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Syrische Flüchtlinge in der Türkei
Verdammt zu schlecht bezahlter Schwarzarbeit

Schätzungsweise zwei Millionen syrische Flüchtlinge leben derzeit in der Türkei. Die meisten von ihnen leben nicht in Unterkünften, sondern schlagen sich auf eigene Faust durch. Sie bekommen kaum staatliche Unterstützung, offiziell arbeiten dürfen sie aber auch nicht. Hunderttausende tun es trotzdem - unter miserablen Bedingungen.

Von Thomas Bormann |
    Man sieht eine Gruppe syrischer Flüchtlinge unter einem Baum an einem Feuer in Edirne/Türkei.
    Viele tausend syrische Flüchtlinge in der Türkei verdingen sich gegen miserable Bezahlung. (picture-alliance / dpa / Tolga Bozoglu)
    Siham ist erst 15 Jahre alt. Sie stammt aus Aleppo in Syrien. Hier in Istanbul arbeitet sie als Kellnerin in einem Restaurant:
    "Ich war gerade in der achten Klasse in Syrien, als wir fliehen mussten", sagt sie. Hier in der Türkei könne sie leider nicht weiter zur Schule gehen, sie müsse arbeiten, sagt Siham.
    Ihr 12-jähriger Bruder arbeitet in einer Auto-Werkstatt als Botenjunge; ihr Vater verdient mit Gelegenheitsjobs etwas dazu - und trotzdem: Das Geld reicht kaum für die Familie, denn alle drei bekommen nur sehr wenig Lohn:
    "Eine Syrerin oder ein Syrer verdient oft nur ein Drittel von dem, was eine Türkin oder ein Türke verdient. Natürlich ist das Ausbeutung," sagt Professor Murat Erdogan, Migrationsforscher der Hacettepe-Universität in Ankara. Er hat die Arbeitsbedingungen der syrischen Flüchtlinge in der Türkei untersucht - und kam zu erschütternden Ergebnissen:
    Demnach haben 400.000 Syrer in der Türkei Arbeit, aber nur 3.600 von ihnen haben auch eine Arbeitserlaubnis. Die anderen 99 Prozent sind auf Schwarzarbeit angewiesen - ohne Krankenversicherung, ohne Kündigungsschutz, ohne Rechte.
    Viele Unternehmen nutzen die Not der Flüchtlinge aus
    Omar, ein 20-jähriger Syrer, hatte bei einer Schuhfabrik in Istanbul Arbeit gefunden - für 600 Lira Monatslohn, das sind umgerechnet weniger als 200 Euro, bei einer Sieben-Tage-Woche:
    "Wir arbeiten die ganze Woche durch. Auch samstags und sonntags. Sie zwingen uns zu kommen, aber fürs Wochenende bekommen wir keinen Lohn."
    Es ist kaum auszuhalten, klagt Omar. "No future here, no." Hier in der Türkei sieht er keine Zukunft für sich.
    Viele Unternehmen nutzen die Not der Flüchtlinge aus. Und die Behörden schauen weg.
    Das muss sich ändern, und zwar schnell, fordert Migrationsforscher Murat:
    Erdogan:
    "Manche Politiker und Bürokraten denken immer noch, die Syrer würden wieder gehen, wenn der Krieg vorbei wäre. Doch dem ist nicht so. Selbst wenn der Krieg heute zu Ende ginge, würden die Wenigsten in ihre Heimat zurückkehren. Ich denke, es ist an der Zeit, dass sich die Türkei ab sofort auf die Integration der Flüchtlinge konzentriert. Das ist sehr wichtig."
    Das heißt: Flüchtlinge müssen eine Arbeitserlaubnis bekommen, junge Flüchtlinge wie die 15-jährige Siham müssen ihre Schulbildung abschließen können.
    "Ich vermisse die Schule. Ich bin gern zur Schule gegangen. Ich war ganz gut und ich hatte viele Freundinnen in der Klasse."
    Geld von der EU für Ausbildung nutzen
    Siham träumt davon, eines Tages studieren zu können - stattdessen schuftet sie nun schon seit Monaten als Kellnerin in Istanbul.
    Diesen jungen Flüchtlingen müsse die Türkei eine Perspektive bieten, fordert Migrationsforscher Murat Erdogan. Alle syrischen Flüchtlinge sollten die Chance bekommen, sich in der Türkei eine neue Existenz aufzubauen.
    Als Startkapital, um diese Politik umzusetzen, könnten auch jene drei Milliarden Euro, die die Europäische Union für die syrischen Flüchtlinge in der Türkei ausgeben will. Murat Erdogan:
    "Es ist doch ganz klar: Das Geld von der Europäischen Union muss vor allem für berufliche Ausbildung und für Schulen ausgegeben werden."
    Wenn das umgesetzt wird und wenn alle syrischen Flüchtlinge in der Türkei eine Arbeitserlaubnis bekommen - dann hätten sie künftig die Chance auf fair bezahlte, gute Arbeit in der Türkei und sie wären nicht weiterhin auf Schwarzarbeit zu Hungerlöhnen angewiesen.