Mitte September 2018 hatten sich Russlands Präsident Putin und der türkische Staatschef Erdogan auf die Schaffung einer entmilitarisierten Schutzzone in der syrischen Provinz Idlib geeinigt. Dadurch sollte eine Großoffensive der syrischen Regierung auf das letzte große Rebellengebiet verhindert werden. Der Termin für deren Einrichtung war der 15. Oktober. Doch die Islamistengruppe Hajat Tahrir al-Scham ließ die Frist für einen Abzug aus der geplanten Zone verstreichen.
Wieso haben sich die Islamisten nicht an die Abmachung der Pufferzone gehalten?
Die Gruppe Hajat Tahrir al-Scham, kurz HTS, die sich nicht an die Abmachung hält, ist die radikalste Islamistengruppe - das sind Hardcore-Islamisten, die eine klare Ideologie und ein klares Feindbild haben: nämlich die syrische Regierung.
Dazu kommen wirtschaftliche Interessen: Wer die Grenze zwischen Rebellen- und Regierungsgebiet kontrolliert, kontrolliert auch die Warenströme - und das ist eine gute Einnahmequelle. Islamisten brauchen Geld für Waffen, Munition, Proviant oder den Sold für die bis zu 10.000 Männer, die der HTS angehören sollen. Außerdem gibt es für diese Gruppierung kein anderes Rückzugsgebiet.
Wie groß ist der Einfluss der äußeren Mächte, wie der Türkei und Russland, auf diese Miliz?
Auf diese Miliz haben sie nur wenig Einfluss. Es gibt andere Milizen in Idlib, die zum Teil von der Türkei finanziert werden und auch an der Seite der türkischen Armee kämpfen. Zur HTS hat die Türkei allenfalls informelle Kontakte. Sie hat sie auf die Liste der Terrorgruppen gesetzt.
Wie viele Zivilisten halten sich in der Region noch auf?
Es gab Fluchtbewegungen bis zu türkischen Grenze. Einige sind mit der Aussicht, dass die Pufferzone kommen könnte, auch wieder zurückgekehrt. Laut Vereinten Nationen sind in der Region noch drei Millionen Menschen, eine Million davon sind Kinder. Die Hälfte von diesen drei Millionen sind Binnenvertriebene aus Syrien. Sie sind besonders gefährdet und traumatisiert - und auf die Hilfe von Einheimischen und Hilfsorganisationen angewiesen. Wenn es dort zu einer Offensive kommt, geraten drei Millionen Menschen zwischen die Fronten - dann kommt es zu einer humanitären Katastrophe.