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Syrische Flüchtlinge in Jordanien
Trauer um die verlorene Heimat

Mehr als 600.000 syrische Flüchtlinge hat das kleine Königreich Jordanien aufgenommen. Die Regierung spricht sogar von 1,3 Millionen. Einige Syrer sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Doch für viele kommt das nicht in Frage: Ihre Häuser wurden zerbombt, ihre Familien zerrissen, ihre Zukunft zerstört.

Von Anne Allmeling |
    Syrer stehen am 08.12.2015 im Lager für syrische Flüchtlinge des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in Azraq (Jordanien) an einer Wasserstelle. (UNHCR) geführt und liegt rund 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Amman in der Wüste. Derzeit leben dort nach UN-Angaben rund 28 300 Menschen.
    Flüchtlinge in einem UNHCR-Lager im jordanischen Azraq (picture-alliance.com/dpa, Rainer Jensen)
    Rabaa brüht frischen Kaffee auf, füllt ihn in flache, henkellose Tassen. Das heiße Getränk ist ein kleiner Luxus, denn Rabaa kann sich die Bohnen kaum leisten. Mit ihren vier jüngeren Kindern wohnt sie in einer kargen Zwei-Zimmer-Wohnung am Rande der jordanischen Hauptstadt Amman. Rabaa hält sich mit Gelegenheitsjobs und der Unterstützung vom Flüchtlingshilfswerk über Wasser – so gut es geht. Ein beschwerliches Leben für die 40-jährige Syrerin – trotzdem will Rabaa nicht in ihre Heimatstadt Homs zurückkehren. Jedenfalls nicht jetzt.
    "Ich mache mir Sorgen um meinen Sohn: dass er zum Militärdienst gezwungen wird, oder dass er in Syrien unter anderen Umständen ums Leben kommt. Schlimm genug, dass sein Vater getötet wurde."
    "In Syrien kann man nicht wirklich leben"
    Früher wohnten Rabaa und ihre Familie in einem eigenen Haus, in der Nähe ihrer Eltern und Schwestern. Rabaas Mann arbeitete als Schreiner, Rabaa verdiente mit Wollweberei ein bisschen Geld dazu und versorgte die Kinder. Doch dann kam der Krieg – und die Familie floh nach Jordanien. Als Rabaas Mann von Amman aus noch einmal nach Syrien fuhr, um fehlende Papiere zu holen, kam er nicht mehr zurück.
    "Mein Mann wurde getötet, als er im Haus seines Neffen zum Teetrinken war. Eine Rakete hat das Haus getroffen."
    Fünf Jahre ist das mittlerweile her. Fatima und Bassma, die jüngsten Töchter von Rabaa, können sich nicht mehr an ihren Vater erinnern. Ihre ältere Schwester Doaa war zehn, als ihr Vater starb:
    "Ich möchte nicht nach Syrien zurück. Ein Grund ist, dass mein Vater nicht mehr lebt. Und ein zweiter, dass man in Syrien nicht wirklich leben kann."
    Das Haus der Familie in Homs steht schon lange nicht mehr, und die Verwandten von Rabaa sind in alle Richtungen zerstreut:
    "Ich habe Brüder, die im Libanon leben, eine Schwester, die nach Deutschland ausgewandert ist, und andere Schwestern, die sind von Homs nach Hama gezogen. Meine Eltern leben in der Türkei."
    In Amman fühlt sich Rabaa sicher
    In Jordanien hat sich Rabaa nach und nach ein kleines Netzwerk aufgebaut. Ihre jüngeren Kinder gehen hier zur Schule, ihre älteste Tochter ist hier verheiratet. Und: Rabaa fühlt sich sicher in Amman. Genau wie Huda. Die 58-jährige Syrerin lebt mit ihrem Mann und ihrer jüngsten Tochter in einer winzigen Wohnung im Osten der Stadt.
    "Wir können nicht nach Syrien zurückgehen, weil unser Haus zerstört ist. Wir haben keine Unterkunft mehr. Mein Mann ist krank und kann nicht mehr arbeiten, um Geld für die Miete zu verdienen. Außerdem haben wir Angst, denn es ist nicht sicher in Syrien."
    Auch Huda stammt aus Homs. Das Viertel, in dem sie wohnte, wurde fast vollständig dem Erdboden gleich gemacht. Wenn Huda erzählt, steht ihr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben: Sie rechnet kaum damit, dass sie ihr Heimatland noch wiedersieht. Ihr Mann leidet an einem Bandscheibenvorfall, sie selbst braucht einen Herzschrittmacher. Wegen der teuren Behandlungen sind sie hoch verschuldet; an eine Rückkehr nach Syrien ist kaum zu denken, Geld zum Wiederaufbau ihres Hauses haben sie schon gar nicht.
    "Wenn ich an Syrien denke, kommen die Erinnerungen hoch – und ich breche in Tränen aus."