Der Deutsche Gewerkschafts-Bund demonstriert in diesem Jahr unter dem Motto: "Wir sind viele. Wir sind eins." Zu einer gerechten Gesellschaft gehörten anständige Löhne, sichere Arbeitsverträge und die Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, heißt es im Aufruf des DGB. Notwendig sei auch ein gerechtes Steuerkonzept, "das Reiche mehr belastet als Arbeitnehmer".
Bei der zentralen Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Gelsenkirchen sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, die Rente müsse für ein Leben in Würde reichen. Außerdem sollten die Krankenkassenbeiträge wieder von Beschäftigten und Arbeitgebern in gleicher Höhe finanziert werden. Hoffmann kündigte außerdem Proteste gegen Niedriglöhne an: In Deutschland arbeiteten sieben Millionen Menschen im Niedriglohnsektor und verdienten weniger als 9,60 Euro in der Stunde, so der DGB-Vorsitzende, "das machen wir nicht länger mit".
Arbeitsministerin unterstützt Gewerkschaften
Verdi-Chef Frank Bsirske betonte in Wuppertal, das Rentenniveau müsse wieder auf etwa 50 Prozent angehoben werden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles verlangte das Recht auf Rückkehr in Vollzeitarbeit. Die SPD-Politikerin sagte in Gelsenkirchen, man brauche die Gesetzesänderung noch vor der Bundestagswahl. In Deutschland gebe es 750.000 Frauen in Teilzeit, die wieder mehr arbeiten wollten. Nahles sprach sich auch für ein Recht auf Ausbildung aus. Eine Ausbildungsplatzgarantie sei nötig, damit alle Jugendlichen einen Beruf erlernen können.
Die Gewerkschaften könnten derzeit durchaus zufrieden sein, kommentiert Ulrike Winkelmann im Deutschlandfunk: "Die Wirtschaft boomt. Arbeitskräfte werden nachgefragt." Und nicht zuletzt sitze im Arbeitsministerium mit Andrea Nahles eine Politikerin, die viele Forderungen der Gewerkschaften übernehme.
Ausschreitungen in Berlin und Hamburg
In Berlin und Hamburg hat es Ausschreitungen von Linksextremisten gegeben.
Am Rande der sogenannten Revolutionären 1. Mai Demonstration in Berlin-Kreuzberg wurden nach Behördenangaben Flaschen und Feuerwerkskörper auf Beamte geworfen, die Polizei setzte Pfefferspray ein. Rund 40 Menschen wurden festgenommen. Berlins Polizeipräsident Kandt sprach von etwa 8.000 teils gewaltbereiten Teilnehmern. Rund 5.400 Polizisten waren im Einsatz.
In Hamburg versammelten sich am späten Abend bis zu 300 Menschen im Schanzenviertel. Ein Sprecher der dortigen Polizei teilte mit, aus dieser Gruppe heraus seien Beamte ebenfalls mit Glasflaschen und Feuerwerkskörpern attackiert worden.
Eskalationen mit Geschichte
Seit 30 Jahren kommt es immer wieder zu Krawallen am Rande der Demonstrationen zum 1. Mai - vor allem in der Hauptstadt Berlin. Am Tag der Arbeit 1987 gab es im Stadtteil Kreuzberg die ersten großen Ausschreitungen. "Ganz normale Leute" hätten damals an den Barrikaden mitgebaut, erinnert sich der Aktivist Michael Prütz. Seither rangiere der 1. Mai in Berlin "zwischen Bürgerkrieg und Politkarneval" - so beschreibt es der Deutschlandfunk-Journalist Thomas Weinert. Das nun auch schon traditionelle "Myfest" will seit 15 Jahren einen friedlichen Kontrapunkt setzen. Auf sieben Bühnen wechseln sich politische Beiträge mit Musik, Tanz und Theater ab.
"Etwas ist extrem faul im Land"
Und auch die Kirchen in Deutschland begehen den traditionell weltlichen Mai-Feiertag. In einem ökumenischen Gottesdienst in Bremen sprach die evangelische Theologin Margot Käßmann. Sie forderte für Pflege- und Erziehungsberufe mehr Wertschätzung und eine bessere Bezahlung. Eine Erzieherin in einer Kindertagesstätte bekomme im Monat ein Gehalt von rund 2.500 Euro, während der frühere VW-Chef Martin Winterkorn rechnerisch einen Lohn von rund 2.000 Euro pro Stunde bezogen habe. "Wer sich das vor Augen hält begreift doch sofort: Da ist etwas extrem faul im Land", sagte Käßmann. Zu dem Gottesdienst unter dem Motto "Gemeinsam für Gerechtigkeit" hatten Kirchen und Gewerkschaften eingeladen.
(mw/vic/tep)