Aufräumarbeiten in Aleppo. Ein Bagger schiebt den Schutt eines völlig zerstörten Hauses zur Seite, in anderen Straßen tragen die Menschen mit bloßen Händen die Steine zusammen. Ostaleppo gleicht einer Geisterstadt - die Bilder erinnern an Aufnahmen aus Berlin oder Köln 1945. Doch ganz vorsichtig kehrt das Leben zurück in die Ruinen, die Menschen versuchen, wieder neu anzufangen. Diese Frau lebt mit ihrer Familie in einer Art Verschlag in einer zerstörten Straße, teilweise geschützt von einer Zeltplane. "Wir heizen mit Holz, das wir finden. Wir bekommen humanitäre Hilfe. Sie geben uns jeden Tag Brot, so überleben wir."
Die Vereinten Nationen und internationale Hilfsorganisationen sind in Ostaleppo aktiv. Kürzlich besuchte auch der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filppo Grandi, die völlig zerstörten Stadtteile - und wirkte sichtlich betroffen: "Schauen Sie sich diese Ruinen an. Deshalb sind so viele zu Flüchtlingen geworden. Jetzt geht es darum, den Menschen hier zu helfen, die in diese Ruinen zurückkehren, sie brauchen dringend Hilfe, sie haben Hunger. Die humanitäre Hilfe muss intensiviert werden."
Auf internationaler Ebene wird außerdem bereits beraten, wie Aleppo wieder aufgebaut werden könnte. Denn die Zerstörung hier habe ein Ausmaß, das nicht zu beziffern sei, so Abdullah al-Dardari von der UN-Kommission für Wirtschaft und Soziales. "Wie will man die Zerstörung der Altstadt, des alten Bazars in Worte fassen? Es gibt keine Zahl der Welt, die diesen Verlust beziffern könnte. Unserer Schätzung zufolge sind die Zerstörungen Aleppos 15 Prozent der Gesamtzerstörung in Syrien. Meiner Meinung nach muss der Wiederaufbau Syriens mit internationaler Hilfe geschehen, denn kein Land der Welt kann das alleine schaffen."
Der Krieg geht unvermindert weiter
Gebäude könnten neu gebaut werden, Menschenleben dagegen seien für immer verloren, sagen Beobachter. Und während der Krieg in Ostaleppo schon fast wie ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichtsbücher wirkt, ist er in anderen Teilen Syriens noch lange nicht vorbei. Denn Extremisten wie die ehemalige Nusra-Front, der IS und andere islamistische Gruppierungen sind von der Waffenruhe ausgenommen - sie leisten sich weiterhin heftige Gefechte mit der syrischen Armee. Diese bombardiert die Regierungsgegner aus der Luft. Zwischen den Fronten: immer noch hunderttausende Zivilisten
Die Weißhelme, eine syrische Ersthelfergruppe in Gebieten der Aufständischen, haben gerade wieder mehrere selbstgedrehte Videos veröffentlicht. Sie erinnern an die Bilder aus Aleppo vor wenigen Monaten, nur ist der Schauplatz heute ein anderer. Wieder ein Bombenangriff, den Angaben zufolge nahe Damaskus, ein Haus liegt in Schutt und Asche. "Wo sind meine Kinder?", schreit ein bärtiger Kämpfer verzweifelt.
Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie Helfer mühsam ein kleines Mädchen ausgraben, das komplett verschüttet ist, sie graben mit bloßen Händen im Schutt, wie Archäologen legen sie behutsam die kleinen Hände und das Gesicht frei, ziehen den staubdeckten Körper aus den Trümmern. Ein Wunder, das Kind lebt.
Eine unabhängige Überprüfung dieses Bildmaterials ist schwierig. Die Weißhelme werden von den USA und europäischen Staaten mitfinanziert, sie haben den alternativen Nobelpreis erhalten. Kritiker werfen den Weißhelmen vor, islamistische Terroristen zu sein. Doch Aufnahmen wie diese sind nur einer von vielen Hinweisen, dass der Krieg an vielen Orten Syriens unvermindert weitergeht.
Und die Menschen hungern
"Dieser Konflikt ist die größte humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und es hat sich noch nicht gebessert", sagt Dina El-Kassaby vom UN-Welternährungsprogramm. "6,3 Millionen Menschen in Syrien sind Vertriebene innerhalb ihres Landes. 13,5 Millionen Menschen, also drei Viertel der Bevölkerung, brauchen immer noch humanitäre Hilfe. Diese Zahlen sprechen für sich. Und mehr als 600.000 Menschen leben in belagerten Gebieten, das heißt wir können sie nicht regelmäßig erreichen."
Sowohl die syrische Armee als auch Aufständische belagern Ortschaften und lassen die Zivilbevölkerung hungern. In einige Gebiete kommt noch hin und wieder eine Hilfslieferung, doch zehntausende Menschen sind offenbar von jeder Hilfe abgeschnitten. Angesichts dieser Lage werden die Beratungen in Genf wohl von vielen Syrern mit Skepsis betrachtet.
"Solche Treffen hätten schon vor langer Zeit eine Lösung gebracht, wenn man die Interessen des syrischen Volkes berücksichtigt hätte, sagt dieser Passant in Damaskus. Aber die Kräfte, die dort sitzen, wollen keine Lösung, sondern ihr Ziel ist die maximale Zerstörung dieses Landes.
Nur was sind die Interessen des syrischen Volkes? Frieden wollen viele, aber wie soll er aussehen? Der Krieg in Syrien - er ist Beobachtern zufolge noch lange nicht vorbei.