Zahle, Libanon, ein paar Kilometer entfernt vom Bürgerkrieg in Syrien. Bergauf kämpft sich ein Lkw Richtung syrischer Grenze; bergab, gen Beirut, dümpelt ein stinkender Abwassergraben. Am Rand der stark befahrenen Straße stehen fünfzig, sechzig - vielleicht siebzig - Unterkünfte: Zelte, Wellblechhütten und Mischungen aus beidem: Behausungen - mit Wänden und Dächern aus zusammengezimmerten Holzpaletten und geklebten Plastiktüten.
Aus allen Teilen Syriens stammen die Menschen, die auf diesem Acker untergekommen sind. Und sie zahlen für "ihre" Parzelle - je nach Größe - an den Grundbesitzer bis zu eine Million libanesischer Pfund im Jahr; umgerechnet an die 500 Euro. Das mag auf den ersten Blick nicht so viel Geld sein. Aber einen Familienvater, der sich als Tagelöhner durchschlagen muss, kann eine solche Summe in die Verzweiflung stürzen.
Ordentliche, von den Vereinten Nationen betriebene Flüchtlingslager, gibt es im Libanon nicht. Der Grund: Die libanesische Gesellschaft setzt sich aus verschiedenen Religionsgemeinschaften zusammen. Der Staat, der infolge der Zerschlagung des Osmanischen Reiches nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entstand, versucht, all diese Gemeinschaften zusammen zu halten; in einem komplizierten politischen System. Unter vielen Libanesen herrscht eine geradezu panische Angst davor, dass die syrischen Flüchtlinge bleiben und dieses Gefüge durcheinanderbringen könnten. Deshalb auch gibt es im Libanon keine offiziellen Lager für syrische Flüchtlinge, sondern - wie sie genannt werden - "nicht-dauerhafte Siedlungen". Denn aus Flüchtlingslagern, die mit Strom und Wasser versorgt werden, könnten eines Tages Städte werden, mit Menschen, die den Anspruch erheben Bürger des Landes zu sein. Das konfessionelle Gleichgewicht käme durcheinander; eine Gruppe könnte versuchen, die anderen zu dominieren.
Der Vorteil dieses Systems ist, dass die Flüchtlinge nicht das Gefühl haben, in Lagern interniert, eingesperrt zu sein. Sie können sich frei im Land bewegen und arbeiten, wenn die Behörden ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen, was in der Regel geschieht. Der Zustrom an Flüchtlingen reißt nicht ab, solange Libanon die Grenze zu Syrien offen hält. Roberta Russo, vom Libanon-Büro des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, kurz UNHCR:
"Wir haben mehr als 850.000 registrierte Flüchtlinge oder solche, die den Registrierungsprozess eingeleitet haben. Uns ist aber bewusst, dass sich längst nicht alle registrieren lassen."
Freizügige Flüchtlingspolitik im Libanon
Die Zahl der syrischen Flüchtlinge im Libanon wird zunehmend unüberschaubar. Und auch die Aktivitäten der Syrer im Land. Klar ist, dass auch immer mehr Kämpfer einsickern, die den kruden, mehr oder weniger militanten Ideen von Al-Kaida anhängen. Allen voran stehen da die Bewaffneten der Jabhat al-Nusra - und von ISIS, also der Organisation "Islamischer Staat im Irak und Groß-Syrien", womit gemeinhin Libanon, Teile Jordaniens, Palästina und eben Syrien gemeint sind. Im Libanon haben die Kämpfer dieser Organisationen ein leichtes Spiel. Zwar sind Al-Kaida und all ihre Verästelungen im Libanon verboten. Aber ihre syrischen Kämpfer können eben zwischen den Flüchtlingen abtauchen - sei es in normalen Privatwohnungen oder Häusern; sei es in den "nicht-dauerhaften Siedlungen". Die freizügige Flüchtlingspolitik des Staates macht’s möglich.
