Die Nähmaschine summt in der kleinen Möbelschreinerei von Mazen in einem Istanbuler Arbeiterviertel. Ein Angestellter näht an einem Saum für einen beige-farbenen Sofabezug. Er finde nichts dabei, für einen syrischen Chef zu arbeiten, berichtet der türkische Angestellte:
"Das ist natürlich nicht alltäglich, aber mir macht es nichts aus. Hauptsache er ist Muslim - das ist alles, was für mich zählt."
"Das ist natürlich nicht alltäglich, aber mir macht es nichts aus. Hauptsache er ist Muslim - das ist alles, was für mich zählt."
Mazen selbst ist damit beschäftigt, einen Bezug auf einen Holzrahmen zu tackern. Seine zehnjährige Tochter Maria wandert ziellos in dem Ladenlokal umher. Ihr bleibt in den Schulferien nichts anders übrig, erzählt das Mädchen, weil ihre Mutter arbeitet:
"Meine Schulkameraden wollen sowieso nicht mit mir spielen, weil ich aus Syrien bin. Sie sagen immer, wir wollen hier keine Syrer, geht doch nach Hause. Das macht mich traurig."
"Meine Schulkameraden wollen sowieso nicht mit mir spielen, weil ich aus Syrien bin. Sie sagen immer, wir wollen hier keine Syrer, geht doch nach Hause. Das macht mich traurig."
"Solche Probleme mit anderen Religionen kannten wir nicht"
Obendrein habe Maria manchmal Probleme wegen ihres Namens, erzählt Mazen.
"Weil das kein muslimischer Name ist, sagen die Leute hier, das sei kein richtiger Name. Wir sind auch Muslime, aber uns gefiel der Name einfach. In Syrien kannten wir solche Probleme mit anderen Religionen nicht, da dachte niemand so."
"Weil das kein muslimischer Name ist, sagen die Leute hier, das sei kein richtiger Name. Wir sind auch Muslime, aber uns gefiel der Name einfach. In Syrien kannten wir solche Probleme mit anderen Religionen nicht, da dachte niemand so."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Integration in der Türkei - Leben mit der Zuwanderung".
Mazen wirft einen Blick auf die Uhr und legt den Tacker weg: Um halb sieben schließt die Kindertagesstätte von seinem Sohn. Das Sofa wird er später fertigbauen, wenn er nach dem Abendessen zur Arbeit zurückkehrt. Mazen nimmt Maria an der Hand, winkt seinem Angestellten zu und tritt hinaus auf die Straße.
Im Fenster des Ladenlokals hängt eine türkische Fahne. Die habe er aufgehängt, damit die Leute seinen Laden für ein türkisches Geschäft halten, erklärt Mazen. Wenn es nach ihm ginge, wäre er wirklich schon türkischer Staatsbürger - wenn die Behörden seinen Antrag auf Staatsbürgerschaft endlich annehmen würden. Die Voraussetzungen hat er längst erfüllt.
"Ich lebe seit sechs Jahren hier. Ich arbeite hart, ich zahle hohe Steuern, doch ich bekomme die Staatsbürgerschaft bisher nicht. Die brauche ich aber, um mein Geschäft ausbauen zu können."
Im Fenster des Ladenlokals hängt eine türkische Fahne. Die habe er aufgehängt, damit die Leute seinen Laden für ein türkisches Geschäft halten, erklärt Mazen. Wenn es nach ihm ginge, wäre er wirklich schon türkischer Staatsbürger - wenn die Behörden seinen Antrag auf Staatsbürgerschaft endlich annehmen würden. Die Voraussetzungen hat er längst erfüllt.
"Ich lebe seit sechs Jahren hier. Ich arbeite hart, ich zahle hohe Steuern, doch ich bekomme die Staatsbürgerschaft bisher nicht. Die brauche ich aber, um mein Geschäft ausbauen zu können."
"Die Türken sind selbst erschöpft von ihrem harten Leben"
20.000 Lira bezahlt Mazen jährlich für seine Arbeitsgenehmigung, weil er die Staatsbürgerschaft nicht hat. Bisher hat er in sein Geschäft nur hineingesteckt, erzählt der 43-Jährige, um erst einmal wieder auf die Beine zu kommen, seit die Familie 2013 vor Bombenangriffen aus einem Vorort von Damaskus floh. In Syrien war er ein gefragter Möbeldesigner; in Istanbul musste er ganz von vorne anfangen.
Anfangs sei es schwer gewesen, türkische Kunden zu gewinnen, erzählt Mazen. Deshalb habe er Möbel unter Preis verkauft, um das Geschäft aufzubauen. Nun läuft der Laden einigermaßen, aber das Leben in der Türkei sei hart, findet Mazen:
Anfangs sei es schwer gewesen, türkische Kunden zu gewinnen, erzählt Mazen. Deshalb habe er Möbel unter Preis verkauft, um das Geschäft aufzubauen. Nun läuft der Laden einigermaßen, aber das Leben in der Türkei sei hart, findet Mazen:
"In anderen Ländern arbeiten die Menschen acht Stunden am Tag, aber hier in der Türkei sind es zwölf Stunden. Ich sehe, dass die Türken selbst erschöpft sind von ihrem harten Leben. Die Steuern sind so hoch!"
