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Syrien
Neue Fronten im alten Krieg

Der Bürgerkrieg in Syrien hat sich in eine unerwartete Richtung entwickelt: Einheimische Rebellen kämpfen jetzt im Norden und Osten gegen Dschihadisten, die überwiegend aus dem Ausland stammen. An diesen Gefechten ist die syrische Armee nicht beteiligt.

06.01.2014
    Zu sehen ist eine armenische Kirche in Rakka mit einer schwarzen Fahne auf dem Dach.
    Die Flagge der ISIS-Dschihadisten auf einer Kirche in Rakka ((AFP / Mohammed Abdul Aziz))
    Die Stadt Rakka liegt im Norden Syriens und hat mehr als 200.000 Einwohner. Wie viele von ihnen noch dort leben, ist unklar, denn Rakka ist inzwischen eine Hochburg von Dschihadisten geworden: Dort liegt ein bedeutender Stützpunkt der Gruppierung "Islamischer Staat im Irak und in Syrien", kurz ISIS, die mit Al-Kaida verbündet ist.
    Die ISIS setzt sich Korrespondenten zufolge überwiegend aus ausländischen Kämpfern zusammen. Die Gruppierung soll einen besonders harten Kurs fahren: Sie übernimmt die Kontrolle in Rebellengebieten, errichtet dort ein eigenes Regime, beschlagnahmt die Waffen der Aufständischen und inhaftiert Aktivisten, Journalisten und Zivilisten. Auch Gewalttaten und Morde soll es gegeben haben.
    Jetzt schlagen die Rebellen zurück: Sie haben am Wochenende eine Offensive gegen die ISIS-Kämpfer gestartet und gestern Nacht die Stadt Rakka eingekesselt. Die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" mit Sitz in London meldet, es sei den Aufständischen gelungen, 50 Gefangene zu befreien, die von der ISIS festgehalten wurden.
    Die angreifenden Rebellen - und das ist bemerkenswert und zugleich kompliziert - sind ein Zusammenschluss von ebenfalls muslimischen Organisationen wie der "Islamischen Front" und der militanten "Nusra"-Front. Die "Nusra"-Front soll bei der Belagerung von Rakka sogar die Hauptrolle spielen und steht paradoxerweise auch Al-Kaida nahe - wie die ISIS, gegen die sie kämpft.
    Ehemalige Verbündete bekämpfen sich
    Das heißt: Im Syrien-Krieg bekämpfen sich nun Gruppierungen, die früher einmal Verbündete waren - in ihrer Gegnerschaft zu Machthaber Baschar al-Assad. Auch die neue Nachrichtenagentur "Syria Newsdesk" hat zuletzt darüber berichtet - etwa über Kämpfe zwischen der "Freien Syrischen Armee" aus Rebellen und der ISIS im Raum Aleppo. Das offizielle syrische Militär nimmt an diesen Kämpfen nicht teil, was nicht heißt, dass sie untätig ist. Das Militär hat zum Beispiel in den vergangenen Wochen massiv die Stadt Aleppo bombardiert, dabei sind viele Menschen getötet worden.
    Auf der politischen Bühne rückt die Genfer Friedenskonferenz näher, die am 22. Januar stattfinden und die Konfliktparteien an einen Tisch bringen soll. Die Exilopposition berät heute über ihre Strategie und hatte gestern Ahmad al-Dscharba wieder zu ihrem Vorsitzenden gewählt. US-Außenminister John Kerry brachte erstmals ins Gespräch, dass auch der Iran in Genf eine Rolle spielen könnte, als einer der wichtigsten Verbündeten des Assad-Regimes. Mehrere Vertreter seines Ministeriums äußerten sich im Laufe des Tages ähnlich. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon teilte mit, die Einladungen für Genf seien versandt worden, und der Iran sei bislang nicht dabei.
    Insgesamt soll es seit Ausbruch des Krieges im Frühjahr 2011 nun mehr als 130.000 Tote gegeben haben. Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen oder in Syrien selbst auf der Flucht.