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Syrisch-orthodoxe und Katholiken
Christen in Leipzig entdecken sich

Katholiken sind in Leipzig mit 4,3 Prozent eine Minderheit. Und doch haben sie einen spektakulären Neubau: die Propsteikirche im Zentrum der Stadt. Was kaum einer weiß, die neue Propsteikirche ist nicht nur Heimat für Leipziger Katholiken, sondern auch für die noch junge syrisch-orthodoxe Gemeinde in Leipzig.

Von Astrid Pietrus |
    Der Priester aus Berlin Pfarrer Numan Güney leitet den syrisch-orthodoxen Gottesdienst in der Leipziger Propsteikirche
    Syrisch-Orthodoxer Gottesdienst in der Leipziger Propsteikirche (Deutschlandradio/Astrid Pietrus)
    Die Leipziger Propsteigemeinde war nach dem Zweiten Weltkrieg selbst fast 40 Jahre lang ohne eigene Kirche und auf die Gastfreundschaft evangelischer Christen angewiesen. Eine Biographie, die prägt. Daher war es für den Pfarrer der Propsteigemeinde, Gregor Giele, selbstverständlich, die neue Kirche für die syrisch-orthodoxe Gemeinde zu öffnen.
    "Das weitet ja auch noch mal den Horizont. Man weiß um eine Weltkirche, man weiß, dass überall auf der Welt Christen leben. Wenn man das aber so konkret erlebt, auch mit ihrem eigenen Ritus, dann ist das schon sehr interessant und spannend. Und ich freue mich sehr, dass zahlreiche persönliche und private Kontakte inzwischen entstehen."
    In Deutschland leben rund 100.000 syrisch-orthodoxe Christen. Wie viele es in Leipzig sind, weiß niemand genau. Zum monatlichen Gottesdienst kommen bis zu 150 Menschen, viele reisen aus dem Umland an. Der Priester kommt zum Gottesdienst aus Berlin. Die Leipziger Gemeinde ist noch jung und nicht allen bekannt, die Geschichte der syrisch-orthodoxen Christen aber reicht weit zurück.
    "Die syrisch-orthodoxe Kirche ist ja wirklich eine aus der Gründungszeit der christlichen Kirche und sie hält ja diese Tradition aus alter Zeit im Ritus und in der Sprache fest – und das ist schon eine Erinnerung an die eigene Geschichte. Und sie feiern die Gottesdienste in Aramäisch, also wir haben die Chance einmal akustisch zu hören, wie Jesus selbst gesprochen hat."
    Liturgie auf Aramäisch
    Die meisten Männer sitzen links, die Frauen rechts. Alle haben sich für den Gottesdienst festlich angezogen. Die Frauen tragen Kopftücher aus Spitze, für weibliche Gäste liegen am Eingang Tücher aus. Rund 15 Diakone in Gewändern assistieren dem Priester, darunter auch kleine Jungen und Jugendliche. Einige singen, andere halten Kerzen, Schellenkränze oder Weihrauchfass.
    syrisch-orthodox Gottesdienst  in der Propsteikirche Leipzig - Erzbischof Mor Philoxenus Mattias Nayis bei seinem ersten Besuch und Segnung der Leipziger Propsteikirche
    Syrisch-orthodoxer Gottesdienst in der Propsteikirche Leipzig: Erzbischof Mor Philoxenus Mattias Nayis (Deutschlandradio/Astrid Pietrus)
    "Wenn ich in Aramäisch mit meinen Melodien singen kann, die sind einfach in mir drinne. Man betet mit, man hat so richtig tiefe Empfinden."
    Saliba Toutounji ist der Vorstand der Gemeinde. Aramäisch pflegt er wie die meisten Mitglieder nur im Gottesdienst, sprechen und lesen kann er es nicht. Fast alle stammen aus Syrien oder dem Irak. Die Texte der Gebete und Lieder sind daher in drei verschiedenen Schriften an die Wand projiziert: in Aramäisch und in arabischer und lateinischer Lautschrift. Darunter: eine arabische und deutsche Übersetzung.
