Ist das nun schon das vorgezogene Weihnachtsmärchen? Es sieht ganz danach aus. Allerdings ist es ein Märchen, das im Dschungel der menschlichen Seele spielt, in einem Zauberwald. Der Bühnenbildner Stefan Hageneier hat eine Landschaft modelliert, die über Moose und Steine zu Stechpalmen und großlappigen Bananenbäumen führt, ein Gewächshaus für wilde Gefühle und kraftmeiernde Kämpfe.
Die Ritter der Tafelrunde dürfen sich hier tarzanartig von Baum zu Baum schwingen. Vor allem aber steht in der Mitte kein runder Tisch, geometrisches Symbol demokratischer Teilhabe, wie bei Tankred Dorst vorgesehen, sondern ein runder Tümpel, ein moros dampfendes Ur-Loch der Triebe. Dort wird gespritzt und gevögelt, gemordet und betrogen. Und über all das führt eine Hängebrücke, auf der der Teufel steht, in Gestalt des großartigen Gottfried Breitfuß ein Trainingshosen-Penner mit kakanisch meckerndem Lachen, aber – natürlich – mit amerikanischem Akzent ...
Dorsts Stück ist in die Jahre gekommen. Was 1981, in Zeiten von Ost-West-Konflikt und NATO-Doppelbeschluss, als luzide, mythisch aufgeladene Politikanalyse erschien, wirkt heute auch ein bisschen didaktisch. Wer anhand der Artus-Sage die letzten Fragen nach Gut und Böse, nach Gott und Welterlösung durchdiskutieren will, der muss als Regisseur eine zweite Ebene einbauen. Bei Johan Simons waren die Ritter 2007 Bauarbeiter, die Wolkenkratzer errichteten, bei Christian Stückl sind sie nun Weltverbesserer-Yuppies und später mönchisch-aggressive Hippies, das ist nicht unbedingt überzeugend. Der reine Tor Parzival tritt auf als athletisches Model in Designer-Unterhose und später als glutäugiger, gepanzerter Haudrauf, und auch der stets paarungsbereite Lancelot ist ein langhaariger Offizier, der die christlichen Artus-Ritter immer noch mal in den Heiligen Krieg führt.
Und trotz dieser naiven Konzeption kann man sich auf die Inszenierung durchaus einlassen – der Mensch am Marterpfahl der Postmoderne ist ja anfällig für altmodisches, pralles Erzähltheater, das etwa 37 Handlungsstränge zusammenknüpfen muss. Die Aktivposten sind der Merlin des an diesem Abend wunderbaren Jirka Zett, der als Zauberer im Dienste der Sozialutopie zunächst wie ein Conférencier durch den Urwald tänzelt, und die dunkel lockenden Frauen: die Ginevra der Sarah Hostettler und die Elaine der Ursula Doll. Und mit ihnen beginnt das Unglück ...
Schuld ist, bei Christian Stückl, wieder mal der Eros, der das Böse in die Welt bringt, also: die Erbsünde. Elaine verführt den hormongesteuerten Lancelot im Gebüsch der Tropen und zeugt mit ihm einen Sohn; und der kriegerisch missionierende König Artus wird von seiner Gattin Ginevra beständig mit eben diesem Lancelot betrogen. Als faschistoider Racheengel tritt, im lila Cordanzug, der zunächst eher geschäftsmäßig wirkende Mordred des Jonas Schlagowsky auf. Zwischen Inzest und Vatermord, Initiationsritualen und Bußübungen hangelt sich die Inszenierung durch den Wald, aber den Heiligen Gral findet sie nicht. Dass das Ganze nicht völlig abschmiert, sondern über fast vier Stunden, trotz gewisser volkstheatralischer Derbheiten, eine Spannung behält, liegt an der Stärke des Stücks und an der Stärke der Hauptfigur.
Der Merlin des Jirka Zett kommt nach der Pause als frommer Eremit wieder, der sich das Scheitern seines Gesellschaftsmodells anschaut. Er führt dramaturgische Gespräche darüber, dass die Bösen doch die interessanteren Figuren sind, und geißelt sich selbst. Er sieht den Tod des Artus, der mit dem Geist über das Chaos siegen wollte und doch nur Kriegsherr war. Er sieht die dummen Träume des Lancelot, der mit seiner Königin in die Südsee will. Und er sitzt am Ende enttäuscht auf dem sogenannten Thron des Erwählten: der Zauberer Merlin, eine gescheiterte, jesusartige Figur, ein Transvestit mit dicken Brüsten, ein Zwitter mit Dornenkrone.
