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Syrien-Konflikt
Bomben bringen "niemanden an den Verhandlungstisch"

Bei Gesprächen zum Syrien-Konflikt könne Russland eine positive Rolle spielen, sagte der SPD-Europaabgeordnete Knut Fleckenstein im DLF. Wenn man ernsthaft verhandeln möchte, müsse Moskau aber zum jetzigen Zeitpunkt bereit sein, die Bombardements einzustellen, sagte der SPD-Politiker.

Knut Fleckenstein im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Knut Fleckenstein, EU-Abgeordneter der SPD
    Knut Fleckenstein, EU-Abgeordneter der SPD (picture alliance/dpa/Markus Scholz)
    Jasper Barenberg: Die Syrien-Verhandlungen in Genf, sind sie nur aufgeschoben oder schon gescheitert? Am Telefon ist jetzt Knut Fleckenstein, SPD-Europaparlamentarier, Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Mitglied auch der Russland-Delegation im Europäischen Parlament. Schönen guten Morgen, Herr Fleckenstein!
    Knut Fleckenstein: Guten Morgen, Herr Barenberg!
    Barenberg: Auf den Punkt gebracht: Zerstört Moskau mit seinen Bomben in Syrien vorsätzlich auch den Friedensprozess in Genf?
    Fleckenstein: Ob das vorsätzlich ist, weiß ich nicht, aber richtig ist natürlich, wenn man jetzt in einer solchen Situation kurz vor den Verhandlungen versucht, noch etwas klarzuziehen sozusagen und militärische Erfolge einzufahren, macht man alle Bemühungen noch schwieriger, als sie ohnehin schon sind.
    Barenberg: Das heißt, auch für Sie besteht gar kein Zweifel daran, dass die russische Waffenhilfe im Moment dazu führt und Assad befähigt, dass seine Soldaten wieder vorrücken können und dass eben die bewaffnete Opposition, die Rebellen in Bedrängnis geraten und jetzt quasi mit der Pistole am Kopf verhandeln sollen, wie es der französische UNO-Botschafter jetzt formuliert hat.
    Fleckenstein: Ja, ich sehe das schon so, auch wenn ich ein bisschen ins Stocken komme, wenn ich den französischen UNO-Botschafter höre. Es ist ja nicht so, dass es ausschließlich um die Frage geht, was mit Herrn Assad dort passiert, es geht ja um mehrere Aspekte. Der eine ist, dass man mit diesem Diktator sicherlich das Land nicht in eine gute Zukunft führen kann, das andere ist, wie man sich gegen den Islamischen Staat und andere islamistische Rebellen zur Wehr setzt. Ich glaube nur, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem in Wien die Hauptprotagonisten zusammengekommen sind, dass das eben ein sehr schlechter Zeitpunkt ist, noch irgendwelche militärischen Offensiven zu machen. Ob die irgendwann noch mal notwendig wären, in welche Richtung auch immer, das ist eine andere Frage, aber im Moment hätte ich es gern gesehen, wenn die Russen mitgemacht hätten, einer Verhandlungslösung zumindest eine minimale Chance zu geben.
    "Wir haben einen gemeinsamen Gegner mit Russland, das ist der 'Islamische Staat'"
    Barenberg: Aber war das überhaupt zu erwarten, wenn wir uns noch mal daran erinnern, dass Russland ja diese Militärintervention ausdrücklich mit dem Ziel gestartet hat, Assad den Rücken zu stärken und seinen Soldaten, seinen Truppen wieder etwas mehr Spielraum zu verschaffen?
    Fleckenstein: Ja, ich glaube, es geht um zwei Dinge: Wir haben einen gemeinsamen Gegner mit Russland, das ist der "Islamische Staat", wo Russland zu Recht auch eigene Interessen hat, dass der sich nicht ausbreitet, sondern im Gegenteil wieder zurückgefahren wird. Und es gibt zum Zweiten den Wunsch Russlands - natürlich auch aus eigenem Interesse wegen seiner militärischen Basis -, dort dem Herrn Assad den Rücken zu stärken. Und insofern haben wir sehr unterschiedliche, ja, zum Teil sich deckende, zum Teil eben sich nicht deckende Absichten. Da muss man natürlich auch überlegen, mit wem man es zu tun hat. Schauen Sie, vor einem halben Jahr gab es eine Gegenoffensive sozusagen, in die andere Richtung. Da haben alle darüber berichtet, wie gefährlich es ist, dass diese islamistischen Rebellenverbände, so hieß das damals bei der "Tagesschau", womöglich Gewinne einfahren. Also wir haben es nicht nur mit Friedensfürsten zu tun, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite, mit Herrn Assad ist es sehr schwierig, da genau hineinzugucken.
    Barenberg: Aber der Vorwurf steht ja immer noch und nach wie vor im Raum, dass Russland eben weniger die Stellungen des "Islamischen Staates" attackiert, sondern vielmehr die anderen Rebellengruppen - da gibt es eine ganze Vielzahl verschiedener Gruppen -, und dass das eben schon von Anfang an ein Problem war und ein Problem bleibt.
