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Tabletten, Tropfen, Salben - Nutzen und Nebenwirkungen

"Die meisten Menschen sterben an ihren Heilmitteln, nicht an den Krankheiten", schrieb Mitte des 17. Jahrhunderts Jean Molière in "Der eingebildete Kranke". Was hätte der Komödiant gesagt, wenn ihm der Medikamentenverbrauch des 21. Jahrhunderts zumindest in Umrissen bekannt gewesen wäre? 1,5 Milliarden Packungen Arzneimittel pro Jahr schlucken die Deutschen, knapp 20 pro Person - statistisch! Tatsächlich sind es bei vielen Patienten sehr viel mehr, immerhin nutzen die meisten Menschen nur dann die Segnungen der Pharmaindustrie, wenn eine Krankheit dies erfordert.

Moderation: Carsten Schroeder |
    Hinzu kommt, dass der Medikamentenkonsum mit steigendem Alter sprunghaft steigt, so dass vor allem diese Gruppe den Löwenanteil der Tabletten und Tropfen einnimmt.

    Ob die Medikamente tatsächlich bewirken, was sie vorgeben, nämlich den Patienten gesund zu machen, steht dabei auf einem anderen Blatt. An drei Beispielen beleuchtet Prof. Gerd Glaeske von der Universität Bremen das Problem. Welchen Nutzen etwa hat das Angebot von Arzneimitteln gegen mentale Schwächen oder gar gegen eine Altersdemenz? Warum sind bestimmte Medikamente gegen Krebs, Multiple Sklerose und Infektionen so teuer, dass gesetzliche Krankenkassen sie kaum noch bezahlen können? Was bedeutet es für die Gesellschaft, wenn die Versorgung mit Medikamenten vom Preis und damit vom Einkommen des Patienten abhängt? Warum überhaupt nutzen immer mehr Menschen Medikamente selbst bei Symptomen ohne Krankheitswert?

    "Viagra fürs Gehirn" ist ein Schlagwort, das Wirkstoffe für ein angeblich besseres Denken verspricht. Vielleicht ist es der Wunsch nach einer raschen Genesung in einer rastlosen Zeit, die Suche nach Dopingmitteln im Alltag, vielleicht ist es aber auch die Vorstellung, nur Hightech-Produkte können aus dem Leiden führen. Molière könnte also durchaus Recht haben: Je mehr Medikamente jemand schluckt, desto höher wird sein Risiko, daran zusätzlich zu erkranken oder sogar zu sterben.

    Experte im Studio:
    Prof. Gerd Glaeske, Universität Bremen Zentrum für Sozialpolitik, Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung

    Sie können die Sendung mindestens bis zum 3. August 2009 in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören

    Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte