Wendy Burgers von University of Cape Town war besorgt, als Ende November die ersten Informationen zu der neuen Coronavirusvariante in Südafrika bekannt wurden. „Da sind mehr als 30 Mutationen im Spike-Protein, dem Eiweiß, gegen das alle Covid-Impfstoffe gerichtet sind“, erklärt die Immunologin.
Doch das Spike-Protein ist nicht nur die Zielstruktur der COVID-Impfstoffe, auch Genesene bilden vor allem Antikörper gegen die prominenten „Stacheln“ auf der Virusoberfläche. „In diesem Fall war nach der Entdeckung von Omikron schnell klar, dass es so verändert im Spike-Protein ist, das Antikörper das Virus nicht mehr effektiv erkennen und eine Infektion verhindern können.“
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Antikörper sind die erste Barriere des Immunsystems. Passen sie spezifisch auf das Spike-Protein des Coronavirus, machen sie es unschädlich. Das Virus kann dann nicht mehr in die Zellen eindringen und eine Infektion wird verhindert.
Doch das Immunsystem hat verschiedene Werkzeuge zum Schutz vor eindringenden Erregern. Sogenannte T-Zellen sind ein weiteres. Sie stehen eher in zweiter Reihe. Das Forschungsteam um Wendy Burgers fragte sich, ob dieser Abwehrmechanismus bei Omikron noch funktioniert.
„T-Zellen schützen uns nicht unbedingt vor einer Infektion. T-Zellen sind ein Teil des Immunsystems, der anspringt, wenn wir schon infiziert sind. T-Zellen können infizierte Zellen erkennen und töten. Dadurch beenden sie die Infektion oder begrenzen sie zumindest, so dass sie nicht besonders schwer wird.“
"Wir mussten erstmal genügend Blutproben bekommen"
Doch die Reaktion von T-Zellen zu untersuchen, ist nicht leicht. Während die verminderten Fähigkeiten von Antikörpern bei der Omikron-Variante schnell klar waren, brauchte die Forschung zur T-Zell-Antwort ein wenig Zeit.
„Wenn du Antikörper misst, dann kannst du einfach Blutplasma nehmen, den flüssigen Bestandteil des Blutes. Doch wir müssen uns Zellen ansehen, denn T-Zellen sind ein zellulärer Bestandteil des Blutes, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Also mussten wir erst einmal genügend Blutproben bekommen. Nicht nur einen Fingerstich, sondern etwa 50 Milliliter Blut. Und daraus haben wir die Zellen isoliert.“
Neuinfektionen in Deutschland
Mit Hilfe von T-Zellen aus dem Blut von Genesen, die sich mit einer anderen Variante des Corona-Virus infiziert hatten, oder von Menschen, die zwei Biontech/Pfizer-Impfungen oder ein bis zwei Johnson-and-Johnson-Impfungen bekommen hatten, untersuchte das Forschungsteam in Laborexperimenten, wie die T-Zellen auf die Omikron-Viren reagierten.
„Was wir bei all diesen Menschen gesehen haben, war eine leichte Verminderung der Fähigkeit, Omikron zu erkennen. Aber nichts Massives. So 70 bis 80 Prozent der durch Infektion oder Impfung gebildeten T-Zellen konnten auch Omikron erkennen, kreuzweise sozusagen.“
Die Forscher:innen sahen sich auch Blutproben von Menschen an, die sich mit der neuen Variante infiziert hatten. Sie bilden ähnliche T-Zellen wie Infizierte mit anderen Varianten. Die Art der T-Zellen und die Stellen auf der Virusoberfläche, die sie erkennen, sind zwischen Infizierten mit unterschiedlichen Varianten also nicht groß verschieden.
T-Zellen binden an mehr Virusregionen als neutralisierende Antikörper
Im Blut von Genesen sind auch T-Zellen, die Regionen auf der Virusoberfläche abseits des Spike-Proteins erkennen, beschreibt Wendy Burger. Doch im Blut von Geimpften können nur T-Zellen gegen das Spike-Protein sein. Denn die derzeit verfügbaren Impfstoffe enthalten nur die Information für diesen Teil des Virus. Das Immunsystem von Geimpften lernt ausschließlich die „Stacheln“ des Coronavirus kennen.
Warum reagieren die T-Zellen von Geimpften dann trotzdem auf das stark veränderte Spike-Protein bei Omikron?
„Trotz dieser vielen Mutationen im Spike-Protein erkennen die T-Zellen noch Teile, die nicht verändert sind. Denn das Spike-Protein ist ein großes Eiweißmolekül. Es besteht aus 1200 Aminosäuren und nur 30 davon sind wirklich verändert. Das ist schlecht für die neutralisierenden Antikörper, denn sie binden nur an bestimmte Hotspots auf dem Protein. Aber T-Zellen, die binden eigentlich über die ganze Länge des Eiweißmoleküls.“
Inzwischen deuten neben der Studie von Wendy Burgers und ihrem Team auch mehrere andere Studien - schon begutachtet oder noch im Begutachtungsprozess - darauf hin, dass das Immungedächtnis von Geimpften und Genesenen durch die T-Zellen auch bei der Omikron-Variante noch robust ist. Das könnte ein Grund dafür sein, dass bislang bei Geimpften und Genesen meist nur milde Verläufe bei einer Infektion mit der Omikron-Variante beobachtet werden.