    Fleckenstein: Ja, das ist auch ein Problem - in doppelter Hinsicht: Es ist zum einen ein Problem, dass die Russen sich nicht konzentrieren auf den "Islamischen Staat", es ist aber auch ein Problem, wenn Sie sehen, in dieser östlichen Hälfte von Aleppo beispielsweise sind 13 islamistische Gruppierungen zusammengefasst, darunter auch der syrische Al-Kaida-Ableger. Also es ist eine schwierige und sehr verworrene Situation. Dennoch, egal wie man es einschätzt ...
    "Russland kann eine positive Rolle spielen"
    Barenberg: Manche sagen ja jetzt, es war von vornherein eine Illusion zu glauben, dass Russland eine positive Rolle in Syrien spielen kann und will. Nun erinnern wir uns alle, dass es überhaupt nur die gemeinsame Anstrengung von Russland zusammen mit den USA war, die überhaupt dazu geführt hat, dass jetzt diese Verhandlungen in Genf überhaupt möglich wurden. Welche positive Rolle kann Russland jetzt noch spielen, sind Sie da zuversichtlich?
    Fleckenstein: Also Russland kann eine positive Rolle spielen, indem sie alles tun, was ihnen möglich ist, damit alle Beteiligten in Wien an einem Tisch sitzen. Es wird ja auch am kommenden Wochenende am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz hoffentlich zu Gesprächen zumindest kommen - ich würde es nicht Verhandlungen nennen -, und da kann Russland einen wirklich nennenswerten Beitrag leisten. Das haben sie ja auch getan gegen ihre eigenen Interessen zum Teil, als es darum ging, das Abkommen mit dem Iran fertig zu bekommen. Und insofern kommt es uns in erster Linie darauf an, dass Herr Lawrow und andere ihren ganzen Einfluss geltend machen, dass die Menschen, die betroffen sind, durch Verhandlungen einen Prozess einleiten, der zu Frieden und dann zu einem neuen Syrien führt.
    Barenberg: Über den russischen Botschafter hat Moskau jetzt ja angekündigt, in München bei dieser Zusammenkunft am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz nächste Woche neue Vorschläge auf den Tisch zu legen - was könnte das aus Ihrer Sicht sein? Muss es darum gehen, UNO-Resolutionen durchzusetzen, beispielsweise wo es um den Zugang für humanitäre Hilfe geht?
    Fleckenstein: Na ja, das ist das A und O, weil egal wo die Frontlinien verlaufen in diesem Wirrwarr im Moment, die Zivilbevölkerung leidet am meisten darunter. Und die Situation, dass dort Zehntausende von Menschen versuchen, in die Türkei zu kommen, um ihr Leben und das ihrer Familien zu retten, dass diese Grenze de facto dicht ist, darüber muss man reden. Und dann muss man gucken, wie man gemeinsam das Problem lösen kann - zumindest in einem ersten Schritt, dass nicht noch mehr Tausende und Abertausende unschuldiger Zivilisten getötet werden oder in Not kommen.
    "Man muss mehr miteinander reden"
    Barenberg: Ist es zu viel verlangt, von Moskau zu erwarten, dass sie ihre Bombardements jetzt einstellen?
    Fleckenstein: Nein, das ist nicht zu viel verlangt zum jetzigen Zeitpunkt. Wenn man ernsthaft verhandeln möchte, muss man auch zu diesem Schritt bereit sein. Und man muss mehr miteinander reden, das gilt insbesondere, glaube ich, für die USA und Russland, wie man eine Befriedung der Situation erreichen kann, denn ich glaube, indem jeder sozusagen seinen eigenen Weg geht, wird es immer schwieriger.
    Barenberg: Es war ja nicht ganz leicht, die diversen Oppositionsgruppen überhaupt an einen Tisch zu bekommen, auf eine gemeinsame Agenda zu verpflichten. Syrien-Gespräche hat es in Genf schon zweimal gegeben, beide Male sind sie gescheitert. Sind Sie zuversichtlich, dass es in drei Wochen weitergeht, oder wie groß ist Ihre Sorge, dass es das jetzt schon wieder gewesen ist?
    Fleckenstein: Ich weiß, dass Federica Mogherini und auch Frank-Walter Steinmeier sehr viel dafür tun, dass diese Gespräche doch stattfinden, und ich kann nur hoffen, dass ihre Arbeit am Ende erfolgreich sein wird, weil es gibt keine vernünftigere Alternative, wenn man es auch über den Tag hinaus sieht, als an einen Tisch zu kommen und zu versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das wird schwierig genug, aber durch Bombardierung bringen wir niemanden an den Verhandlungstisch.
    Barenberg: Der SPD-Außenpolitiker Knut Fleckenstein, heute hier live im Deutschlandfunk. Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch heute Morgen!
    Fleckenstein: Ich danke Ihnen, schönen Tag noch!
    Barenberg: Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.