Ann-Kathrin Büüsker: Viel telefoniert wurde in den letzten Tagen zwischen den USA und Russland, zwischen den USA und Deutschland, zwischen verschiedenen europäischen Staaten. Viele der Außen- und Verteidigungsminister hatten tüchtig Redebedarf nach dem Angriff der USA auf einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien. Das Thema wird auch das G7-Außenministertreffen im italienischen Lucca dominieren. Dort wird die außenpolitische Strategie der USA im Mittelpunkt stehen. Aber ist die jetzt tatsächlich anders nach diesem Angriff? Über diese Entwicklungen will ich jetzt mit John Kornblum sprechen. Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland ist am Telefon. Guten Morgen, Herr Kornblum.
John Kornblum: Guten Morgen.
Büüsker: Herr Kornblum, das was Trump da gerade tut, gerade mit Blick auf Syrien, ist das eine Strategie, oder ist das Handeln aus dem Bauch heraus?
Kornblum: Ich würde sagen, es ist weder noch. Es war bestimmt sehr wohl überlegt. Man hat jetzt in den Zeitungen gelesen über die Debatten, die es in der Administration gab. Es war nicht aus dem Bauch sozusagen. Aber ein Vorbote für eine neue Strategie ist es nicht. Es ist eher eine kurzfristige Reaktion auf einen Zustand, der wirklich sehr schwierig war. Ich persönlich meine, es war auch die richtige Reaktion. Aber es ist keine Strategie.
"USA sind und bleiben das Fundament der Weltordnung"
Büüsker: Ist denn mit weiteren Interventionen in Syrien zu rechnen aus Ihrer Sicht?
Kornblum: Das kann man nicht wissen. Ich würde sagen, und Trump hat selber gesagt, es ist nicht ausgeschlossen. Aber ich persönlich erwarte es nicht in nächster Zeit. Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten, Russland zu konsultieren, auch auf der Ebene der Außenminister, und ich nehme an, dass das zuerst stattfinden wird, bis man hier andere Aktionen überlegt.
Büüsker: Also sind die USA eigentlich gerade für andere Staaten kein wirklich verlässlicher Partner.
Kornblum: Na ja, das ist immer ein Ausdruck, den man benutzt. Wann und wo ist jemand ein verlässlicher Partner? Alle Staaten sind auch mal kurzfristig unterwegs. Ich würde sagen, die Vereinigten Staaten sind seit 70 Jahren fast der verlässlichste Partner auf der Welt und wir werden auch so bleiben. Aber es hat mehrere Zeitpunkte gegeben, wo eine Administration irgendwie kurzfristig oder unüberlegt gehandelt hat, und dann hat man ein bisschen Zweifel gehabt. Aber die Vereinigten Staaten sind und bleiben das Fundament der Weltordnung.
Ex-General McMaster baut den Nationalen Sicherheitsrat um
Büüsker: Aber im Moment kann ja offensichtlich keiner so richtig garantieren, dass die USA bei einer Linie bleiben, was gerade im Verhältnis zu Russland durchaus eine gewisse Gefahr birgt, oder?
Kornblum: Ja, natürlich. Trump wird auch dafür kritisiert und seine große Aufgabe ist es jetzt, eine etwas klarere Linie zu haben, und das haben wir noch nicht gesehen.
Büüsker: Er hat jetzt ja seinen Beraterstab umstrukturiert. Am Mittwoch ist Stephen Bannon aus dem Nationalen Sicherheitsrat ausgeschieden. McMaster, der ehemalige General, scheint dort großen Einfluss gewonnen zu haben. Kann das eine Konstante in der Außenpolitik sein?
Kornblum: Ja. Ich meine, diese Änderung würde ich nicht überbewerten. Bannon hatte eigentlich keine direkte Rolle in dem Sicherheitsrat. Das war eher ein Zeichen, dass Trump ihn für einen wichtigen Berater gehalten hat. Jetzt ist er nicht mehr da; wollen wir sehen, ob er noch ein wichtiger Berater ist oder nicht. Aber wichtig ist, dass McMaster erstens sehr erfahren ist und eine sehr, sehr gute Reputation hat, und er scheint jetzt zu versuchen, ein bisschen Ordnung in den Laden zu bringen, und das kann man nur begrüßen.
Handeln auf der Basis von Realitäten
Büüsker: Und trotzdem steht Trump auch im eigenen Lager bei den Republikanern in der Kritik, weil er den Kongress nicht gefragt hat, bevor er diesen Angriff befohlen hat. Warum hat er das nicht getan?
