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Syriens Zukunft als Symphonie

Unter den vielen Schreckensmeldungen aus Syrien ragte sein Schicksal als besonders verstörend heraus: Der regimekritische Volkssänger Ibrahim Qashoush wurde im Sommer 2011 grausam ermordet. Nun hat ihm der US-Exilsyrer Malek Jandali ein musikalisches Denkmal gesetzt.

Von Martina Sabra |
    Seit dem Beginn des Volksaufstandes in Syrien 2011 haben eine Reihe syrische Literaturschaffende und bildende Künstler öffentlich Stellung gegen das Assad-Regime bezogen, und dafür teilweise Leib und Leben riskiert. Die syrischen Musiker, die traditionell ein hohes Ansehen genießen und die teilweise auch im westlichen Ausland sehr erfolgreich sind, hielten sich jedoch auffallend zurück. Eine Ausnahme ist Malek Jandali. Der 39 Jahre alte Pianist und Komponist stammt aus Homs und lebt gegenwärtig in den USA. Jandali schrieb gleich zu Beginn des Aufstandes ein Lied über die Freiheit.

    "In dem Lied sage ich unter anderem: Ich bin eins mit meinem Vaterland. Die Liebe zur Heimat brennt in meinem Innersten. Wann kommt der Tag der Freiheit? Das Lied habe ich am Tag der syrischen Unabhängigkeit veröffentlicht, am 14. April."

    Die Reaktion des syrischen Regimes ließ nicht lange auf sich warten. Malek Jandalis Eltern lebten im Frühjahr 2011 noch in der Wohnung der Familie in Homs. Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Freiheitsliedes erhielten sie ungebetenen Besuch. Der Vater, ein in Deutschland ausgebildeter Arzt, 75 Jahre alt und die Mutter, eine ehemalige Dozentin für Naturwissenschaften, weit über 60, wurden in ihrer eigenen Wohnung von einem Schlägertrupp beide schwer misshandelt. Schergen des Regimes schlugen der Mutter von Malek Jandali die Zähne aus und zertrümmerten das Mobiliar.

    "Die Schläger sperrten meine Eltern im Badezimmer ein, mit den Worten: Das ist die Lektion, weil Ihr euren Sohn nicht richtig erzogen habt. Es ist ein Verbrechen. Dennoch finde ich es schwierig, darüber zu sprechen – denn es scheint mir so gering, im Vergleich zu dem, was viele Syrer ertragen müssen."

    Malek Jandali gelang es, seine verletzten Eltern aus dem umkämpften Homs herauszuholen und sie in Sicherheit zu bringen. Die meisten Syrer waren dem Terror des Regimes jedoch schutzlos ausgeliefert. Im Juli 2011 kam ein friedlicher Regimegegner auf besonders grausame Weise ums Leben. Der Volkssänger Ibrahim Al Qashoush, der mit seinen Liedern zahlreiche Demonstrationen angefeuert hatte, wurde in der Stadt Hama in den Orontes-Fluss geworfen. Zuvor hatten die Mörder ihm die Kehle durchgeschnitten und seine Stimmbänder herausgeschnitten. Ein Schock.

    "Qashoush ist ein authentisches Symbol der friedlichen syrischen Revolution. Er war von Beruf Feuerwehrmann, aber ein echter Künstler. So wie viele andere Syrer hatte er durch die Revolution seine Selbstachtung wiedergewonnen."

    Ibrahim Qashoush hatte die Menge mit einer einfachen Botschaft angefeuert: "Tritt zurück, Diktator". Malek Jandali nahm die Liedzeile als Basis für eine symphonische Komposition. Die Qashoush-Symphonie für Orchester und Klavier.

    "Er wollte, dass die Angst nicht mehr alles beherrscht und er hat dafür sein Leben geopfert. Ich hätte nicht den Mut gehabt, mich hinzustellen wie er, und zu rufen: Hau ab, Menschenschlächter. Als ein syrischer Künstler, der in Freiheit leben darf, fühlte ich mich in der Pflicht. Ich wollte ihm ein musikalisches Denkmal setzen, damit er in der Erinnerung weiterlebt."

    Seit dem Mord an Ibrahim Qashoush ist fast ein Jahr vergangen. Die Syrer protestieren noch immer und das Assadregime ist noch immer an der Macht. Skepsis macht sich breit: Ist es wirklich gut, wenn das Assad-Regime fällt? Drohen möglicherweise Chaos oder gar eine islamistische Diktatur? Auch Malek Jandali ist beunruhigt. Doch für ihn ist klar: ein Zurück gibt es nicht mehr. Das Assad-Regime ist verantwortlich für die Gewalt.

    "Als Menschen können wir zu den Verbrechen in Syrien nicht schweigen. Ich habe keine Angst vor der Zukunft. Unser größtes Problem ist jetzt dieses Regime."

    Malek Jandali glaubt an die Freiheitsliebe der Syrer und er traut seinen Landsleuten zu, eine pluralistische, demokratische politische Ordnung zu errichten. Das Syrien der Zukunft stellt er sich als eine Symphonie vor. Mit verschiedenen Stimmen und Instrumenten für ein gemeinsames Ziel: die Freiheit.