In der Nacht kam eine Vorwarnung aus New York. Aus der russischen Vertretung bei den Vereinten Nationen hieß es, man bekomme Signale, die USA bereiteten einen Angriff auf Syrien vor. Seit den frühen Morgenstunden sendete das Staatsfernsehen dieses Zitat sowie Bilder des Abschusses der Tomahawk-Raketen, die vom US-Militär stammen. Es dauerte bis kurz vor neun Uhr Moskauer Zeit, bis sich der Kreml äußerte. Sprecher Dmitri Peskow wird im Staatsfernsehen von einem Moderator mit diesen Worten zitiert:
"Präsident Putin betrachtet die amerikanischen Angriffe auf Syrien als Aggression gegen einen souveränen Staat, als einen Bruch des internationalen Rechts und das unter weit hergeholtem Vorwand. Die syrische Armee hat keine Vorräte chemischer Waffen. Diese Tatsache ist durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen bestätigt worden."
"USA haben nicht mal versucht, Beweise vorzulegen"
Etwas später äußert sich der russische Außenminister Sergej Lawrow, der sich gerade in der usbekischen Hauptstadt Taschkent aufhält. Er erinnerte an das Jahr 2003, als vor Beginn der US-geführten Irak-Invasion der damalige US-Außenminister Colin Powell im UNO-Sicherheitsrat angebliche Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen vorlegte.
"Jetzt haben die Vereinigten Staaten nicht einmal versucht, Beweise vorzulegen. Sie berufen sich wieder auf Fotos von Kindern und spekulieren. Und außerdem spekuliert man mit Angaben von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von den Weißhelmen, diesen Gaunern. Die inszenieren Situationen, um damit Handlungen gegen die syrische Regierung zu provozieren."
Das also ist der eine Argumentationsstrang: Es gibt laut Moskau keine Beweise. Ein zweiter führt zu der Behauptung, sogenannte Terroristen hätten selbst Chemiewaffen verwendet. Terroristen sind in der Diktion Moskaus unterschiedslos all jene, die sich gegen das Regime Assad in Damaskus stellen. Dazu Kreml-Sprecher Dmitri Peskow:
"Dass die Vereinigten Staaten total ausblenden, dass Terroristen chemische Waffen verwenden, verschlimmert die ganze Situation. Putin sieht in dem Angriff der USA auf Syrien einen Versuch, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von den zahlreichen zivilen Opfern im Irak abzulenken."
Neue US-Administration noch nicht gefestigt?
Peskow leitet zu einem dritten Argument hinüber: Die USA wollten die hohe Zahl von Opfern beim Kampf um Mossul vergessen machen. Außenminister Sergej Lawrow erinnerte daran, Russland habe eine Untersuchung angeregt, um den Giftgasangriff von Dienstag aufzuklären. Doch darauf hätten die Vereinigten Staaten nicht warten wollen:
"Stellen wir die Frage: Wem nützt das, was geschehen ist? Das ist nur für diejenigen gewinnbringend, die die Friedensverhandlungen von Genf und Astana beschädigen wollen, und die Vorwände und Anlässe brauchen, weil sie von einer politischen Bewältigung des Konflikts hin zu einem gewaltsamen Regimewechsel übergehen wollen."
Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wies in einer Stellungnahme auf die russische Einschätzung hin, die neue US-Administration sei noch immer nicht gefestigt und habe es schwer, sich gegen Einflüsse zahlreicher Berater zu behaupten. Zu dem gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus gebe es keine Alternative.