Man hat es vor deutschen Gerichten versucht, aber es hat nicht geklappt. So hat etwa das Oberlandesgericht Hamm vor zehn Jahren die Klage eines Rauchers, für seinen Herzinfarkt solle er mit den Mitteln des Produkthaftungsgesetzes entschädigt werden, abgewiesen. "Der Kläger", so heißt es in dem Urteil wörtlich, "kann nicht erwarten, dass Zigaretten - etwa durch Weglassen jedweder Zusatzstoffe sowie durch Einbau jeglicher denkbarer Schutzmechanismen - so konstruiert werden, dass die produktimmanenten Gefahren des Zigarettenrauchens nicht mehr von ihnen ausgehen." Im Übrigen, so das Gericht, sei allgemein bekannt, welche Gefahren das Rauchen mit sich bringe. Eine kurze Umfrage in der Nachbarschaft bestätigt diesen Eindruck:
"Nun, ich habe selber mal geraucht. Und das Risiko durch meinen Arzt erkannt, der gesagt hat, wenn ich so weitermache, dann habe ich mit 50 Lungenkrebs. Ich wundere mich aber, dass Rauchen offensichtlich nicht überall als Risikofaktor bekannt ist. Bei diesem Urteil, das jetzt bekannt geworden ist, da hieß es ja, es ist offensichtlich zu wenig transparent gemacht worden, dass man da über die Gefahren aufgeklärt hat. Das finde ich doch sehr erstaunlich."
"Ich habe nie Lust am Rauchen verspürt und habe auch nie geraucht. Generell ist es doch so, dass jeder, der raucht, wissen muss, dass damit gesundheitliche Risiken verbunden sind. Und da muss kein Vorstandschef drauf aufmerksam machen. Das ist Allgemeinwissen, da weiß jeder. Insofern denke ich, dass ein ähnliches Urteil sowieso kaum zu erwarten ist."
Die Branche rechnet auch nicht mehr mit solchen Klagen wie jetzt in Amerika und erst recht nicht mit solchen Urteilen. Dirk Pangritz, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes:
"In Deutschland, denke ich, wären solche Strafzahlungen und solche Urteile nicht das Maß der Dinge. Hier muss man genau das Verursacherprinzip berücksichtigen. Es muss ganz genau nachgewiesen werden, dass eine Kausalität zwischen einem Schaden und der Ursache besteht. Und da hat es in der Vergangenheit durchaus Versuche gegeben, die aber von den Gerichten immer negativ beschieden wurden."
Die Verbraucherzentrale Bundesverband bestätigt das auf Anfrage. Verbraucher könnten hier "nur den tatsächlich entstandenen Schaden einklagen", als zum Beispiel die Arztkosten oder den Verdienstausfall, "nicht aber einen Sanktionsanteil." Der solle in Amerika einen vorbeugenden Effekt haben. Diese Strafkomponente obliege aber hier dem Staat. In Amerika, ist aus anderer Quelle zu hören, finanziere sich mit solchen abschreckenden Urteilen der Verbraucherschutz. In Deutschland müsse nicht das verklagte Kaffeehaus für den heißen umgeschütteten Kaffee zahlen, der das Knie verbrüht. Das erledige eine Versicherung.
Tabakwirtschaft auch in Deutschland unter Beschuss
Dennoch steht die Tabakwirtschaft unter Beschuss. Die Werbung im Fernsehen für das Rauchen wurde schon 1975 verboten. In Zeitungen und Zeitschriften darf seit 2007 nicht mehr dafür geworben werden. Erlaubt ist Zigarettenwerbung nach 18 Uhr im Kino, dies allerdings in nur geringem Umfang, weil die Industrie für wenig wirkungsvoll hält. Erlaubt ist sie in Deutschland als einzigem EU-Land auch noch auf Plakaten. Das will die Drogenbeauftragte der Bundesregierung aber ändern. Das hat sie Anfang Juli angekündigt.
Unter den 18- bis 64-jährigen Menschen rauchen immer noch 34 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen. Unter Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren hat sich der Raucheranteil in den vergangenen zehn Jahren auf zwölf Prozent nahezu halbiert.
Die Branche meint, es sei langsam genug mit der Regulierung. In zwei Jahren kommen die Zigarettenpäckchen nicht mehr nur mit schriftlichen Warnhinweisen, sondern mit abschreckenden Fotos von verkrebsten Lungen und Raucherbeinen. Die Zigarettenindustrie beschäftigt in Deutschland knapp 10.000 Mitarbeiter, rund 5.000 weniger als vor 20 Jahren. Die 32 Betriebe setzen gut 22 Milliarden Euro um, wovon rund 13 Milliarden Euro auf die Tabaksteuer entfallen.
Philip Morris, Reemtsma und BAT beherrschen rund 80 Prozent des Marktes.