Mardschana Chasanowa breitet eine Tischdecke auf dem Fußboden aus. Sie bringt Teetassen und Teller mit Konfekt, schließlich einige Fladen Brot, frisch aus dem Ofen.
"Vier meiner Kinder leben bei mir. Brot ist unser Hauptnahrungsmittel."
Mardschana Chasanowa lebt in Saripur in Tadschikistan. Es ist das letzte Dorf vor der Grenze nach Afghanistan, direkt an der Straße nach Kunduz. Die Stadt, in der die deutschen ISAF-Soldaten stationiert waren, liegt gut 50 Kilometer entfernt. Im vergangenen Herbst wurde Kunduz zeitweise von Taliban erobert.
"Wir haben damals den Gefechtslärm gehört. Wir hatten Angst, dass die Taliban rüberkommen. Aber wir glauben, dass wir in Tadschikistan gute Grenzer haben, die uns gut schützen."
Der Grenzübergang. Ein Schlagbaum, eine Baracke. Davor parkt ein Mercedes. Das Autoradio läuft. Ein LKW wartet. Auf der Plane steht: "Wir fahren für die Zukunft Sachsens". Über die staubige Straße krabbeln schwarze Käfer. Am Schlagbaum stehen drei Männer in Uniform. Einer trägt eine Mütze - der Chef.
Nach einer Weile fährt ein Auto vor. Der Fahrer steigt aus, schüttelt dem Chef die Hand und steckt ihm bei der Gelegenheit eine Tüte mit Naschwerk zu. Der Beschenkte gibt seinem Untergebenen daraufhin ein Zeichen. Der Schlagbaum öffnet sich. Dann geht der Chef zu seinem Mercedes und packt die Tüte in den Kofferraum.
Opiumschmuggel unterbinden
Drei Autostunden entfernt in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Rund 20 Männer sitzen in einem Seminarraum an Tischen. Vor ihnen liegen Landkarten, Lineale, Geodreiecke, Bleistifte.
Die Männer sind Grenzschützer und stammen zur Hälfte aus Afghanistan, zur Hälfte aus Tadschikistan. Sie machen eine Fortbildung zum Trainer. Die OSZE führt die Seminare durch. An diesem Tag lernen die Teilnehmer, einen Standort auf der Karte zu ermitteln und das Gelernte anderen beizubringen.
Abdukarim Kurbanow, einer der Schüler, steht vorn. Er kann gut erklären. Bereits nach fünf Minuten haben seine Mitschüler die Aufgabe gelöst.
"Ich bin schon seit 21 Jahren bei den tadschikischen Grenztruppen. Terrorismus und Extremismus beunruhigen jetzt alle. Das ist ein weltweites Problem. Aber wir dürfen keine Angst haben. Wir müssen das Land und das Volk schützen, so, als wäre es unser eigenes Haus und unsere Familie. So wie du deine Eltern liebst, musst du auch dein Land und deine Führung lieben."
Es geht um Sicherheit, aber es geht vor allem auch darum, den Opiumschmuggel zu unterbinden. Die Hauptroute für afghanische Drogen nach Europa läuft durch Tadschikistan. Bis vor zehn Jahren halfen russische Soldaten, die rund 1.300 Kilometer lange Grenze nach Afghanistan zu kontrollieren. Dann zog Russland die Grenztruppen ab. Heute unterstützen viele internationale Organisationen und ausländische Regierungen die Tadschiken. Die USA liefern Ausrüstung für die tadschikischen Grenzer, Russland Munition und Waffen. Die EU baut unter anderem Grenzübergänge zwischen Tadschikistan und Afghanistan mit auf. William Lawrence arbeitet seit elf Jahren in dem EU-Projekt. Er meint, die Gefahr, die von den Taliban für Zentralasien ausgehe, werde übertrieben:
"In Nordafghanistan gibt es Potenzial für Gewalt, aber trotzdem haben wir viele Wochen keine Vorfälle an der Grenze erlebt. Die tadschikischen Grenzer sind derzeit besser ausgebildet, besser ausgerüstet und besser untergebracht als je zuvor. Im Übrigen haben weder die Taliban noch irgendwelche Warlords je gesagt, dass sie Zentralasien überfallen wollen. Wir jagen in gewisser Weise Gespenster."
"Unsere Armee ist genauso korrupt wie unsere Richter und Staatsanwälte"
Andere internationale Experten sagen dagegen, die Taliban könnten jederzeit nach Tadschikistan durchsickern, in kleinen Gruppen, einfach, weil die Beamten in Tadschikistan, auch die Grenzer, so korrupt seien. Dschamsched Jorow ist Anwalt in Duschanbe. Er meint:
"Unsere Armee ist genauso korrupt wie unsere Richter und Staatsanwälte. Und beim ersten Schuss laufen alle weg. Die Taliban hätten freie Bahn."
Zum Glück, so der Anwalt Jorow, unterhalte Russland noch einen Militärstützpunkt in Tadschikistan.
"Solange die Russen hier sind, droht uns nichts."
Im Grenzdorf Saripur gießt Mardschana Chasanowa Tee nach. Die Menschen hier fühlten sich sicher, erzählt sie. Sie hätten andere Sorgen als die Taliban. Viele seien arbeitslos. Und viele Männer lebten als Gastarbeiter in Russland.
"Mein Mann ist schon 15 Jahre dort. Die ersten Jahre ist er regelmäßig zu Besuch gekommen. Aber dann habe ich zwei Töchter auf einmal verheiratet. Bei uns ist es üblich, dass man der Tochter zur Hochzeit alles kauft. Dafür haben wir Schulden gemacht. Deshalb kann er schon seit vier Jahren nicht mehr kommen und schickt nur noch Geld. Wir zahlen unsere Schulden ab. Die Hauptsache ist, dass es bei uns in Tadschikistan ruhig ist. Nicht so wie in Afghanistan. Wir leben in Frieden. Wir haben Fladenbrot. Ich habe auch eine Kuh. Nur mein Mann fehlt."