"Ich habe das Gefühl, dass dir in dieser Stadt die Originalität verloren geht, ich glaube, mir persönlich ist sie in dem Moment verloren, als ich Syrien verlassen habe. Es fehlt etwas, aber ich weiß nicht, ob es wieder kommen wird". Es ist ein ziemlich deprimierendes Fazit, das die Autorin Rasha Abbas über ihren Schreibstil zieht: In Berlin hat er sich zum schlechteren entwickelt. Die 31-Jährige schreibt Kurzgeschichten, Adam hasst das Fernsehen heißt ihr erstes Buch. Dafür wurde sie beim Damascus Capital of Arab Culture-Festival ausgezeichnet. 2012, ein Jahr nach der syrischen Revolution, hat sie das Land verlassen und ist nach Beirut gegangen. Von diesem Moment an ging es Schlag auf Schlag: Ein Jean Jaques Rousseau-Stipendium der Akademie Schloss Solitude führte sie nach Stuttgart – und dann im September vergangenen Jahres der Umzug nach Berlin. Aber so richtig heimisch fühlt sie sich in der Hauptstadt noch nicht, denn:
Rasha Abbas: "In Damaskus würde ich mich eher verbunden und zugehörig fühlen, zu zu dem, was gerade passiert. In Berlin habe ich dieses Gefühl verloren, sich zugehörig fühlen, verstehst du?"
Verlorene Identität spiegelt sich im Schreibstil
Das Gefühl, noch nicht richtig angekommen zu sein und sich nicht mit der Stadt verbunden zu fühlen, spiegelt sich in den Themen wieder, über die Rasha Abbas nun schreibt – oder auch nicht. In Syrien waren es vor allem die großen, gesellschaftspolitischen Fragen, die ihre Geschichten dominierten. Hier in Deutschland sind es eher die alltäglichen, kleinen Dinge, die Buchseiten füllen. Ihr Buch Die Erfindung der Deutschen Grammatik wurde kürzlich – erst als E-Book und dann in gedruckter Form – veröffentlicht. Eine humorvolle Abhandlung ihrer skurrilen Alltagserlebnisse in Berlin: verrückte Vermieter, Sachbearbeiter im Jobcenter und die Hipsterapokalypse. Rasha Abbas nähert sich darin der deutschen Sprache und den kryptischen Codes an, die die zwischenmenschliche Interaktion ausmachen.
Rasha Abbas: "Es ist das erste Mal, dass ich ein humoristisches Buch geschrieben habe, und es war für mich wie ein Abenteuer. Es ist eine gute Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren, über etwas zu schreiben, womit ich mich jetzt hier in Deutschland beschäftige und dafür die anderen Themen zu verschieben. Die anderen Geschichten, die mehr mit meinem Ursprung zu tun haben, das Syrischsein, Geschichten über meine Kindheit. Ich habe die Themen verschoben, auf einen Zeitpunkt, an dem ich besser damit umgehen kann als jetzt."
Wann dieser Zeitpunkt kommen wird, das weiß sie nicht. Seit sie Syrien verlassen hat, versucht Rasha Abbas, die Gedanken, die sich um die politische Situation und den Bürgerkrieg in ihrem Heimatland drehen, allesamt zu verdrängen. Sie schreibt nicht mehr darüber.
Der Begriff "Exil" nimmt an Bedeutung ab in einer globalisierten Welt
Diese Strategie, das Erlebte und die gegenwärtigen Verhältnisse auszublenden, verfolgen aber längst nicht alle Autoren, die aus Syrien fliehen mussten. Dara Abdallah, ein kurdischer Autor aus Syrien, wohnt mittlerweile ebenfalls in Berlin. Er musste sein Land verlassen, weil er einen regimekritischen Text veröffentlicht hatte und daraufhin inhaftiert worden war. Einen Einfluss auf die Themen, die in seinen Texten vorkommen, hatte seine Flucht jedoch nicht. Dara Abdallah schreibt auch in Deutschland weiter über den Konflikt in Syrien. Er sieht sich auch nicht als Autor im Exil, im Gegenteil:
"Ich glaube nicht an diesen Begriff "Exil". Wir leben in einer globalisierten Welt, die Welt ist eine kleine Stadt und wir haben die Medien und Facebook.".
Bisher veröffentlicht Dara Abdallah seine Texte auf Arabisch. In Zukunft möchte er seine Texte auf Deutsch verfassen und in Deutschland leben und arbeiten. Trotzdem: Die Tür nach Syrien ist noch nicht ganz zugefallen:
Dara Abdallah: "Natürlich, wenn der Krieg in Syrien zu Ende geht, und die Syrer sich selbst ein politisches System, ein demokratisches, politisches System aufbauen können, dann würde ich natürlich zurückgehen."