatsächlich zurückziehen wird, sobald sich die Lage in Syrien wieder stabilisiert hat, oder ob es dort mit Landgewinn Fakten schaffen will.

    Wie gehen die Rebellen derzeit vor?

    Bislang hat die HTS-Miliz in Syrien noch nicht auf das militärische Vorgehen Israels reagiert. Ihr Chef Mohammed al-Baschir stellte der Bevölkerung in Syrien aber eine Zeit ohne weitere Kriege in Aussicht – die Menschen seien von den Kämpfen erschöpft. Weder sei das Land bereit für einen weiteren Krieg, noch werde es in einen weiteren geraten.
    Die HTS-Miliz hat in Damaskus derweil eine von ihr geführte Übergangsregierung eingesetzt. Zu deren Chef wurde Mohammed al-Baschir ernannt. Er hat versprochen, die Rechte aller religiösen Gruppen zu garantieren. "Gerade weil wir islamisch sind, werden wir die Rechte aller Menschen und aller Glaubensrichtungen in Syrien garantieren", sagte er einer italienischen Tageszeitung. Auch seien die neuen Machthaber bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, solange dieser auf Distanz zum gestürzten Machthaber Baschar al-Assad gehe, betonte er.
    cs