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Syrien
"Präsidentschaftswahlen sind eine Farce"

Von Wahlen in Syrien könne keine Rede sein. Es handele sich nur um einen Versuch des "mörderischen Regimes" Bashar al-Assads, sich Legitimität zu schenken, sagte Bassam Abdullah im Deutschlandfunk. Der Botschafter der oppositionellen Syrischen Nationalen Koalition betonte, Frieden im Land sei die Voraussetzung für Wahlen.

Bassam Abdullah im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Wahlplakate von Bashar al-Assad in Damaskus.
    Der syrische Präsident Bashar al-Assad dominiert den Präsidentschaftswahlkampf. (dpa / Youssef Badawi)
    Das ginge nicht in einem Land, "wo die Hälfte auf der Flucht ist" oder ohne Lebensinfrastruktur, ergänzte er. Zudem passe die Kandidatur Assads für eine zweite Amtszeit nicht zu einem Friedensprozess. Assad habe die Menschen mit Gewalt eingeschüchtert. Stabilität in Syrien habe nie unter dem diktatorischen Regime geherrscht. "Es sieht nur so aus. Innen kochen die Menschen in Richtung Freiheit und Demokratie", unterstreicht Abdullah.
    Genfer Syrien-Konferenz
    Die Forderung auf der Syrien-Konferenz in Genf, dass Assad ins Exil gehen könne, sei keine falsche Forderung gewesen, sagt Abdullah. Assads Weigerung zeige, dass das Regime überhaupt keine Achtung für eine politische Lösung habe.
    Für Abdullah ist eine militärische Lösung nicht unbedingt das einzige Mittel zur Lösung des Konflikts. Er fordert zumindest, dass das Regime humanitäre Korridore öffne, um den Menschen in den umkämpften Gebieten Hilfe zukommen zu lassen.