    "Wenn wir alles nur Arabisch machen oder andere Sprache, dann haben wir auch unsere Wurzel verloren. Es wird aber immer so versucht, die Sprache zu pflegen und weiterzugeben auch für die Kinder. Sonst stirbt die Sprache oder bleibt nur an Universität."
    Katholiken in syrisch-orthodoxen Gottesdiensten
    Nur wenige Teile des Gottesdienstes sind auf Arabisch, etwa die Predigt. Dann werden Headsets an die deutschen Besucher verteilt, und ein Gemeindemitglied übersetzt die Predigt ins Deutsche. Ein Aufwand, der dem Syrer Naheer Jakob vom Gemeindevorstand wichtig ist. Auch: dass die deutschen Besucher nach dem gut zweistündigen Gottesdienst zum gemeinsamen Essen und Gesprächen eingeladen werden.
    "Wir sind eine sehr offene Kirche und möchten auch sehr gerne unseren Gästen von unserer Kirche etwas zeigen. Und deswegen ist es uns auch sehr wichtig, dass sie sich nicht einsam fühlen oder beziehungsweise sich langweilen. Und deswegen legen wir sehr großen Wert darauf, dass die Gäste auch unseren Gottesdienst praktisch auf Deutsch verfolgen können."
    Andrea Blaschke gehört zur katholischen Propsteigemeinde und besucht seit längerem regelmäßig auch den syrisch-orthodoxen Gottesdienst. Am Anfang gab es noch keine Übersetzungen. Die fremde Sprache war für sie dennoch kein Hindernis, nicht zuletzt wegen der vielen sinnlichen Elemente wie Gesang und Weihrauch.
    "Ich habe gemerkt, es geht auch gar nicht so darum, mit dem Verstand das alles zu erfassen und zu durchdringen, sondern ich hab mich da einfach mal drauf eingelassen und das ist für mich eine völlig andere Art zu beten."
    Syrisch-orthodoxe Christen in katholischen Gemeinden
    Den syrisch-orthodoxen Christen sind auch die deutschen Kirchen ein Stück Heimat geworden. An den Sonntagen, an denen kein syrisch-orthodoxer Gottesdienst ist, besuchen sie deutsche Gemeinden. Die meisten gehen in katholische Kirchen. Barrieren gibt es nicht. Propst Gregor Giele.
    "Mit der syrisch-orthodoxen Kirche gibt es da eine Vereinbarung, dass der gegenseitige Kommunionempfang möglich ist. Das macht es sehr viel leichter."
    Was allerdings schwierig ist: Beten in einer Fremdsprache, vor allem für diejenigen, die noch wenig Deutsch verstehen. Nun liegen die Lesungen auch auf Arabisch aus, ein Mitglied der syrisch-orthodoxen Gemeinde mailt sie dem Propst jede Woche zu. Taiseer Al-Bashiqi gehört zu der großen Mehrheit der Gemeinde, die schon seit einigen Jahren in Deutschland lebt und gut Deutsch spricht. Auch sie geht meist in katholische Messen.
    "Wenn man in seiner Muttersprache Gottesdienst hört, das ist auch ganz anders. Man fühlt alles mit, weil auch im Irak und Syrien sind wir immer in die Kirche gegangen, jeden Sonntag. Und hier haben wir das nochmal erlebt, dieses Gefühl in die Kirche zu gehen, unsere Kirche nicht verlassen, obwohl wir in Deutschland sind, ganz andere Land sind."
    Naheer Jakob lebt seit 12 Jahren in Deutschland. In seiner Heimatstadt in Syrien gab es gar keine Kirche, Religion fand in der Familie statt. Hier kann er nun jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen – in zwei Gemeinden. Er lebt das, was als Ökumene bezeichnet wird.
    "Ich bin syrisch-orthodoxer Christ, ich bin aber geneigt Gemeinsamkeiten zwischen Kirchen zu finden, weil diese Einigkeit zwischen den Kirchen – es liegt mir sehr am Herzen. Ich kann ja trotzdem zu meiner Kirche gehören und trotzdem offen sein für andere Kirchen und sagen: wollt ihr von uns was lernen, genauso wie wir von euch auch lernen. Ich glaube, dieser Austausch muss klar gemacht werden zwischen den Kirchen."