Eine halbe Stunde sind Mazen und Maria mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zur Kindertagesstätte, um den sechsjährigen Kays abzuholen, das jüngste Mitglied der Familie. Der Junge war erst vier Monate alt, als sie aus Syrien flohen. Jetzt macht er seinen Eltern etwas Sorgen, weil er kaum noch Arabisch sprechen kann. Was er später einmal werden will, weiß er dafür genau: "Soldat", erklärt der kleine Junge auf Türkisch und strahlt – am liebsten ein Soldat in einem Flugzeug.
Eine halbe Stunde sind Mazen und Maria mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zur Kindertagesstätte, um den sechsjährigen Kays abzuholen, das jüngste Mitglied der Familie. Der Junge war erst vier Monate alt, als sie aus Syrien flohen. Jetzt macht er seinen Eltern etwas Sorgen, weil er kaum noch Arabisch sprechen kann. Was er später einmal werden will, weiß er dafür genau: "Soldat", erklärt der kleine Junge auf Türkisch und strahlt – am liebsten ein Soldat in einem Flugzeug.
"Das größte Problem war die Sprache"
Gegen acht Uhr abends ist die Familie endlich vereint in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung. Die Kinder schmiegen sich an ihre Mutter, Nur. Die 36-Jährige ist zwölf Stunden am Tag außer Haus: zehn Stunden an ihrem Arbeitsplatz und zwei in der Straßenbahn - und das an sechs Tagen in der Woche. Dabei hat Nur noch Glück: Dank ihrer Sprachkenntnisse – Arabisch, Englisch und jetzt auch Türkisch - kann sie inzwischen wieder in ihrem Beruf als Apothekerin arbeiten - wegen der vielen syrischen Flüchtlinge brauchen manche Apotheken in Istanbul arabischsprachiges Personal. Bis hierhin war es aber ein steiniger Weg, erzählt Nur:
"Als wir hier ankamen, kannten wir niemanden. Es war unglaublich schwer, weil alles so anders war: Das Essen war anders, das Brot war anders, die Sprache, das ganze Leben. Das größte Problem war aber die Sprache. Ich konnte nicht einmal um einen Schluck Wasser bitten oder nach dem Weg zur Toilette fragen."
"Als wir hier ankamen, kannten wir niemanden. Es war unglaublich schwer, weil alles so anders war: Das Essen war anders, das Brot war anders, die Sprache, das ganze Leben. Das größte Problem war aber die Sprache. Ich konnte nicht einmal um einen Schluck Wasser bitten oder nach dem Weg zur Toilette fragen."
"Die Türken haben uns ihre Herzen geöffnet"
In ihrer Not besannen sich die beiden auf die sozialen Medien. Mit der Video-Plattform Youtube paukten sie monatelang Türkisch, bis Mazen einen Job bei einer Schreinerei fand. Allein daheim sei sie total verängstigt gewesen, erinnert sich Nur - bis eine türkische Nachbarin sie ansprach.
"Die Nachbarin war so nett zu mir. Sie hat mit mir gesprochen, sie hat mir mit den Kindern auf der steilen Treppe geholfen, sie hat manchmal für uns gekocht. Da habe ich gesehen, dass es hier nichts zu fürchten gibt. Ich habe dann noch viele gute Menschen kennengelernt. Sie haben mir gezeigt, wie man hier zum Arzt geht oder ans Meer kommt, wie man Sammeltaxi fährt, wie man in Istanbul zurechtkommt. So viele Menschen haben mir geholfen und sind meine Freunde geworden, und so habe ich mich mit der Zeit eingewöhnt."
Nur stimmt ihrem Mann zu: Das Leben in der Türkei sei generell schwer, für alle. Umso mehr wisse sie die Großzügigkeit der Türken zu schätzen:
"Die Türken haben uns ihr Heim geöffnet, sie haben uns ihre Arbeitsstellen geöffnet, sie haben uns ihre Herzen geöffnet – das ist meine Erfahrung hier."
"Die Nachbarin war so nett zu mir. Sie hat mit mir gesprochen, sie hat mir mit den Kindern auf der steilen Treppe geholfen, sie hat manchmal für uns gekocht. Da habe ich gesehen, dass es hier nichts zu fürchten gibt. Ich habe dann noch viele gute Menschen kennengelernt. Sie haben mir gezeigt, wie man hier zum Arzt geht oder ans Meer kommt, wie man Sammeltaxi fährt, wie man in Istanbul zurechtkommt. So viele Menschen haben mir geholfen und sind meine Freunde geworden, und so habe ich mich mit der Zeit eingewöhnt."
Nur stimmt ihrem Mann zu: Das Leben in der Türkei sei generell schwer, für alle. Umso mehr wisse sie die Großzügigkeit der Türken zu schätzen:
"Die Türken haben uns ihr Heim geöffnet, sie haben uns ihre Arbeitsstellen geöffnet, sie haben uns ihre Herzen geöffnet – das ist meine Erfahrung hier."
Voller Angst und Hoffnung warten Nur und Mazen nun darauf, was aus ihrem Antrag auf die türkische Staatsbürgerschaft wird – ob sie für immer bleiben dürfen.