Auftragsbücher, die so voll sind, wie seit sechs Jahren nicht mehr, ein Wachstum von 1,5 Prozent, das ohne die zusätzlichen Feiertage im zweiten Halbjahr sogar 1,8 Prozent erreichen würde - trotz oder gerade wegen dieser guten Ausgangslage warnt die deutsche Industrie gut drei Monate vor der Wahl vor Stillstand.
Kempf überrascht zum Thema Steuersenkungen
"Deutschland muss mehr Wirtschaft wagen, um den Standort Deutschland zukunftsfest zu machen", fordert BDI-Präsident Dieter Kempf. Die aktuell gute Lage sei kein Freifahrtschein zum Ausruhen, wobei Kempf überraschte: Steuersenkungen mit der Gießkanne lehnt die Wirtschaft ab, Überschüsse sollten je zu einem Drittel für Investitionen, Bildung und Steuerstrukturreformen eingesetzt werden.
"Mit einem schrittweisen Auslaufen des Solidaritätszuschlags, mit einem Verzicht auf die substanz-besteuerten Elemente in der Gewerbesteuer. Mit der dringend notwendigen Anpassung des Zinsniveaus im Steuerrecht auf das allgemeine Zinsniveau, denken Sie beispielsweise nur an pensionsrückstellungs Berechnungen und die Unterschiede in Handels- und Steuerbilanz und mit einer Reform des Außensteuerrechts", sagt Dieter Kempf.
Merkel: "Den Soli ab 2020 abschaffen - für alle"
Die Bundeskanzlerin antwortete darauf als CDU-Vorsitzende, wobei Angela Merkel die Tatsache umschiffen musste, dass die Union - anders als die SPD, die gestern ein Steuerkonzept vorlegte, soweit noch nicht ist. Zum Thema Steuerentlastung deshalb nur so viel.
Angela Merkel: "Wir wollen Tarifentlastungen. Jetzt sprech' ich mal als CDU-Vorsitzende. Das genaue Konzept werden wir Ihnen vorstellen, und wir wollen den Soli ab 2020 schrittweise abschaffen und zwar für alle!"
Beim Soli ist das mehr als die SPD verspricht, die nur kleine und mittlere Einkommen befreien will. Ansonsten bleibt Merkel beim Thema Steuersenkung im Ungefähren. Ein Heimspiel hat sie dagegen bei der Vermögens- und der Erbschaftssteuer. Erste will zwar auch die SPD nicht, aber einen Tag nach der SPD-Ankündigung, die gerade erst reformierte Erbschaftsteuer nach der Wahl noch einmal anzufassen, zog Merkel die Unternehmer auf ihre Seite, diese kommen aus dem Klatschen gar nicht mehr heraus.
Unternehmer kommen aus Klatschen nicht heraus
"Wir halten eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer für absolut das falsche Signal, und wir wollen auch an der Erbschaftssteuer nicht rühren. Das hat uns soviel Zeit und Kraft gekostet, das Verfassungsgerichtsurteil umzusetzen. Das kann ich nicht empfehlen."
Martin Schulz punktet dagegen woanders."Mit mir und einer SPD-geführten Bundesregierung wird die Forschung in Unternehmen streuerlich gefördert – nicht irgendwann, sondern sofort", verspricht der SPD-Kanzlerkandidat unter zaghaften Applaus, das sei Teil eines 30-Milliarden-Investitionsprogramms, das die SPD auflegen will. Und Schulz wirkt auch so, als hätte er diese Warnung des BDI-Präsidenten genau gehört.
"Mit einer Internetgeschwindigkeit, die uns auf Platz 17 von 31 Nationen in Europa bringt, können wir nicht zufrieden sein."
Die Digitalisierung zur Chefsache machen
Zwar will auch Merkel bei der Digitalisierung aufs Tempo drücken, aber Schulz legt beim schnellen Internet noch etwas drauf: "Auch hier werden wir mit unserem Investitionsprogramm eingreifen. Wir müssen die Verantwortung für die digitale Zukunft bündeln. Das ist der Grund, warum nach der Bundestagswahl in einer SPD-geführten Regierung die Digitalisierung Chefsache wird."
Einigkeit im Prinzip, Unterschiede im Detail auch beim Freihandel, zu dem sich Merkel wie Schulz bekannten. Doch hier ging Merkel einen Schritt weiter: Trotz der schwieriger gewordenen Beziehungen sprach sie sich für einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA aus.