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Syrien-Konflikt: Lob für amerikanisch-russische Zusammenarbeit

Es sei sehr wichtig, dass die USA und Russland trotz Spannungen im Syrien-Konflikt in dieselbe Richtung ziehen, unterstreicht John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Die Russen hätten eingesehen, dass auch sie aktiv Druck auf Syriens Machthaber Assad ausüben müssten.

John Kornblum im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Wenn es um den Syrien-Konflikt geht, dann waren die USA und Russland bisher selten einer Meinung. Washington spricht sich seit Langem für stärkere Sanktionen gegen das Regime in Damaskus aus. Die Haltung in Moskau war immer, lasst die beiden Kriegsparteien miteinander sprechen, anders kriegen wir in diesem Konflikt keine Lösung hin.

    Gestern nun haben die Außenminister der USA und Russlands in Moskau vereinbart, bis Ende des Monats gemeinsam eine internationale Syrienkonferenz auf die Beine zu stellen. Heide Rasche mit Informationen.

    Treffen Kerry und Lawrow in Moskau zu Ende(MP3-Audio) (O-Ton)

    Heide Rasche berichtete aus Moskau, und über die amerikanische Sicht auf diesen Konflikt können wir jetzt mit John Kornblum sprechen, dem ehemaligen US-Botschafter in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Kornblum!

    John Kornblum: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Kornblum, die USA und Russland wollen also gemeinsam eine Syrien-Konferenz auf den Weg bringen, schon Ende des Monats. Haben die USA hier dem Druck Russlands nachgegeben?

    Kornblum: Nein, ich würde es eigentlich andersherum sehen, die Russen jetzt haben eingesehen, dass sie aktiv auch Druck auf Assad ausüben müssen, um wirklich eine schlimmere Konfrontation zu verhüten. Die Lage wird immer schwieriger in Syrien, und diese Konferenz, man kann hoffen, dass es etwas bringt, aber es ist in erster Linie ein Zeichen, das die beiden Mächte wirklich versuchen wollen, jetzt miteinander darüber zu reden.

    Armbrüster: Abgesehen davon, ein Zeichen zu setzen, was kann eine solche Konferenz denn bringen? Es hat ja schon zahlreiche Versuche gegeben, die Rebellen und das Assad-Regime an einen Tisch zu bringen.

    Kornblum: Ja, wenn man auf die Zeitungen heute Morgen schaut, dann sieht man, dass man etwas skeptisch ist. Das mag sein, aber ich finde, dass es sehr wichtig ist, mindestens, dass die Vereinigten Staaten und Russland in dieselbe Richtung ziehen, dass trotz Spannungen, die es überhaupt im bilateralen Verhältnis gibt, dass man eine gemeinsame Basis sucht.

    Armbrüster: Aber wie hoch schätzen Sie denn die tatsächliche Wahrscheinlichkeit ein, dass sich da die Vertreter von beiden Seiten nun Ende des Monats an einen Tisch setzen.

    Kornblum: Oh, ich finde, dass die an einem Tisch sitzen, die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch. Ob sie was Konkretes vereinbaren können, ob sie richtig eine Wirkung auf den Konflikt haben, da muss man etwas skeptischer sein.

    Armbrüster: Herr Kornblum, in den USA wird nun seit Tagen heftig über Giftgaseinsätze in diesem Konflikt gesprochen. Es ist nicht ganz klar, welche Seite Giftgas eingesetzt hat, dass es eingesetzt wurde, das scheint klar zu sein. Präsident Obama hat im letzten Jahr schon das ganze für eine rote Linie erklärt, sollten Chemiewaffen zum Einsatz kommen. Wie sehr hat er sich damit in eine Sackgasse manövriert?

    Kornblum: Es kann sein, dass er jetzt in einer ziemlich ausweglosen Situation ist, weil, wie Sie sagen, die Anzeichen, dass irgendwelche chemischen Mittel eingesetzt worden sind, ziemlich klar sind. Sie haben völlig recht, man kann nicht bestätigen, wer das eingesetzt hat. Aber das ist nur ein Stück von jetzt einer Entwicklung, die wirklich sehr schlecht, sehr bedauerlich ist. Die Zahl der Flüchtlinge ist in die Millionen gezogen, et cetera, et cetera.

    Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo die Tatsachen eine Rolle spielen, aber sozusagen die moralische Reaktion in der westlichen Welt, vor allem in den Vereinigten Staaten, aber auch in Frankreich und England, sehr stark ist, und das alle Regierungen jetzt in einer schwierigen Lage stehen: Was machen wir, wenn es ziemlich klar ist, dass ein Regime eigentlich Krieg gegen sein eigenes Volk führt?

    Armbrüster: Aber war es denn ein Fehler des amerikanischen Präsidenten, das Ganze als rote Linie zu bezeichnen?

    Kornblum: Das meinen viele Kommentatoren in der amerikanischen Presse heute Morgen, und es gibt auch Analysen, die diese Linie, die wurde, wenn Sie so wollen, im August letzten Jahres gezogen, und es sieht aus, als ob Obama das sozusagen fast auf Anhieb gemacht hat, ohne Vorplanung, er hat das als rhetorisches Mittel benutzt, und dass die Konsequenzen von dieser Drohung nicht durchgedacht wurden.

    Armbrüster: Das heißt, Sie würden auch sagen, es war ein Fehler?

    Kornblum: Ich weiß nicht, ob es ein Fehler war, weil wenn tatsächlich gezeigt wird, dass Saddam – Entschuldigung –, dass Assad chemische Waffen benutzt hat oder hat und benutzt, dann ist natürlich überall eine rote Linie gezogen worden oder überschritten worden. Einen Fehler würde ich das nicht nennen, ich würde nur sagen, die Lage hat sich jetzt so verschlechtert seit letzten August, dass der Westen, auch Russland, sich jetzt in einer ziemlich neuen Lage finden.

    Sie sehen, dass es tatsächlich zu riesigem menschlichen Leid und Dislokation und so führt, und der Westen wird zunehmend jetzt unter Druck, was zu unternehmen, egal ob chemische Waffen eingesetzt worden sind oder nicht.

    Armbrüster: Wie groß ist denn die Bereitschaft in den USA, in der Bevölkerung, etwas zu unternehmen in Syrien?

    Kornblum: Ich glaube, die Bereitschaft ist ziemlich gering – die Bereitschaft auch unter den amerikanischen Militärs ist sehr gering, aber niemand redet von Bodentruppen in Syrien, das wäre tatsächlich eine ziemlich schwierige Entwicklung, aber es gibt andere Methoden, eine Luftverbotszone über Syrien zum Beispiel, sodass die syrische Luftwaffe nicht mehr ihre eigene Bevölkerung angreifen kann, oder ein sogenanntes Flüchtlingskordon, wo auch Hilfe, medizinische Hilfe und Ernährung an viele Flüchtlinge gebracht wird, die ja ziemlich isoliert da stehen.

    Es gibt Mittel, die weniger sind als ein direktes Eingreifen in den Kampf, aber vielleicht sehr viel helfen würden. Diese werden jetzt diskutiert, und ich persönlich meine, wie ich die Lage heute einschätze, dass der Druck auf solche Mittel steigen wird.

    Armbrüster: Sollte der Westen auch Waffenlieferungen an die syrische Opposition zulassen?

    Kornblum: Wieder eine schwierige Frage – ich glaube, es werden schon Waffen geliefert, vielleicht nicht zugegeben, aber es werden Waffen geliefert. Es ist auch ziemlich klar, was ich gelesen habe, mindestens, dass der Iran Riesen Waffenlieferungen an Assad bringt. Das ist schon ein, wenn Sie wollen, ein Stellvertreterkonflikt, der da stattfindet.

    Armbrüster: Das heißt, liefert auch der Westen schon Waffen?

    Kornblum: Es gibt Anzeichen, das Waffen da erscheinen. Keine Regierung hat gesagt, dass sie Waffen liefern, aber es gibt Anzeichen, dass Waffen in Syrien angekommen sind. Woher, das kann man sicher nur vermuten. Aber dieses Problem oder diese Möglichkeit wird natürlich auch sehr hart debattiert. Und das allgemeine Bild ist, dass Obama, vor allem aber im Nachhinein auch die westlichen Staaten zunehmend unter Druck kommen werden, was zu unternehmen.