Und so sind wir am Ende doch wieder in Oberammergau, in der Heimat des Regisseurs Christian Stückl. Aber deshalb haben sie ihn in Zürich wohl engagiert: Weil er die Leidensgeschichte inszenieren kann, auch im Gewand der Artus-Sage.
Die Ritter der Tafelrunde dürfen sich hier tarzanartig von Baum zu Baum schwingen. Vor allem aber steht in der Mitte kein runder Tisch, geometrisches Symbol demokratischer Teilhabe, wie bei Tankred Dorst vorgesehen, sondern ein runder Tümpel, ein moros dampfendes Ur-Loch der Triebe. Dort wird gespritzt und gevögelt, gemordet und betrogen. Und über all das führt eine Hängebrücke, auf der der Teufel steht, in Gestalt des großartigen Gottfried Breitfuß ein Trainingshosen-Penner mit kakanisch meckerndem Lachen, aber – natürlich – mit amerikanischem Akzent ...
Dorsts Stück ist in die Jahre gekommen. Was 1981, in Zeiten von Ost-West-Konflikt und NATO-Doppelbeschluss, als luzide, mythisch aufgeladene Politikanalyse erschien, wirkt heute auch ein bisschen didaktisch. Wer anhand der Artus-Sage die letzten Fragen nach Gut und Böse, nach Gott und Welterlösung durchdiskutieren will, der muss als Regisseur eine zweite Ebene einbauen. Bei Johan Simons waren die Ritter 2007 Bauarbeiter, die Wolkenkratzer errichteten, bei Christian Stückl sind sie nun Weltverbesserer-Yuppies und später mönchisch-aggressive Hippies, das ist nicht unbedingt überzeugend. Der reine Tor Parzival tritt auf als athletisches Model in Designer-Unterhose und später als glutäugiger, gepanzerter Haudrauf, und auch der stets paarungsbereite Lancelot ist ein langhaariger Offizier, der die christlichen Artus-Ritter immer noch mal in den Heiligen Krieg führt.
Und trotz dieser naiven Konzeption kann man sich auf die Inszenierung durchaus einlassen – der Mensch am Marterpfahl der Postmoderne ist ja anfällig für altmodisches, pralles Erzähltheater, das etwa 37 Handlungsstränge zusammenknüpfen muss. Die Aktivposten sind der Merlin des an diesem Abend wunderbaren Jirka Zett, der als Zauberer im Dienste der Sozialutopie zunächst wie ein Conférencier durch den Urwald tänzelt, und die dunkel lockenden Frauen: die Ginevra der Sarah Hostettler und die Elaine der Ursula Doll. Und mit ihnen beginnt das Unglück ...
Schuld ist, bei Christian Stückl, wieder mal der Eros, der das Böse in die Welt bringt, also: die Erbsünde. Elaine verführt den hormongesteuerten Lancelot im Gebüsch der Tropen und zeugt mit ihm einen Sohn; und der kriegerisch missionierende König Artus wird von seiner Gattin Ginevra beständig mit eben diesem Lancelot betrogen. Als faschistoider Racheengel tritt, im lila Cordanzug, der zunächst eher geschäftsmäßig wirkende Mordred des Jonas Schlagowsky auf. Zwischen Inzest und Vatermord, Initiationsritualen und Bußübungen hangelt sich die Inszenierung durch den Wald, aber den Heiligen Gral findet sie nicht. Dass das Ganze nicht völlig abschmiert, sondern über fast vier Stunden, trotz gewisser volkstheatralischer Derbheiten, eine Spannung behält, liegt an der Stärke des Stücks und an der Stärke der Hauptfigur.
Der Merlin des Jirka Zett kommt nach der Pause als frommer Eremit wieder, der sich das Scheitern seines Gesellschaftsmodells anschaut. Er führt dramaturgische Gespräche darüber, dass die Bösen doch die interessanteren Figuren sind, und geißelt sich selbst. Er sieht den Tod des Artus, der mit dem Geist über das Chaos siegen wollte und doch nur Kriegsherr war. Er sieht die dummen Träume des Lancelot, der mit seiner Königin in die Südsee will. Und er sitzt am Ende enttäuscht auf dem sogenannten Thron des Erwählten: der Zauberer Merlin, eine gescheiterte, jesusartige Figur, ein Transvestit mit dicken Brüsten, ein Zwitter mit Dornenkrone.
Und so sind wir am Ende doch wieder in Oberammergau, in der Heimat des Regisseurs Christian Stückl. Aber deshalb haben sie ihn in Zürich wohl engagiert: Weil er die Leidensgeschichte inszenieren kann, auch im Gewand der Artus-Sage.