Der Grund dafür, dass die Kämpfer in den Libanon kommen: Sie ruhen sich aus vom Kampf gegen das System Baschar al-Assad. Oder sie versorgen sich mit Lebensmitteln, Bekleidung und - bisweilen auch - mit Waffen und Munition. Und manche Kämpfer kommen auch in den Libanon, um Attentate zu verüben. In den vergangenen Monaten hat die Jabhat al-Nusra ihre Gegner mehrfach angegriffen: Hauptsächlich hat es Schiiten getroffen, bei denen die libanesische Hisbollah ihre größte Anhängerschaft hat. Und das, nachdem deren Generalsekretär Hassan Nasrallah öffentlich eine Erklärung abgegeben hatte: dass Hisbollah-Milizionäre in Syrien aufseiten von Syriens Präsident Assad kämpfen.
Im Libanon gibt es zwei Lager: das für Baschar al-Assad und das gegen ihn. Ein Beispiel ist die Bevölkerung von Hermel, einer Ortschaft in den Bergen, dicht an der Grenze zu Syrien. Die Hisbollah kontrolliert Hermel; ihre Milizionäre passieren hier die Grenze nach Syrien. In Arsal hingegen, einem Ort nur wenige Kilometer von Hermel entfernt, wohnen überwiegend sunnitische Einwohner. Daher gilt Arsal als sicherer Übergang für nahezu alle Untergrundkämpfer des Anti-Assad-Lagers.
Die regulären Sicherheitskräfte halten sich heraus, wenn Kämpfer beider Lager nach Gutdünken zwischen Libanon und Syrien pendeln; weder Armee noch Polizei machen auch nur den Versuch, sie zu verhaften. Entweder sind die Kämpfer besser bewaffnet oder die Sicherheitskräfte kommen nicht an sie heran, weil beispielsweise die Bürgermeister von Hermel oder Arsal ihre schützenden Hände über sie halten. Im Libanon greifen staatliche Strukturen schon lange nicht mehr, wie sie es sollten. Dafür sind in den vergangenen Jahren Zugehörigkeiten zu Familien und Religionsgemeinschaften immer wichtiger geworden. Der Krieg in Syrien macht es nur offensichtlich: Der Staat Libanon leidet unter Entstaatlichung - und die wiederum ist der Humus, in dem Al-Kaida vortrefflich gedeiht.
Dieser Mann, der aus Aleppo in den Libanon geflohen ist, berichtet, wer gegen wen in seiner Heimatstadt kämpft: alle gegen alle. Damit wird einmal mehr klar, dass die Entstaatlichung Syriens längst weiter fortgeschritten ist als im Libanon. In Syrien gibt es kaum mehr staatliche Ordnung oder staatliche Ordnungskräfte.
Entstaatlichung Syriens schreitet fort
Fast täglich gründen Untergrundkämpfer in Syrien neue Brigaden. Dabei nimmt die Zahl derer, die als eher liberal oder säkular bezeichnet werden, ab. Dafür gibt es immer mehr selbsterklärte Gotteskrieger. Die Gründungserklärungen gleichen dem, was von Al-Kaida bekannt ist - ob sie von der Führung dieses Terrornetzwerkes anerkannt sind oder nicht; ob sie von Saudi-Arabien unterstützt werden oder von Qatar oder der Türkei. Sie kämpfen für ein krudes Islam-Bild und gegen die regulären Einheiten und Milizen Assads. Je länger dieser Krieg in Syrien dauert und je weiter damit die Entstaatlichung Syriens fortschreitet, desto mehr Militante aller Art werden angezogen, wie Motten in der Nacht vom Licht. Der Direktor der US-Geheimdienste, James Clapper, sagte unlängst in einer Anhörung im Senat:
"Etwa 1600 verschiedene Gruppen sind in Syrien aktiv - insgesamt - schätzen wir - 75.000 bis 110.000 Kämpfer. Davon halten wir 26.000 für Extremisten. Mehr als 7000 sind aus 50 Ländern nach Syrien gekommen. Viele von ihnen aus Europa und anderen Ländern des Nahen Osten."
