Silke Hahne: Am 8. Januar 2009 schrieb die Bundesrepublik Geschichte. Zum ersten Mal stieg damals der Staat bei einer großen Privatbank als Investor ein. 25 Prozent plus eine Aktie der Commerzbank übernahm der Bund – Sie ahnen es, als Folge der Finanzkrise – und bewahrte die Bank damit vor der Pleite. Und bis heute ist der Bund größter Einzelaktionär der Commerzbank. Brigitte Scholtes, unsere Korrespondentin in Frankfurt, war auch 2009 schon für den Deutschlandfunk dort unterwegs.
Schauen wir zunächst mal in dieses Jahr zurück – mitten in der Finanzkrise. Wie erinnern Sie sich an diesen Vorgang heute vor genau zehn Jahren?
Brigitte Scholtes: Das war damals schon recht überraschend – zumindest vom Zeitpunkt her. Allerdings konnte uns in diesen hektischen Monaten fast nichts mehr schockieren. Es hat allen Beobachtern aber deutlich gemacht, dass die Commerzbank wirklich am Abgrund stand: der Kurs war im Vorfeld immer weiter gefallen – bis auf unter 5 Euro je Aktie, da musste also etwas passieren, das spürte man förmlich. Die Bank war ja in diese Lage gekommen, weil sie ein unglückliches Timing bei der Übernahme der Dresdner Bank gezeigt hatte: zwei Wochen nach der Ankündigung dieses Plans ging Mitte September 2008 die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers pleite, die Übernahmepläne wären Makulatur gewesen.
Einstieg eines chinesischen Investors verhindern
Die Bundesregierung aber wollte diesen Zusammenschluss, auch übrigens, um die Übernahme der Dresdner Bank durch einen staatlichen Investor aus China zu verhindern. Deshalb gab sie der Commerzbank die erste Kapitalspritze von 8,2 Milliarden Euro über den Bankenrettungsfonds Soffin. Doch die reichte nicht. Es war nur konsequent, dass die Bundesregierung dann weitere nicht nur nochmals gut 8 Milliarden Euro nachschoss, sondern einen Schritt weiter ging: Der Staat stieg als Großaktionär ein mit einer Sperrminorität von eben 25 Prozent und einer Aktie. Das kostete ihn dann weitere zunächst 1,8 Milliarden Euro – inzwischen hat der Staat sogar gut fünf Milliarden Euro investiert. Damit wollte er sich absichern, und das wohl auch aus Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler.
Hahne: Wie steht die Commerzbank denn heute da?
Scholtes: Der Staat ist immer noch beteiligt, aber inzwischen nur noch mit 15,6 Prozent – er hat sich an einer der beiden notwendigen Kapitalerhöhungen nicht beteiligt und auch im Frühjahr vor sechs Jahren einen Teil seiner Aktien unter hohen Verlusten verkauft. Eine kleine Dividende gab es nur einmal in dieser Zeit, das zeigt schon: die Commerzbank ist noch immer in der Restrukturierung, ein Sanierungsprogramm jagt das nächste. Zehntausende Mitarbeiter haben ihre Jobs schon verloren, die Bank leidet zudem unter den Niedrigzinsen und den sinkenden Erträgen.
Erträge noch immer niedrig
Zwar hat Commerzbank-Chef Martin Zielke für 2018 einen Gewinn in Aussicht gestellt. Doch das hat nicht verhindert, dass die Bank im vergangenen Herbst aus dem DAX in die zweite Börsenliga absteigen musste. Ihr Börsenwert liegt inzwischen bei gut 7,5 Milliarden Euro – und das heißt auch: Der Anteil des Staates ist aktuell knapp 1,2 Milliarden Euro wert. Noch wäre ein Ausstieg also ein dickes Verlustgeschäft, und deshalb dürfte der Bundesfinanzminister nicht geneigt sein, den staatlichen Anteil weiter zu reduzieren – auch wenn solche Forderungen zum zehnten Jahrestag heute wieder vermehrt zu hören sind.
Hahne: Immer wieder gibt es Gerüchte um eine Fusion der Commerzbank mit der Deutschen Bank. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Commerzbank über kurz oder lang verschwindet?
Scholtes: Diese Idee eines "nationalen Bankenchampions" hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor einigen Monaten selbst aufgebracht. Kurzfristig dürfte das wohl nicht passieren: Das lassen weder der aktuelle Zustand der Commerzbank noch der der Deutschen Bank zu. "Zwei Kranke schaffen keinen Gesunden", ist da immer wieder zu hören. Und auch die Bankvorstände selbst winken noch ab – sie wissen, dass sie ihre Häuser erst einmal sanieren müssen, beide haben Probleme genug. Es ist möglich, dass in einigen Jahren doch eine Fusion ansteht – allein schon aus Kostengründen. Aber die ist generell nicht ohne Probleme: Dann gäbe es nämlich noch weniger Wettbewerb unter den großen deutschen Privatbanken. Ob das so erstrebenswert ist, das darf man bezweifeln.