    Armbrüster: Wenn wir uns da mal angucken die Entscheidung der israelischen Regierung oder der israelischen Armee in den vergangenen Tagen, Waffenlieferungen der Hisbollah in Syrien zu bombardieren, inwiefern hat das diesen Konflikt und auch die Sicht von außen darauf verändert?

    Kornblum: Oh, ich glaube, nicht sehr viel. Es kommt drauf an, ob das einzelne Aktionen waren, oder ob die Israelis jetzt regelmäßig einschreiten. Die haben gesagt, dass das einzelne Aktionen waren. Israel ist sehr, sehr empfindlich natürlich auf die sogenannte Golan-Heights-Grenze, wo gestern oder vorgestern einige philippinische Soldaten genommen wurden. Ich glaube nicht, das – und sie haben das auch so gesagt –, das ist jetzt keine Beteiligung Israels an dem Krieg. Ich glaube nicht, dass das die Lage sehr geändert hat.

    Armbrüster: Na ja, das ist immer leicht zu sagen, keine Beteiligung. Tatsache ist, sie haben diese Angriffe geflogen. Waren diese Angriffe denn aus Ihrer Sicht eine richtige Entscheidung?

    Kornblum: Das kann ich nicht sagen, das ist eine militärische Entscheidung. Ich weiß nur, nicht nur an dieser Ecke, sondern überall, dass Israel sehr empfindsam ist und sehr empfindlich ist, wenn ihre Grenze irgendwie infrage gestellt wird. Und ich glaube, sie haben Bedenken gehabt, dass sehr viele Waffen jetzt in die Region an den Golanhöhen geliefert werden, und dass das sozusagen vielleicht eine zweite Front von Syrien aufgemacht werden könnte. Ob es richtig war, das zu tun, das kann ich nicht sagen. Man muss nur wissen, dass, wenn solche Bedrohungen an die israelische Grenze kommen, dann wird Israel sehr oft, oder hat auch in der Vergangenheit sehr oft sehr schnell reagiert.

    Armbrüster: Wenn wir uns noch mal die Entwicklung der vergangenen Tage insgesamt vor Augen halten, Herr Kornblum, welches Bild liefert der amerikanische Präsident derzeit in der Syrien-Politik?

    Kornblum: Na, ihm wird vorgeworfen, dass er ein Bild von Unentschiedenheit et cetera liefert. Da würde ich ihn in Schutz nehmen, ich glaube, dass niemand jetzt klar und ohne Schwierigkeiten reagieren kann. Ich finde die Initiative mit Russland, egal, was es bringt, immerhin ein Zeichen von Aktivität, und ein Zeichen, dass man mindestens zum ersten Mal seit Anfang des Konfliktes gemeinsame Gespräche mit Russland und vielleicht sogar gemeinsame Ziele, das ist … das soll man nicht als nichts betrachten.

    Aber Obama sitzt zwischen mehreren Steinen sozusagen. Seine Militärs, unsere Soldaten, sind wirklich jetzt ermüdet nach vielen Kriegen in Irak und Afghanistan, die Möglichkeiten, ein Eingreifen wirklich zu einem Ergebnis zu bringen, finde ich begrenzt, und wie wir wissen, die politische Lage innerhalb Syriens ist alles andere als klar. Das heißt, kein Politiker kann jetzt im Moment sehr klar sagen, was man zu tun hat. Aber in Amerika gibt es immer diesen moralischen Druck, und er kommt auch: Senatoren aus seiner eigenen Partei greifen ihn an, so, er sitzt in einer sehr schwierigen Lage.

    Armbrüster: Live hier heute Morgen bei uns in den "Informationen" war das John Kornblum, der ehemalige US-Botschafter in Berlin. Vielen Dank, Herr Kornblum, dass Sie sich die Zeit genommen haben heute Morgen!

    Kornblum: Ich bedanke mich!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.