"Wir werden die Türkei wirtschaftlich zerstören, wenn sie die Kurden angreift". Mit dem Tweet hat US-Präsident Donald Trump mal wieder ordentlich verbal in Richtung Ankara gefeuert. Die Antwort kam am Morgen vom türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu:
"Wir sehen, dass Herr Trump gegen Schwierigkeiten anzukämpfen hat. Er hat sich dazu entschlossen, amerikanische Truppen aus Syrien abzuziehen. Aber diverse Sicherheitsberater setzen ihn unter Druck und raten ihm von einem Abzug aus Syrien ab. Nichts desto trotz kommunizieren strategische Partner und Verbündete nicht via Twitter oder über soziale Medien. Wir sollten weiterhin untereinander über diese Fragen reden."
Cavusoglu versucht sich in Gelassenheit
Aber auch der Sprechers des türkischen Präsidenten Ibrahim Kalin reagierte auf Twitter und auf Englisch. Die Türkei erwarte, dass die strategische Partnerschaft nicht durch Terrorpropaganda überschattet wird. Es sei ein fataler Fehler, die syrischen Kurden mit der kurdischen PKK und ihrem syrischen Ableger YPG gleichzusetzen. Beide stuft die Türkei als Terrororganisationen ein. Scharfe Töne. Und trotzdem versucht sich Cavusoglu in Gelassenheit:
"Wir haben mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass wir uns aus solchen Drohungen nichts machen und keine Angst haben. Der Türkei wirtschaftlich zu drohen, das führt zu nichts. Wir sollten uns eher darauf konzentrieren, wie wir diese Angelegenheit koordinieren und lösen."
Ganz so wirkungslos scheinen Trumps Drohungen nicht zu sein – zumindest nicht an den Märkten. Der Istanbuler Wirtschaftsexperte Baris Soydan:
"Jetzt ist die Türkei mit einer Drohung konfrontiert worden. Sie zeigt, dass die türkisch-amerikanischen Beziehungen sich, anders als allgemein angenommen, vielleicht doch noch nicht so sehr gebessert haben. Zumindest dieser Eindruck ist jetzt entstanden bei globalen Investoren und auf den internationalen Märkten."
Die türkische Lira hat am Morgen im Vergleich zum Dollar an Wert verloren. In den staatsnahen Türkischen Meiden versucht man zu beschwichtigen. Der Wirtschaftsexperte Artunc Kocabalkan führte im türkischen Fernsehen gleich drei Gründe für den Kursverlust an:
"Diese Woche wird die Zentralbank auch über den Leitzins entscheiden, außerdem gibt es Unsicherheiten auf den ausländischen Märkten, insbesondere in China. Und dann noch Trumps Tweet. Es ist nur normal, dass jetzt die Türkische Lira schwächelt und die Börse. Ich denke nicht, dass es ins Extreme umschlagen wird, kurzfristig zumindest."
Von Gegensanktionen ist noch keine Rede
Denn viele fühle sich an die Finanzkrise im Sommer erinnert. Damals war der Kurs der Lira massiv abgesackt, nachdem Trump wegen des Streites um den US-Pastor Andrew Brunson mit Sanktionen gedroht hatte. Brunson war in der Türkei festgehalten worden. Die Sanktionen kamen, und Brunson durfte einige Wochen später ausreisen. Die Lira hat sich seitdem nicht komplett erholt. Soydan sieht die Entwicklung kritischer, als der Wirtschaftsexperte im regierungsnahen Fernsehen:
"Ich bin nicht der Meinung, dass es einen nur geringen Einfluss haben wird. Im Gegenteil: Ich denke, diese Tweets haben das Potential zu großen Auswirkungen. Gleich nach den Tweets von Herrn TRump gestern Nacht, hat es eine plötzliche und rasante Bewegung bei der Türkischen Lira nach unten gegeben. Und da war zum Beispiel der Index der Industriellen Produktion noch nicht veröffentlicht worden, der folgte erst heute Morgen."
Im Sommer hatte auch die Türkei mit Gegensanktionen reagiert. Davon ist im Moment noch keine Rede:
"Noch ist es eine Drohung, auf die die Türkei bislang nur zurückhaltend reagiert hat - zumindest nicht noch nicht so, als wollte sie die Beziehungen hin zu einer neuen Krise eskalieren lassen. Wichtig ist, welche Haltung die Türkei jetzt einnimmt. Deswegen werden die Märkte vielleicht noch abwarten wollen und es kommt zunächst nicht zu einer Krise wie damals wegen Pator Brunson. Aber allein schon, dass die TL gegenüber dem US-Dollar einen Wert von über 5.50 erreicht hat, ist angesichts der türkischen Wirtschaft kein gutes Zeichen."
Trump bleibt Details schuldig
Und die Türkei will an ihrer geplanten Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien festhalten. Erdogans Sprecher Kalin twitterte, Terrorristen könnten nicht Partner und Verbündete der USA sein. Man werde weiter gegen sie kämpfen.
Trump hatte allerdings in seinem Tweet auch die Kurden dazu aufgerufen, die Türkei nicht zu provozieren. Und er schrieb von einer Sicherheitszone von etwa 32 Kilometern. Im türkischen Fernsehen spekuliert der Politikwissenschaftler Ragip Kutay Karaca:
"Man muss natürlich erstmal abwarten, wie sich diese Sicherheitszone, dieser Korridor gestalten soll. Werden die Amerikaner die Kontrolle übernehmen und dann an die Türkei abgeben? Wir müssen uns natürlich auch gut überlegen, welche positiven und negativen Auswirkungen die Übernahme einer solchen Zone angesichts internationalen Rechts für die Türkei haben werden. Ich bin der Meinung, dass das im Rahmen eines UN-Mandats geschehen sollte."
Trump blieb nicht nur zur Sicherheitszone Details schuldig. Auch wie die Sanktionen aussehen könnten, sagte er nicht.