Freitagsgebet in Novi Pazar, der größten Stadt im Sandschak. In der Grenzregion in Südserbien leben vor allem Muslime. Etwa die Familie Kundakovic. Vater Esad betreibt eine kleine Schneiderei in der Kleinstadt. Der freundliche Mann Anfang 50 trägt einen grauen Vollbart. Er lädt uns zu sich nach Hause ein, ein paar Häuserblocks entfernt.
Esads Frau Nasija ist traditionell gekleidet, mit Kopftuch, sie ist zurückhaltend, trägt Obst und kleine Messerchen auf, serviert den Gästen Tee. An den Wänden Koransprüche, eine Gitarre hängt über einem Computer. Esad zeigt auf dem Bildschirm ein Foto seines ältesten Sohnes: Eldar, ein sympathisch wirkender junger Mann mit Bart. Eldar saß viel am Computer, erzählt sein Vater, Syrien wird zu seiner fixen Idee.
"Über YouTube konnten sie sich Massaker ansehen, Hilfeschreie, über Facebook bekamen sie Informationen, was dort passiert. Das staut sich alles im Menschen an und er kommt auf die Idee, einfach hinzugehen und zu helfen. Das ist ein Gebot für jeden Muslim, wie das A im Alphabet."
Eldar verspürt den Drang, nach Syrien zu gehen. Eine kleine Radikalen-Moschee namens Furquan im Zentrum der Kleinstadt Novi Pazar bestärkt den jungen Muslgerim in seinem Entschluss. Furquan gilt als Zentrum der Radikalen in Novi Pazar, von hier führen Spuren zur Islamistenszene in Bosnien und in Wien.
"Eines Tages gingen wir zur Arbeit in den Laden, erzählt Esad Kundakovic. Später rief Eldar an: Papa, ich bin bereits über die Grenze, macht euch keine Sorgen, sagte er: Ich gehe nach Istanbul. Von dort meldete er sich in der Nacht. Wir sollten uns keine Sorgen machen, er schaue sich nur um, besuche Moscheen. Komme bald zurück. Zwei Tage später ein neuer Anruf: Er habe sich an der Fakultät eingeschrieben. Wir sollten zu Gott beten, dass er diesem Volk von Nutzen sein könne. Da war mir alles klar."
Einen letzten Brief von Eldar hat der Vater auf dem Computer gespeichert. Ein religiöses Pamphlet, nicht sehr persönlich gehalten. Am 15. Mai 2013 stirbt Eldar, als er Kämpfer aus einem Gefängnis in Syrien befreien will. Da hat er von seinen neuen Freunden schon einen Kampfnamen bekommen: Abu Bera.
"Keine Eltern sind so verrückt, ihr Kind dort in den Krieg zu schicken. Egal, wie gläubig ich bin, oder wie sehr mir die Situation dort nahe geht. Eltern zu sein ist stärker."
Mit dem toten Sohn Eldar werben die Dschihadisten mittlerweile im Internet: Sie missbrauchen ihn als Märtyrer, um neue Dschihadisten zu rekrutieren. Das will Esad verhindern. Er will seinen jüngsten Sohn schützen. Und er hat in Novi Pazar seine Berufung gefunden: Er zieht von Moschee zu Moschee, um die Jungen zu überzeugen: Geht nicht Eldars Weg, werdet keine Dschihadisten in Syrien oder im Irak.