Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana hatte zuvor berichtet, die Vorbereitungen für die Evakuierung der Stadt seien abgeschlossen. Es war die erste offizielle Erklärung von Regierungsseite, seitdem mehrere Rebellengruppen heute früh verkündet hatten, man habe sich mit Damaskus auf eine Feuerpause geeinigt. Es ist bereits der zweite Versuch, Aleppo zu evakuieren. Ein erster Anlauf war gestern gescheitert.
Einem Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums zufolge sollen russische Soldaten die Rebellen aus Aleppo in Richtung der 65 Kilometer entfernten Stadt Idlib bringen. Die syrische Regierung habe ihre Sicherheit garantiert.
Der Journalist Zouhair Al Shimale berichtet via Twitter aus Ost-Aleppo über die Evakuierung. 50 Schwerverletzte sowie deren Familienangehörige würden in ländlichere Teile Aleppos gebracht, schrieb er. Tausende Familien warteten darauf, Aleppo verlassen zu können.
Wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Militärkreise berichtet, sollen heute insgesamt rund 5.000 Kämpfer und 10.000 Zivilisten mit Bussen aus der Stadt gebracht werden. Der Chef der UNO-Hilfsmission für Syrien, Jan Egeland, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er setze Hoffnungen darauf, dass tausende Zivilisten aus Ost-Aleppo weggebracht würden. Allerdings habe Russland gerade erst um die Mitwirkung der Vereinten Nationen gebeten, was sehr spät sei - vor allem angesichts dessen, dass es offenbar bereits "Sicherheitsvorfälle" gegeben habe.
Hilfskonvoi offenbar unter Beschuss
Der Konvoi, der Verletzte aus Aleppo bringen soll, wurde offenbar bereits beschossen, wobei mindestens drei Menschen verletzt wurden, darunter ein Mitglied der Hilfsorganisation Weißhelme. Das berichtet ein oppositionsnahes Fernsehprogramm unter Berufung auf den Leiter des Krankentransports, die Weißhelme bestätigten den Vorfall auf Twitter.
Das internationale Rote Kreuz erklärte, es sei gebeten worden, Verletzte aus Aleppo zu bringen. Auch das russische Verteidigungsministerium verkündete die Beteiligung der Hilfsorganisation.
Regierungstruppen haben Ost-Aleppo fast vollständig erobert
In den vergangenen Tagen hatten syrische Regierungstruppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe sowie schiitischer Milizen den seit 2012 von den Rebellen gehaltenen Ostteil Aleppos fast vollständig zurückerobert. Dort leben noch zehntausende Menschen.
Am Dienstag hatte Russland ein Ende der Kampfhandlungen verkündet, gestern jedoch flammten die Kämpfe in der zweitgrößten Stadt Syriens wieder auf. Auch eine Vereinbarung zum Abzug von Zivilisten und Aufständischen war vor zwei Tagen zunächst gescheitert.
Human Rights Watch: Aleppo wird in die Hölle gestoßen
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat in einem Appell zur Waffenruhe in Aleppo aufgerufen. Die syrische Stadt werde von den Kriegsparteien "in die Hölle gestoßen", hieß es in einer Erklärung.
In den sozialen Netzwerken appellierten zudem Menschen aus dem belagerten Aleppo an die internationale Gemeinschaft, an ihrer Seite zu stehen.
Eine Nutzerin schreibt: "Liebe Welt, hier finden intensive Bombardierungen statt. Wieso bist du still? Wieso? Wieso? Wieso? Angst bringt mich und meine Kinder um. Fatemah."
In der Videobotschaft "the last call from Aleppo" beschreibt dieser Bewohner Aleppos, dass er nicht mehr an die internationale Gemeinschaft glaube, weil die Menschen in Aleppo ermordet werden. Russland wolle die Menschen in Aleppo tot sehen. Im Hintergrund sind Schüsse und Detonationen zu hören.
Am frühen Donnerstagmorgen schrieb Zouhair Al Shimale: "Gerade kein Bombardement in Aleppo. Alles ruhig. Die Chancen steigen, dass wir Aleppo in ein paar Stunden verlassen können."
(vic/am)