Eine eher optimistische Einschätzung. Pessimisten gehen von höheren Zahlen aus: Spezialisten von IHS Jane’s, einer britischen Forschungseinrichtung, kamen vergangenen September zu dem Schluss, 40.000 bis 45.000 Kämpfer in Syrien seien militante Islamisten. Klar ist, dass militante Islamisten mittlerweile ganze Dörfer und Städte unter ihre Kontrolle gebracht haben. Der Bevölkerung zwingen sie ihre Interpretation des islamischen Rechts auf. An der Grenze zum Irak beherrschen sie Öl- und Gasfelder - und handeln mit den Rohstoffen; schöpfen Gewinne ab. Auf der anderen Seite der syrischen Grenze, im Irak, sieht es kaum anders aus, wie Sayf weiß, ein 28jähriger Streifenpolizist aus Ramadi, der ins irakisch-kurdische Erbil geflohen ist:
"Silvester 2013 war es, in dieser Zeit. Sie kamen mit modernen Autos und modernen Waffen aus der Wüste, einer Region, die ihnen gehört. Sie waren viel stärker als die Armee, stärker als die Waffen der Armee."
Sie, das sind die Kämpfer von ISIS. Sie nahmen Ende 2013 nach heftigen Schießereien mit regulären irakischen Einheiten Falludscha und Ramadi ein, die zwei wichtigsten Städte von Anbar. Die irakische Provinz grenzt im Norden an Syrien und im Süden an Bagdad: Die Auseinandersetzungen trieben fast eine halbe Million Menschen in die Flucht. Bisher. Denn: Die Kämpfe zwischen ISIS und der irakischen Armee halten noch an. In der Provinz Anbar greift eine Entstaatlichung. Dabei ist ein Teil der irakischen Probleme offenbar Haus gemacht - und das, wie so oft bei derlei Vorgängen, auf Kosten der so genannten "normalen Menschen. So sagt Sayf:
"An allem ist Maliki Schuld, der Regierungschef in Bagdad. Er ist am Terrorismus Schuld - er zerstört den Irak. Er ist an dem tiefen Graben zwischen Sunniten und Schiiten schuld."
Die Sunniten - sie stellen eine muslimische Glaubensgemeinschaft im Irak - und sind in der Minderheit. Zu ihnen zählte der 2003 von den Amerikanern gestürzte Diktator Saddam Hussein. Aber auch die Bewohner von Ramadi und Falludscha sind überwiegend Sunniten. Die Bevölkerungsmehrheit stellen die Angehörigen einer anderen muslimischen Glaubensgemeinschaft: die Schiiten. Regierungschef Nuri al-Maliki ist einer von ihnen. Die Sunniten nun werfen den Schiiten vor, die ließen sie nicht am politischen Leben des Irak teilhaben; eben weil sie - wie Diktator Saddam Hussein - Sunniten sind. Lehrer Hamzi, der aus Falludscha nach Irakisch-Kurdistan geflohen ist, fasst es so zusammen: "Die Schiiten sagen, Ihr Sunniten seid Verwandte Saddams."
Maliki kaum besser als Saddam?
Tatsächlich kanzelt Maliki die Sunniten ab. Nach den Parlamentswahlen 2009 sagte er ihnen eine Beteiligung an der Regierung zu, brach sein Versprechen jedoch. Heute ist Maliki nicht nur Regierungschef, sondern gleichzeitig Innen- und Verteidigungsminister, Geheimdienstchef und Oberbefehlshaber der irakischen Streitkräfte. Entsprechend säßen in den irakischen Gefängnissen mehr Sunniten als Schiiten - so Malikis Kritiker.
Damit sei Maliki kaum besser als Saddam. Ein Diktator. Das hat nach dem Abzug der Amerikaner Ende 2011 Proteste unter seinen sunnitischen Gegnern hervorgerufen; Al-Kaida brachte es Sympathisanten. Nach ein paar Jahren relativer Ruhe im Irak stieg die Zahl der Anschläge wieder; und zum Jahreswechsel 2013/2014 nahmen die militanten Islamisten des Al-Kaida-Ablegers Islamischer Staat im Irak und Groß-Syrien Ramadi und Falludscha ein - womit sie viele Menschen in die Flucht trieben.