    Lesen Sie hier das vollständige Interview.
    Christiane Kaess: Schon zwei Sondergesandte der Vereinten Nationen haben sich an dem Konflikt in Syrien abgearbeitet: zuerst der Diplomat Kofi Annan aus Ghana und dann der Algerier Lakhdar Brahimi. Beide mussten eingestehen, sie können den Konflikt im Land und auch auf internationaler Ebene nicht lösen. Erst recht nicht, nachdem sich im UN-Sicherheitsrat die Fronten durch die Ukraine-Krise noch einmal verhärtet haben. In beiden Fällen stehen sich dort Russland und die westlichen Staaten mit völlig unterschiedlichen Positionen gegenüber. Wenn es um Syrien geht, solidarisiert sich Russland mit dem Regime von Bashar al-Assad. Großbritannien, Frankreich und die USA unterstützen die Aufständischen, zumindest diejenigen, von denen sie glauben, dass sie keine radikalen Islamisten sind. Wie ein Schlag ins Gesicht der diplomatischen Bemühungen wirkt es nun, wenn sich heute Bashar al-Assad zum neuen alten syrischen Präsidenten wählen lässt.
    Mitgehört am Telefon hat Bassam Abdullah. Er ist Botschafter der Syrischen Nationalen Koalition in Deutschland, die als moderate syrische Opposition gilt. Für die Bundesregierung ist sie der wichtigste Ansprechpartner, wenn es um Kontakt zur syrischen Opposition geht. Guten Morgen!
    Bassam Abdullah: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Herr Abdullah, was bedeutet die Wahl für Sie?
    Abdullah: Das hat gerade auch Sabine Rossi auch direkt von Syrern das richtig bezeichnet. Das ist mehr als ein Witz, was in Syrien läuft. Von Wahlen kann keine Rede sein. Das ist nur ein Versuch von einem mörderischen Regime, sich selbst wieder Legitimität zu schenken und sich wieder im gleichen Zustand zu halten, um vielleicht die Lösung, was man ja schon von Anfang an gedacht hat, diese gewaltige Lösung für Syrien, für die syrische Krise zu schaffen.
    Kaess: Auf der anderen Seite, Herr Abdullah, könnte man ja auch sagen, bisher hat sich Assad durch ein Referendum im Amt bestätigen lassen. Da ist doch jetzt eine Wahl ein Fortschritt.
    Diese Wahl ist eine Farce
    Abdullah: Ja, er hat es so genannt, eine Wahl. Aber wie gesagt, es ist ja keine Rede von einer Wahl. Das ist eine Farce, das ist eine Tragödie, es ist ein Theater auf Leichen von Syrern, was jetzt gerade passiert. Die Wahlen brauchen Voraussetzungen, die brauchen Bedingungen, die brauchen mindestens Frieden, um sie durchzuführen, und nicht in einem Land, wo mehr als die Hälfte auf der Flucht ist und der Rest lebt in einer Notsituation, ohne Sicherheit, ohne normale Lebensinfrastrukturen.
    Kaess: Jetzt sagen die Anhänger Assads, der Clan von Assad hätte das Land 44 Jahre lang stabil regiert und Syriens zu einer Führungsmacht in der Region gemacht. Hat das Regime im Moment leichtes Spiel, wenn es sagt, die Aufständischen sind diejenigen, die Syrien ins Chaos stürzen?
    Abdullah: Das Land war nie stabil unter dem diktatorischen Regime. Das sieht so stabil aus, aber innen, da kochen die Menschen in Richtung Freiheit und Demokratie, und das hat sich auch bewiesen, dass in Syrien die Menschen nicht mehr durchgehalten haben und gegen diese sogenannte Stabilität im Land unter diesem diktatorischen Regime aufgestanden sind. Tatsächlich durch Gewalt und durch Diktatorismus könnte er Menschen einschüchtern, aber von Stabilität war nicht die Rede. Momentan, was er auch macht: Die kleine Hoffnung für eine politische Lösung in Syrien wird auch ermordet von Bashar al-Assad.
    Kaess: Heißt das, dass Sie glauben, dass letztendlich jetzt doch diese Wahl so etwas wie ein Wendepunkt ist in dem Konflikt, und zwar in die Richtung, dass Assad sich mit diesen angeblich demokratischen Wahlen seine Macht weiter zementiert?
    Abdullah: Eine Wende ist es ja, aber in Richtung, dass die Reste der Legitimität, was dieses Regime hat, auch verschwinden nach dieser Wahl. Denn alle Länder in der Welt, alle freien Länder in der Welt haben ganz klar gesagt, dass diese Wahl nicht anerkannt wird, denn die internationale Gemeinschaft war sich alle einig, in Genf II eine politische Lösung für Syrien zu finden, und jetzt kommt der Kern, das Kernproblem von diesem ganzen Konflikt und kandidiert für eine zweite Amtsperiode, was überhaupt zu diesem internationalen Friedensprozess nicht passt. Deswegen ist ja auch Lakhdar Brahimi zurückgetreten, weil er auch die kleinste Hoffnung für eine politische Lösung im Land verloren hat.
    Kaess: Aber, Herr Abdullah, die Genfer Konferenz ist ja auch unter anderem ohne Ergebnisse zu Ende gegangen, weil Assad die Bedingung nicht akzeptieren und nicht erfüllen wollte, abzutreten und ins Exil zu gehen. War das eine falsche Forderung?
    Abdullah: Das war nicht eine falsche Forderung, aber das hat auch gezeigt, wer den Frieden in Syrien will und wer nicht. Das ist klar, es gab keine Ergebnisse, aber der, der dafür zuständig war, war das Regime, das während der Genfer Konferenz Fässerbomben auf die Zivilisten in Aleppo und anderen Städten geworfen hat. Während Genf sind alleine tausend Menschen in Aleppo gestorben und das zeigt, dass dieses Regime überhaupt keine Achtung vor irgendwelchen politischen Anstrebungen oder Lösungen in Syrien verantwortlich ist.
    Kaess: Aber es scheint ja so, dass weder die Opposition, noch die internationalen Bemühungen es geschafft haben, Assad zum Abtreten bewegen zu können. Wie soll es denn jetzt weitergehen?
    Abdullah: Solche diktatorischen Regime – das hat auch die Geschichte gezeigt – verzichten nicht freiwillig auf die Macht, sondern sie kämpfen bis zum Ende mit jeder Art von Gewalt und Blut. Denn Assad hat jetzt leider grenzenlose Erlaubnis für die Unterdrückung dieser Revolution und er hat auch leider von vielen Ländern die Unterstützung bekommen, um weiter so zu machen. Allerdings die internationale Gemeinschaft ist auch für das, was in Syrien jetzt gerade passiert, zuständig und versucht natürlich, was für das syrische Volk zu machen.
    Kaess: Aber, Herr Abdullah, so wie ich das jetzt interpretiere, heißt das, Sie glauben eigentlich nur an eine militärische Lösung. Heißt, die Aufständischen sollten Ihrer Meinung nach weiter kämpfen gegen das Regime von Assad?
    Abdullah: Das muss nicht unbedingt eine militärische Lösung sein. Aber eine Unterstützung in der Art, dass abgeglichen wird auf dem Boden, dass Assad tatsächlich gezwungen wird zu einer politischen Lösung. Das wäre auch ein Schritt, denn er fühlt sich sicher und sehr groß.
    Kaess: Gezwungen durch wen?
    Abdullah: Gezwungen durch die Syrer selbst. Wir kriegen leider nicht die entsprechende Unterstützung, militärisch oder sonst in Syrien, zum Beispiel mindestens humanitäre Korridore zu öffnen für die Gebiete, die in der Krise jetzt sind, ohne Erlaubnis vom Regime. Das ist leider bisher nicht passiert. Das würde uns auch groß helfen, um den Menschen dort Sicherheit zu leisten oder Hilfe zu bringen. Da kann auch die Opposition, die Interimsregierung der syrischen nationalen Koalition dort ihre Aufgaben erledigen und machen, die Hoffnungen für ein freies Syrien für die Menschen realistisch darzustellen.
    Kaess: ..., sagt Bassam Abdullah. Er ist Botschafter der syrischen Nationalen Koalition in Deutschland. Danke für dieses Interview heute Morgen.
    Abdullah: Ich danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.