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Syrischer Filmemacher
Orwa Nyrabia oder wie Robert de Niro ein Leben rettete

Der syrische Film "Silvered Water" ist ein eindringliches Porträt des Landes, zusammengesetzt aus Handyfilmen von Menschen, die in Syrien leben. Produziert hat ihn der Filmemacher Orwa Nyrabia, der 2013 in Syrien verhaftet und gefoltert wurde - und nur mit Hilfe einer großen internationalen Hilfskampagne etwa mit Robert de Niro, Robert Redford und Juliette Binoche freikam.

Von Christiane Habermalz |
    Der syrische Dokumentarfilmer Orwa Nyrabia am 20.09.2013 in Kairo.
    Der syrische Dokumentarfilmer Orwa Nyrabia (dpa / picture-alliance / Anne-Beatrice Clasmann)
    Es gibt Filme, die man sieht und danach anders auf die Welt blickt als vorher. "Silvered Water" ist einer von ihnen. Syrisches Selbstporträt, lautet der Untertitel, und genau das ist er: Ein Blick nach innen, auf die brutale Realität des Landes, das gerade den vielleicht größten Zivilisationsbruch der aktuellen Welt erlebt. Regisseur Ossama Mohammed verwendet Filmmaterial, das die Menschen selbst mit ihren Handys gefilmt und auf Youtube und Facebook gestellt haben.

    "Einige dieser Bürger-Journalisten haben dabei entdeckt, dass die Kamera, also Bild und Ton, nicht nur Mittel sind, um der Welt zu zeigen, was vor sich geht, sondern dass sie damit auch ihre tiefsten Gefühle ausdrücken können, und die großen Fragen ihrer Existenz. Sie haben die Kunst des Filmemachens entdeckt."
    Nyrabia gründete 2008 ein Dokumentarfilmfestival in Syrien
    Orwa Nyrabia hat den vielfach preisgekrönten Film "Silvered Water" produziert, der 2014 in Cannes uraufgeführt wurde. Der syrische Produzent, Dokumentarfilmer und politische Oppositionelle lebt seit Ende 2013 in Berlin. In Syrien war er einer der ersten, der sich gegen die Diktatur Assads auflehnte. Zusammen mit seiner Partnerin Diana El Jeiroudi gründete er 2008 in Damaskus das Dox-Box-Festival – das erste Dokumentarfilmfestival in der arabischen Welt. Ein ständiger hochriskanter Drahtseilakt. Wir lieferten gefakte Drehbücher ab, um die Zensur zu umgehen, erzählt Nyrabia. Und wir zeigten kritische Filme, aber nicht über Assads Syrien, sondern über Pinochet in Chile oder das kommunistische Regime in Polen.
    "Wir nannten das unsere Parallelwelten. Wenn wir Filme aus Chile, Polen, der Tschechoslowakei oder Burma zeigten, dann wussten wir, dass unsere Zuschauer, wenn sie das Kino verließen, nicht über Polen oder Burma redeten, sondern über Syrien. Und das war unser Traum: eine soziale Debatte anzustoßen über die wichtigen Themen."
    Dox Box organisierte Workshops für junge Filmemacher, akquirierte internationale Gelder, führte einen Publikumspreis ein.
    "Die Leute konnten beim Verlassen des Vorführraums ihr Votum für den Preis in kleine Zettelkästen werfen. Ich glaube, Reuters hat darüber geschrieben: Die Erste freie Wahl in Syrien seit 40 Jahren."
    Nyrabia wurde verhaftet und gefoltert
    Nach der blutigen Niederschlagung der Anti-Assad-Demonstrationen lösten Orwa und seine Mitstreiter das Festival 2012 auf – und veröffentlichten eine Protestnote, unterschrieben von über 70 syrischen Filmemachern. Nyrabia organisierte im Untergrund Medikamente und medizinische Versorgung für die Opfer und half dabei, zivile Flüchtlinge aus Kriegsgebieten zu evakuieren. Und drehte weiter Filme. Am 23. August 2012 wurde er von der syrischen Geheimpolizei verhaftet. 84 Männer, zusammengepfercht in einer Zelle von 20 Quadratmeter, die meisten von ihnen jung, 18 bis 20-Jährige, Soldaten, die sich geweigert hatten, auf die Demonstranten zu schießen. Alle wurden gefoltert, ständig. Er auch, aber nicht so schlimm wie die anderen, sagt er - denn die Nachricht von seiner Verhaftung war von seiner Frau sofort international verbreitet worden.
    "Ich habe gesehen, wie sie Leute drei Tage lang mit den Füßen an der Decke aufgehängt haben. Wie sie Menschen hart geschlagen haben, wie sie Elektroschocks verwendet haben. Ich habe gesehen, wie die Folterer besoffen wurden davon. Ich habe gesehen, wie sie manchmal kurz hinterfragt haben, was sie da taten, doch dann haben sie es weggewischt oder sogar geglaubt, dass es für etwas Gutes ist."
    Robert de Niro als Lebensretter
    Doch drei Wochen später kam Nyrabia frei - dank einer beispiellosen internationalen Kampagne. Tausende Filmschaffende aus der ganzen Welt hatten sich für seine Freilassung eingesetzt, darunter auch Hollywoodgrößen wie Robert Redford, Charlotte Rampling, Kevin Spacey, Juliette Binoche und: Robert de Niro.
    "Ich glaube, es war Robert de Niro, der Assad am meisten beeindruckt hat. Robert de Niro hat ein Youtube-Video gedreht, auf dem er nur zwei Worte sagt: Free Orwa! Das muss für Assad ein großer Imageschaden gewesen sein. Viel schlimmer, als wenn Obama das gesagt hätte. Insofern kann man sagen: Ich verdanke dem Film mein Leben."
    Die Bilder bleiben. Von seinen Mitgefangenen ist niemand herausgekommen. Alles wunderbare, wertvolle junge Menschen, sagt Nyrabia.