Zahle im Libanon, mehrere Teile Syriens und die irakische Provinz Anbar - wer auf der Landkarte eine Linie zieht, wird feststellen, dass von den Stadttoren Beiruts bis nach Bagdad Gruppen vom Schlage Al-Kaidas zu einer echten Größe geworden sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass sie sich zwischenzeitlich gegeneinander wenden - und dann wieder verschmelzen. In manchen Regionen haben die militanten Islamisten gar die jeweilige Staatsgewalt abgelöst und die Macht übernommen - mit eigener Rechtsprechung, Verwaltung und Kontrolle der Ressourcen. Sie stützen sich auf Strukturen, die viele Jahrtausende alt sind und die Gründung der modernen Nationalstaaten Libanon, Syrien und Irak überdauert haben: Stammes-Verbindungen; Familien-Banden, die ihren Angehörigen Sicherheit bieten im Falle von Krankheit, Hunger, Arbeitslosigkeit, Alter. In einem Landstrich des Irak wird das besonders deutlich - in Ninive.
Die Fahrt führt über kleine Seitenwege; die Hauptstraße von Erbil nach Mossul - der Provinzhauptstadt von Ninive - wäre zu gefährlich. Ninive grenzt an Irakisch-Kurdistan, aber auch an Anbar und Syrien - und Ninive ist ebenfalls ein Hort von Al-Kaida-Kämpfern. Zwar beherrschen sie nicht Mossul - wie Falludscha und Ramadi -, aber sie haben Mossul unterwandert; nutzen die Stadt und die vielen umliegenden Dörfer als Drehscheibe von Syrien in den Irak und zurück. Das ist seit mehr als zehn Jahren so, seit dem Einmarsch der US-Amerikaner im Irak; seit Syriens Präsident Baschar al-Assad militante syrische Islamisten aus den Gefängnissen entließ und sie zusammen mit Islamisten anderer Länder in den Irak schleuste. Assad wollte damit die US-Besatzer im Irak unter Druck bringen.
Dass der Großraum Mossul als Drehscheibe fungiert - so berichten Mitarbeiter von Geheimdiensten in der Region - liege daran, dass viele derer, die in Syrien kämpfen, Verwandte hier, in der irakischen Provinz Ninive haben. Fast alle Grenzen im Nahen Osten sind künstlich - vereinbart im Sykes-Picot-Abkommen. Der britische Politiker Mark Sykes und der französische Diplomat Francois-Georges Picot arbeiteten es aus. Während des Ersten Weltkrieges. Für die Zeit nach dessen Ende teilten sie das zerfallende Osmanische Reich auf. Mit dem Lineal zogen sie die Grenzen der heutigen Staaten im Nahen Osten und sie nahmen dabei auf keine Familien-Bindungen Rücksicht. Deshalb leben bis heute Stämme - Großfamilien - verteilt auf die Länder von Libanon, über Syrien bis in den Irak, ja bis nach Saudi-Arabien.
Stammesbindungen stärker als Ländergrenzen
Die Bindungen rissen jedoch nie ab - und sie kommen vor allem immer dann zum Tragen, wenn die Institutionen des jeweiligen Staates nicht mehr funktionieren: Im Libanon wurde während des Bürgerkrieges ab Mitte der 70er-Jahre so viel zerstört, dass die Menschen automatisch auf ihre jeweiligen Konfessionsgruppen zurückgeworfen wurden. Im Irak setzte der Zerfall des Staates nach dem Krieg um Kuwait ein, also 1991. Die Vereinten Nationen verhängten Sanktionen, die die staatlichen Strukturen im Laufe der Jahre zunehmend schwächten. Nach dem Sturz Saddam Husseins, 2003, gab es den Versuch neue Strukturen zu schaffen. Aber: Die waren so schwach, dass die Stämme stark blieben; wichtiger als der Staat. Und in Syrien begann der Niedergang des Staates spätestens mit Beginn des Krieges zwischen Assad und seinen Getreuen sowie den Untergrundkämpfern. Wie stark die überkommenen Bindungen sind, die heute vielleicht mehr denn je wirken, beschreibt der Gouverneur im irakischen Mossul, Atheer al-Nujaifi:
"Wir müssen die Leute in Syrien unterstützen. Die Regierung dort tötet Menschen. Und das können wir nicht akzeptieren. Ein Teil meines Stammes lebt dort, in Syrien. Ich kenne die Leute. Und manchmal sehe ich im Fernsehen, wie einige von ihnen da umgebracht werden. Wie sollten wir das akzeptieren können."
