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Tag der Provenienzforschung
Kunsthistoriker beklagt fehlende Mittel und Stellen

Die Diskussionen über koloniale Raubkunst und NS-Raubkunst haben das Bewusstsein für die Bedeutung der Provenienzforschung geschärft. Bewusstsein allein aber reiche nicht, sagt der Münchner Provenienzforscher Christian Fuhrmeister. Es werden auch Stellen und Geld gebraucht - und die fehlen.

Christian Fuhrmeister im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
Die Experten für Provenzienzforschung im Museum Wiesbaden, Miriam Merz und Peter Forster, untersuchen am 10.12.2013 im Landesmuseum Wiesbaden (Hessen) die Rückseite eines Bildes. Das Museum Wiesbaden hat 1999 begonnen, alle zwischen 1933 und 1945 erworbenen Kunstwerke auf ihre Herkunft zu überprüfen.
Fachleute für Provenzienzforschung untersuchen im Landesmuseum Wiesbaden die Rückseite eines Bildes. In vielen Museen fehlen Stellen für diese Aufgaben. (picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
Mit einem jährlichen Tag, der am 14. April 2021 zum dritten Mal stattfindet und an dem 80 Institutionen in Europa und den USA teilnehmen, wollen Provenienzforscherinnen und –forscher aufmerksam machen auf ihr Fach. Das hat zwar in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen, sei aber noch immer nur prekär ausgestattet, beschreibt Christian Fuhrmeister die Lage. Dabei gehe es einerseits um die Erforschung der Geschichte von Objekten, um Besitzfragen zu klären, vor allem aber um deren Kulturgeschichte. Die Provenienzforschung müsse wie andere historische Disziplinen selbstverständliches Forschungsfeld in Museen und an Universitäten werden.
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Die Bedingungen der Arbeit sind prekär

Obwohl in der Vergangenheit bereits viel passiert sei auf dem Gebiet, seien die Rahmenbedingungen für die Arbeit keineswegs optimal. Die Politik müsse dafür sorgen, dass es ausreichend Stellen für die Provenienzforschung gibt. Es fehle oft noch das Bewusstsein dafür, dass die Provenienz eines Objekts genauso wichtig ist wie dessen Form oder Material. In den wenigsten Häusern seien Stellen für die Herkunftsforschung fest verankert.
Es gehe ja nicht allein um Herkünfte, sondern um "das Gewordensein dessen, was wir als Kulturerbe professionell zu pflegen und zu bewahren haben." Um das gut zu machen, brauche man Stellen, Know How und auch Datenbanken, die die einzelnen Häuser nicht aufbauen könnten. Auch die universitäre Ausbildung sehe die Provenienzforschung noch immer als eher als ein Nice-to-have.

Es geht um das Gewordensein des Kulturerbes

Wenn man nach der Herkunft von Objekten frage, sei das ein sehr großes Forschungsfeld, auf dem es nicht allein um Fragen des rechtmäßigen Besitzes gehe. Es gehe um ganz grundsätzliche historische Zusammenhänge, zu der viele historische Disziplinen beitragen können, Kunst – und Rechtsgeschichte, Zeitgeschichte und je nach Gegenstand auch beispielsweise Politik-, Finanz-, Militär- und Handelsgeschichte.
Bislang sei vor allem zur Kunst im Nationalsozialismus und in kolonialen Zusammenhängen geforscht worden. Die gesamte Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart könne aus dem Gesichtspunkt der Provenienzgeschichte untersucht werden, sagt Christian Fuhrmeister: "Ich glaube, dass wir begonnen haben, die Probleme in ihren Dimensionen zu erahnen. Wir sind noch nicht so weit, die Strukturen und Mechanismen haben, um sie zu bewältigen."

Es fehlt an Stellen, Strukturen und Bewusstsein

Grundsätzlich sei Provenienzforschung kaum abschließbar, weil es kaum möglich sei, alle Aspekte und Faktoren zum Gewordensein von Objekten zusammenzutragen. Man müsse aber damit beginnen, auch wenn die Herausforderungen groß sind. Derzeit fehle es an allem, an Geld, Stellen, Know How, Bewusstsein und Strukturen.