Kornblum: Ja das tun Präsidenten so gut wie nie. Das ist eine weit herkömmliche Tradition, wenn man kurzfristig was militärisch macht. Man macht das und man erklärt es nachher. Aber es gibt eine andere interessante Entwicklung, und das ist: Ein nicht unwichtiger Teil von Trumps Unterstützern, seine Basis, wie er das nennt, sind stark gegen diesen Angriff, weil sie sind hundertprozentig isolationistisch und sie meinen, dass Trump versprochen hatte, nie wieder irgendwas so zu machen. Jetzt hat er das gemacht und sie meinen, er hat auch seine Prinzipien ausverkauft.
Büüsker: Also ist Donald Trump eigentlich gar kein richtiger Isolationist?
Kornblum: Das kann man nicht sagen. Ein Präsident, jeder Präsident, der reinkommt, meint, dass er irgendwie eine Linie hat. Jetzt bei Trump hat es gerade vier Monate gedauert. In den ersten sechs Monaten bei den meisten Präsidenten entdecken sie die Realität und dann müssen sie handeln auf der Basis von Gegebenheiten und kurzfristigen Interessen, und dann sehen sie, dass ihre wunderbar ausgedachte Strategie eigentlich geändert werden muss.
Handlungsbereitschaft trotz isolationistischer Sicht
Kornblum: Verschiedene Experten haben einen Zusammenhang zwischen dem Schlag gegen Syrien und der Nordkorea-Politik von Donald Trump hergestellt. War dieser Schlag gegen Syrien auch ein Warnzeichen gegen Pjöngjang?
Kornblum: Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es, dass es das war. Ich hoffe, dass die Nordkoreaner sehr genau zugeschaut haben und gesehen haben, dass Trump trotz seiner isolationistischen Richtung, die er gehabt hat, dass er auch bereit ist zu handeln. Weil die große Krise, die uns jetzt bevorsteht, ist nicht Syrien, so schlimm und so tragisch wie das ist, sondern die Krise mit Nordkorea, das richtige ballistische Waffen hat und ratlos genug zu sein scheint, dass sie die vielleicht mal abschießen würden.
Büüsker: Aber das Resultat dessen ist, dass Kim Jong-Un sich jetzt in seiner Aufrüstungspolitik bestätigt sieht.
Kornblum: Nordkorea meinen Sie?
Büüsker: Genau.
Kornblum: Ja! Aber das ist natürlich der Fall, weil die Welt und vor allem die Chinesen – und ich kann mir vorstellen, Sie könnten auch fragen, ob dieser Schlag gegen Syrien auch perfekt getimt war sozusagen mit dem Besuch des chinesischen Präsidenten in den USA, weil die Kritik an China jetzt (und die kommt nicht nur aus Amerika, sondern auch aus Europa) ist, dass China das einzige Land ist, das richtig Einfluss hat in Nordkorea, und sie benutzen es nicht. Und ich bin sicher, dass das auch ein großes Thema bei den Gesprächen zwischen Trump und dem chinesischen Präsidenten war.
Nordkorea existiert aufgrund der Machtbilanz
Büüsker: Herr Kornblum, unser ARD-Korrespondent Jürgen Hanefeld, der hat uns in dieser Sendung erläutert, dass es Nordkorea gar nicht in erster Linie um Aggression gehe, sondern eher darum, Sicherheit für die eigene Nation herzustellen. Vor diesem Hintergrund: Ist es dann nicht ein falsches Zeichen der USA, auf Aggression zu setzen?
Kornblum: Na ja, ich weiß nicht, wie Herr Hanefeld auf diesen Schluss kommt, ehrlich gesagt. Nordkorea ist eine Außenseiternation. Niemand unterstützt Nordkorea. Das System ist womöglich das schlimmste auf der Welt. Und natürlich lebt Nordkorea in der Unsicherheit, weil es weiß nie, ob oder wann ein anderer Staat sagen würde, genug mit Nordkorea. Anders herum: Es gibt so eine Machtbilanz da und deshalb existiert Nordkorea überhaupt. Aber zu sagen, dass das nur Waffen sind für die normale Landesverteidigung, das ist wirklich, muss ich ehrlich sagen, ein bisschen weit hergeholt.
Büüsker: So die Einschätzung von John Kornblum, ehemaliger Botschafter der USA in Deutschland. Herr Kornblum, vielen Dank für das Gespräch heute Morgen im Deutschlandfunk.
Kornblum: Ich bedanke mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.