Praktisch bedeuten solche Bindungen: Sucht ein Al-Kaida-Kämpfer aus Syrien bei einem Cousin in Mossul Hilfe, so wird er die erhalten. Der Cousin mag sich damit gegen das staatliche Gesetz stellen, aber er folgt dem Stammesrecht. Und so verhält es sich bei allen Großfamilien zwischen Bagdad und Beirut. Ein familiäres Netzwerk, das Al-Kaida gelegen kommt: Sie und ihre Zweige folgen selbst einer transnationalen, islamistischen Ideologie. Ziel ist die Bildung eines religiösen Staates, in der die Gemeinschaft der Gläubigen, die Umma, zusammenkommt.
Dazu müssen die bestehenden Nationalstaaten überwunden werden. Je schwächer diese Staaten werden, desto stärker werden die Al-Kaida-Gruppen. Wobei die Staaten immer schwächer werden in dem Maße, in dem die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien weiter steigt. 2,4 Millionen sind in den Ländern, die an Syrien grenzen, von den Vereinten Nationen registriert. Libanon, der Irak, Jordanien und die Türkei leiden unter dem größten Flüchtlingszustrom seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Nachbarn, allen voran der winzige Libanon, drohen zusammenzubrechen.
Im Libanon ist mittlerweile jeder vierte Mensch auf der Straße Syrer. Hochgerechnet würde das bedeuten, dass in Deutschland 20 Millionen Flüchtlinge wären - Flüchtlinge, die aus deutschen Haushalten ernährt werden müssten, die ein Dach über dem Kopf bräuchten, die ihre Kinder zur Schule schicken wollten. Das Flüchtlingsdrama ist für die Regierungen der Gastländer eine existenzielle Gefahr. Und je länger diese Krise währt, desto größer wird diese Gefahr für die gesamte Region. Denn die Flüchtlingslager werden weiter anschwellen.
Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel Afghanistan: Mit dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan, 1979, flohen Hunderttausende, ja, Millionen Afghanen zum Beispiel nach Pakistan. Ins Elend. So konnten sich in den Flüchtlingslagern die Taliban herausbilden, die eines Tages in ihre Heimat zurückkehrten und eine Terrorherrschaft errichteten. Gleichzeitig hatten sie längst eigene Strukturen in Pakistan aufgebaut, die das Land bis heute destabilisierten.
Und genau eine solche Entwicklung droht auch dem Nahen Osten. Die traditionellen, grenzüberschreitenden Stammesstrukturen der Region paaren sich mit der grenzüberschreitenden Ideologie von Al-Kaida. Je mehr Menschen aus Syrien fliehen, desto größer wird die Gefahr, dass die umliegenden Länder talibanisiert, zu Brutstätten für Terroristen werden. Unlängst berichteten die Vereinten Nationen, dass in Flüchtlingslagern Kinderkämpfer rekrutiert werden. Hundert Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges und der damit einhergehenden Ziehung der nationalstaatlichen Grenzen im Nahen Osten sind diese Grenzen durchlässiger geworden. Die Demarkationen, die Sykes und Picot vor gut hundert Jahren zeichneten, verblassen. Durch die Entstaatlichung Libanons, Syriens und des Irak und durch Stärkung militanter islamistischer Gruppen. Das bedroht als erstes den engsten Verbündeten des Westens in der Region: Israel. Weil die Al-Kaida-Lager Israel niemals so nahe waren wie heute - und das, da die Befreiung der Heiligen Städten und die Vertreibung der "Kreuzzügler" und der Zionisten Kernbestandteil der Ideologie von Al-Kaida sind. In einem zweiten Schritt bedroht diese Entwicklung aber auch uns. Europa.